Diese knifflige Situation ist sicherlichvielen vertraut. Ich selbst habe einmal auf meinem ersten gemeinsamen Reise mitmeinem neuen Freund die Toilette in der Hotellobby anstatt das gemeinsame WCbenutzt. Ich kenne auch mehr als eine Frau, die noch nie bei der Arbeit gekackthat oder vorhat, es zu tun.
Für diese Scham gibt es einen Fachausdruck: „Parcopresis“, ein Syndrom, das auch als„schüchterner Darm“ bekannt ist. Professor Nick Haslam, Autor von Psychology In The Bathroom, erklärt,dass dieses Problem dann auftreten kann, wenn es an Privatsphäre mangelt. DerStuhlgang kann zur Qual werden, wenn jemand das Gefühl hat, dass sich andereMenschen in der Nähe befinden könnten. Das kann bei der Arbeit der Fall seinoder wenn Mitbewohner:innen oder Partner:innen zu Hause sind. „Menschen miteinem schüchternen Darm haben immer dann Angst davor, ihr großes Geschäft zuerledigen, wenn eine andere Person dabei zufällig mithören oder etwas riechenkönnte. Diese Befürchtung erzeugt eine solche Hemmung, die es unmöglich macht,öffentliche Toiletten zu benutzen. Im Extremfall bleiben Menschen zu Hause“,fügt er hinzu.
So wachsen Jungs zu Männern heran, die sichauf der Toilette alle Zeit der Welt nehmen, während der Klogang für vieleMädchen eine echte Herausforderung darstellt: Sie müssen sich beeilen und stopfendie Toilettenschüssel mit Toilettenpapier voll, um mögliche Geräusche zudämpfen. Sie versuchen, ihr großes Geschäft so schnell wie möglich zuverrichten, um den Schein zu erwecken, dass sie nur pinkeln waren.
Parcopresis mag ein psychologisches Problem sein, hat aber physische Auswirkungen,die außerdem mit hohen Kosten verbunden sind. Dieses Syndrom führt zuVerstopfung, ungeplanten, vermeidbaren Notfallaufnahmen undverschreibungspflichtigen Abführ- und Schmerzmitteln.
Lisa betont jedoch, es aber keine besorgniserregenden,permanenten Probleme verursacht, den Klobesuch hinauszuzögern. Es erhöht zumBeispiel nicht das Darmkrebsrisiko. Man sollte es aber dennoch nicht auf dieleichte Schulter nehmen, da es zu einer Fehlregulation des Darms führen kannund du dir so selbst ernsthafte Beschwerden zufügen kannst.
Nick erklärt, dass „bei schweren Fällen eineVerhaltensintervention vonnöten sein kann, in deren Rahmen Parcopresis wie eine Angststörung behandelt wird“. Während dieserSitzungen wird der Patient befragt. Verzerrte Überzeugungen werden ins Lichtgerückt und durch Fragen angezweifelt. Eine mögliche davon könnte sein, wieschlimm es zum Beispiel für dich wäre, wenn dich jemand beim Kacken zufällighören könnte? Würde diese Person wirklich einen negativen Eindruck von dirhaben? Außerdem lernt man mittels dieser Intervention, sich immer häufiger auföffentliche WCs zu trauen und Entspannungsübungen einzusetzen, um auf dem WC wenigerverkrampft zu sein.
Auf zu vielen Toiletten ist alles andere alsPrivatsphäre vorhanden. Liegt dann nicht eine gewisse Verantwortung für dieLösung dieses Problems in den Händen der Gesellschaft? „Wir können dafürsorgen, dass sich öffentliche Einrichtungen sicher anfühlen“, sagt Nick, fügtaber hinzu, dass „wir auch sachlicher mit dem Thema Stuhlgang umgehen können, umes sozial akzeptabler zu machen (z. B. weniger Euphemismen verwenden). Außerdemkönnen wir die geschlechtsspezifische Doppelmoral infrage stellen und anfechten,die für die Tabuisierung verantwortlich ist und Frauen dazu ermutigt, so zutun, als hätten sie keinen Verdauungstrakt.“