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Das solltest du bedenken, wenn du anderen finanziell unter die Arme greifen willst

Photographed by Nicolas Bloise.
Jemanden finanziell unter die Arme zu greifen, kann eine knifflige Angelegenheit sein. Nicht nur, wenn dein eigener Kontostand niedrig ist, sondern auch, weil Geld eine sehr emotionale Sache ist. Sobald du das Thema Geld ansprichst, kann das die existierende Dynamik in deiner Beziehung (sei sie kollegial, freundschaftlich oder romantisch) aus dem Gleichgewicht bringen – selbst wenn du nur die besten Absichten hast. Es kann die Art der Beziehung für immer verändern und schlimmstenfalls sogar dafür sorgen, dass sie zerbricht.
Noch vor einem halben Jahr schien es manchmal die beste Option zu sein, die persönliche Finanzenlage gar nicht erst anzusprechen – sprich: sie ähnlich wie andere brisante Themen, wie Religion oder Politik, zu behandeln. Doch dann kam Corona. Sollte eine Person, die dir nahesteht, in den letzten Monaten im Zuge der Pandemie den Job verloren haben oder in Kurzarbeit geschickt worden sein, kannst du jetzt wahrscheinlich schlichtweg nicht mehr den Kopf in den Sand stecken. Wie auch, wenn eine*r deiner Lieben sich nun permanent Sorgen machen muss, die nächste Miete nicht bezahlen zu können. Es kann also gut sein, dass du dich aktuell fragst, ob du der betreffenden Person finanzielle Hilfe anbieten solltest – sei es nun ein Familienmitglied, dein*e Mitbewohner*in, ein*e Kolleg*in oder ein*e Freund*in.
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„COVID bringt viele dazu, über die Menschen in ihrem Leben nachzudenken“, so Aditi Shekar, Gründerin der persönlichen Finanz-App Zeta und Expertin in Sachen Geldthemen in privaten Beziehungen. Sie sagt, neben unseren Lieben sollten wir die Menschen nicht vergessen, die vor Corona eine große Rolle in unserem Leben gespielt haben wie beispielsweise Haushaltshilfen, Tagesmütter oder Hundeausführer*innen. Kurz gesagt: Alle, die im Dienstleistungsbereich arbeiten, könnten aktuell ein geringeres oder gar keinen Einkommen haben. Und deswegen dürfen wir sie nicht vergessen, so Shekar.
Während Geld in der Beziehung zu Personen wie diesen jedoch von Anfang an ein Thema war, gibt es auch Beziehungen, in denen es bisher einfach nicht aufkam. Und in Hinblick darauf fragst du dich jetzt vielleicht, wie du es am besten ansprechen sollst. Auch wenn du weißt, sie oder er hat gerade ganz schön zu kämpfen: Ist es nicht irgendwie vermessen, Freund*innen von sich aus Geld anzubieten? „Beim Thema Geld schwingt immer auch eine Portion Schuld, Scham, Missgunst und Angst mit“, warnt Shekar. „Selbst, wenn du es im Gespräch mit guten Freund*innen erwähnst, kann das für unangenehme Gefühle auf beiden Seiten sorgen. Es kann zu einer wirklich schwierigen Unterhaltung führen.“ Überleg dir also genau, ob es wirklich eine gute Idee ist.
Wenn du dann beschlossen hast, das Thema ansprechen zu wollen, solltest du dir laut Shekar vorab über ein paar Dinge unbedingt Gedanken machen. „Willst du das Geld irgendwann wieder zurückbekommen? Wo stehst du finanziell gesehen? Siehst du das als deine Möglichkeit, zum Lebensunterhalt deiner Freund*innen oder Familie beizutragen?“ Diese und weitere Fragen solltest du dir laut der Expertin auf jeden Fall stellen, denn die Antworten können einen großen Einfluss darauf haben, wie das Gespräch zwischen dir und der Person, der du helfen willst, läuft.
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Sei ehrlich mit dir selbst und mach dir gründlich Gedanken. Biete nicht einfach Betrag X an, weil das die Menge ist, die du gern geben würdest, nur um im Nachhinein festzustellen, dass du dir das gar nicht leisten kannst. Ob du den Betrag nun schenkst oder leihst (wobei Letzteres natürlich nicht verwerflich ist!), stelle vorher sicher, dass dein Konto das auch hergibt, rät Shekar.
Solltest du finanziell selbst extrem gut dastehen und beschließen, jemanden Geld zu schenken, versuche, nicht kontrollieren zu wollen, was die Person mit dem Geld anstellt. „Sonst begegnet sie dir später vielleicht mit Verachtung oder Groll“, warnt Shekar. Es ist komplett ihr oder ihm überlassen, ob sie oder er mit dem Geld die Miete oder Lebensmittel bezahlt oder aber eine Mitgliedschaft in einem Yoga-Studio. Du kannst von außen nicht einschätzen, was sie oder er jetzt gerade am dringendsten braucht also gib auch keine noch so gut gemeinten Tipps, wie das Geld investiert werden soll. Wenn dir deine Oma früher 50 Euro beim Kaffeetrinken zugesteckt hat, hat sie dir schließlich auch nicht vorgeschrieben, was du damit kaufen darfst und was nicht, oder? „Du musst dich an den Gedanken gewöhnen, wenn du jemandem Geld gibst, schuldet sie oder er dir nichts. Es steht dir nicht zu, ihr oder ihm irgendetwas vorzuschreiben.“ Es kann schwer sein, nicht unterbewusst in diese Falle zu tappen – und zwar auch dann, wenn du gar nicht voreingenommen, wertend oder aufgebracht sein willst.
