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Meine Suche nach Zugehörigkeit als Schwarze, muslimische Frau

Photo courtesy of Dahaba Ali Hussen.
„Du dreckige Afghanin“, fauchte mich ein weißer Junge aus meiner Klasse an. Ich war erst 13, als ich mir das anhören musste. Damals ging ich an eine Gesamtschule im Norden von London und trug einen Hijab. Es war ein ganz normaler Teenie-Streit unter Mitschüler*innen gewesen. Über duftende Glitzer-Gelstifte. Also warum wurde jetzt plötzlich meine Herkunft zur Zielscheibe?
Ich bin Schwarz, Britin und Muslimin. Schon mein ganzes Leben bekomme ich die doppelte Portion Rassismus aufgetischt: Islamhass plus Schwarzenfeindlichkeit. Als es zum Gelstift-Vorfall kam, lebte ich erst seit drei Jahren in Großbritannien. Davor hatten meine Eltern und ich in den Niederlanden gewohnt – sie waren vor meiner Geburt vor dem Bürgerkrieg aus Somalia geflohen. Ich komme also nicht aus Afghanistan, aber wegen meines Kopftuchs sah mich der Junge als Muslimin. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass ich aus Afrika stammen könnte. Auch das kenne ich schon mein ganzes Leben: falsch eingeordnet zu werden, in eine Schublade gesteckt zu werden, und mich fast täglich mit meiner Zugehörigkeit – oder eben deren Fehlen – auseinandersetzen zu müssen.
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Als Jugendliche bekam ich immer wieder zu hören, ich sei ja gar nicht wirklich Schwarz, weil ich Muslimin bin. Andere sagten wiederum zu mir, ich sei keine echte Muslimin, weil ich Schwarz bin. Das war wahnsinnig anstrengend. Mittlerweile bin ich 26 Jahre alt und habe realisiert, wir Schwarzen Muslim*innen sind in der Mainstream-Kultur und ihren Medien immer noch enorm unterrepräsentiert. In vielen Teilen der britischen Gesellschaft fühle ich mich noch immer nicht akzeptiert. Und das, obwohl schwarze britische Muslime sind schon seit Jahrhunderten Teil der britischen Gesellschaft sind. Shakespeares Othello gilt zum Beispiel als Kommentar zur Beziehung mit Schwarzen Muslim*innen, die aus Nordafrika ins Elisabethanische England zogen. Heute machen Schwarze Muslime 10,1 Prozent der muslimischen Bevölkerung Großbritanniens aus.
Photo courtesy of Dahaba Ali Hussen.
Und trotzdem: Wenn sie nach Schwarzen Muslim*innen gefragt werden, fällt vielen bloß der bekannte amerikanische Aktivist Malcolm X ein. Aber was ist mit mir? Was ist mit all den anderen Schwarzen Muslim*innen? Meine Community braucht mehr Aufmerksamkeit, denn die Erfahrung, von allen Seiten immer wieder ausgestoßen zu werden, kann sich stark negativ auf das eigene Gefühl der Zugehörigkeit auswirken.
Wie die meisten muslimischen Kinder, die in Großbritannien aufwachsen, hatte ich nach der Schule Religionsunterricht. Dort lernten wir Passagen aus dem Koran und diskutierten ihre Bedeutung. Viele der Glaubensschulen werden von Mitgliedern der südasiatischen Community geleitet. Das ergibt proportional gesehen Sinn – schließlich machen sie einen großen Teil der Muslime in Großbritannien aus. Hinter geschlossenen Türen gehörte beiläufiger Rassismus allerdings zum Alltag. „Sollte Somalia nicht neben Pakistan liegen? Ihr seht nicht aus wie Afrikaner*innen“, sagte ein Mädchen zu mir. Ein anderer Junge erzählte uns allen stolz, sein Großvater hätte BPoC als Sklav*innen gehalten: „Allah wollte es so.“
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Sogar in meiner eigenen somalischen Community gibt es toxischen Colorism: Familienmitglieder mit hellerer Haut sind höher angesehen als die mit dunklerer Haut. Aber irgendwie scheint das nur für Frauen zu gelten. Mit dem Light Skin-Privileg und seinem schädlichen Einfluss musste ich mich regelmäßig sogar schon am Esstisch in meinem eigenen Zuhause auseinandersetzen. In der muslimischen Community gibt es eine unausgesprochene Hierarchie, in der Muslim*innen mit hellerer Haut aus dem Nahen Osten an der Spitze, Schwarze Muslim*innen hingegen irgendwo am unteren Ende stehen. Von dieser Hierarchie wissen mit Sicherheit den wenigsten Weißen.
Als ich 19 und noch etwas naiver war, war ich mit einem Franzosen zusammen. Damals war ich bestenfalls leicht zu beeindrucken, schlimmstenfalls leicht zu unterhalten.
Er sang? Wow.
Er hatte einen Master-Abschluss? Yep. Ein echter Intellektueller.
Er trug Secondhand-Klamotten, weil er nicht an die Modeindustrie glaubte? Schweig still, mein schwaches Herz!
Doch es war wohl zu gut, um wahr zu sein. Eines Abends, während wir gerade am Themseufer in London spazierten, erzählte er mir ganz unschuldig, er und seine Freunde hätten ja schon immer mit ostafrikanischen Musliminnen schlafen wollen, weil die einfach „irgendwas an sich“ hätten.
Heute kann ich darüber Witze machen, aber die Realität ist verstörend. Wie kann man eine ganze Gruppe an Frauen dermaßen fetischisieren, kategorisieren und sie auf eine ausschließlich sexuelle Funktion reduzieren? Hatte er auch nur ein einziges Mal darüber nachgedacht, wie ich mich dabei fühlen könnte? Man findet unzählige wissenschaftliche Studien und Essays darüber, wie die Fetischisierung der Körper Schwarzer Frauen historisch dafür genutzt wurde, uns zu untergraben und uns die Möglichkeit zu nehmen, nach unseren eigenen Wünschen zu leben.
Trotz meiner Erfahrungen ist die Gleichheit aller Menschen tatsächlich ein zentraler Bestandteil des Islams. In seiner letzten bekannten öffentlichen Predigt sagte der Prophet Mohammed (Friede sei auf ihm): „Kein Araber ist besser als ein Nicht-Araber und kein Nicht-Araber ist besser als ein Araber, und kein Schwarzer ist besser als ein Weißer und kein Weißer ist besser als ein Schwarzer. Überlegenheit besteht allein in der Gottesfurcht.“
Während sich die Diskussion über Rassismus mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, kehre ich immer wieder zu dem komplexen Netz aus Vorurteilen zurück, mit dem Schwarze Muslim*innen wie ich zu kämpfen haben. Wo passen wir rein? Wo finden wir unseren Platz – einen Ort, an dem sich unser Glaube mit unserem Schwarzsein überschneiden darf? Wie eröffnen wir Gespräche über die Vorurteile, die uns begegnen? Ich habe noch keine Antworten darauf. Doch zu erkennen, wie wichtig es ist, diese Fragen zu stellen, fühlt sich an wie ein guter erster Schritt.
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