In einer wissenschaftlichen Abhandlung aus dem Jahr 2017 fanden die Forscher*innen Juliana Schroeder, Adam Waytz und Nicholas Epley heraus, wir geben seltener Einzelpersonen Geld und spenden lieber an die Tafel oder an andere gemeinnützige Organisationen, weil wir denken, wir gehen klüger mit dem Geld um, als es der oder die Empfänger*in tun würde. Doch niemand möchte herablassend behandelt werden. Deswegen wäre es gut, wenn du versuchst, deine Finanzspritze nicht als Almosen oder Spende zu sehen. Sieh sie als eine Art Umverteilung; als Möglichkeit, Mittel an die Orte zu verteilen, an denen sie gerade dringender gebraucht werden. Es geht hier nicht um Mitleid, sondern um Mitgefühl. Also versuch, die Unterhaltung dementsprechend ehrlich und einfühlsam zu führen, so Shekar. „Ich habe schon oft beobachtet, dass sich die “Geldgeber*innen“ ein bisschen anmaßend oder eingebildet verhalten. Nach dem Motto: ‚Bin ich nicht toll, dass ich dir einen Gefallen tue?!‘ Mit diesem Verhalten können die Empfänger*innen nur schwer umgehen.“
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Womit wir direkt zum nächsten Punkt kommen: Mach dir vorher Gedanken darüber, welche Reaktion du erwartest. „Es ist okay, wenn du dir eine Form der Anerkennung wünschst“, sagt Shekar. „Um es ganz deutlich zu sagen: Manchmal ist es einfach nett, von jemanden zu hören ‚Danke, dass du das für mich machst‘.“ Aber wie wirst du dich fühlen, wenn dir der Empfänger oder die Empfängerin nicht ausdrücklich dankt? Oder nicht in der Intensität oder auf die Art und Weise, wie du es dir wünschen würdest? Könnte das etwas an eurer Beziehung ändern? Kannst du deine Erwartungen zügeln und jemandem helfen, ohne dafür eine minutenlange (virtuelle) Umarmung oder einen Tränenausbruch zu erwarten? Das klingt wie eine Frage, die du mit „Ja, natürlich!“ beantworten solltest. Aber bevor du vorschnell handelst, horch erst Mal genau in dich hinein und sei wirklich ehrlich mit dir.
Natürlich gibt es auch Menschen, die anonym oder zumindest auf unauffälligere Art und Weise helfen wollen. Menschen, die aus der ganzen Sache “kein großes Ding“ machen wollen. „Wenn du mit jemandem zusammenwohnst, könntest du beispielsweise den Großteil der Lebensmittel oder der Drogerieartikel kaufen, ohne es unbedingt an die große Glocke zu hängen“, so Shekar. Wenn ihr euch in die Miete und in Rechnungen reinteilt, könntest einen größeren Teil übernehmen, ohne daraus ein Riesending zu machen. Ansonsten kennt Shekar beispielsweise auch Leute, die kein Geld gegeben haben, sondern direkt bestimmte Artikel für eine*n Freund*in online bestellt haben oder eine (Amazon-Prime-)Mitgliedschaft oder den Handyvertrag finanzieren, für jemanden, der oder die einfach bessere Ressourcen braucht. „Wir haben (in den letzten Monaten) wirklich phänomenale Handlungen der Nächstenliebe gesehen“, sagt Shekar.
Aber gehen wir noch mal kurz zurück zum Thema Leihgabe. Wenn du es dir nicht leisten kannst (oder willst), jemandem Geld zu schenken (was wie gesagt vollkommen okay ist!), solltet ihr unbedingt im Vorhinein über die Konditionen sprechen. Laut Shekar kannst das Gespräch beispielsweise wie folgt beginnen: „Ich bin in der glücklichen finanziellen Lage, dich unterstützen und dir helfen zu können, und ich würde mich sehr gern mal mit dir zusammensetzen und darüber sprechen, wie das genau aussehen könnte.“ Sei dir aber bewusst, dass die Person, der du Hilfe anbietest, sie vielleicht instinktiv ablehnen will. „Wie bereits gesagt, gibt es da diese Scham und dieses Gefühl von ‚Ich will nichts erwarten‘“, sagt die Expertin und rät außerdem, realistisch ans Thema Rückzahlung zu gehen. „Geh einfach immer von der doppelten Zeit aus“, sagt sie. Wenn deine Freundin also sagt, sie will dir das Geld innerhalb der nächsten sechs Monate zurückzahlen, rechne damit, dass es dir erst in einem Jahr wieder zur Verfügung steht. „Nur, damit du selbst flexibel bleibst. Im Moment ist alles so unsicher; wenn die Person aus irgendeinem Grund in nächster Zeit irgendwelche Probleme hat oder sich zusätzlichen Herausforderungen stellen muss, willst du schließlich nicht sagen müssen: ‚Aber du hattest doch gesagt, du zahlst es mir in sechs Monaten zurück‘ – nur, weil du beispielsweise deine eigenen Finanzen vielleicht nicht realistisch eingeschätzt und mit dem Geld gerechnet hast.“
Die Umstände sind gerade für viele außergewöhnlich hart. Und deswegen ruft Shekar auch zu außergewöhnlichen Handlungen auf, genauer gesagt dazu, anderen zu helfen. Doch bevor du loslegst, solltest du dir unbedingt Zeit zur Selbstreflextion nehmen. Indem du finanzielle Hilfe anbietest, kannst du jemandem zeigen, wie viel er oder sie dir bedeutet, aber vergiss dabei nicht deine eigene finanzielle Lage. Überleg dir außerdem, ob du das Geld schenken oder leihen möchtest – und ob es überhaupt Geld sein soll oder vielleicht doch lieber eine andere Form der materiellen, emotionalen oder zeitlichen Unterstützung.

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