Ich war vor ein paar Monaten auf einer Party von einer Freundin und hatte die Wohnung kaum betreten, bevor mich eine Frau fragte: „Erzähl mal! Hattest du in letzter Zeit irgendwelche netten Dates?“ Ich kenne sie tatsächlich kaum – sie ist die Freundin einer Freundin –, und trotzdem stellte sie mir diese Frage, und das vor einer ganzen Gruppe aus Fremden. Sowas passiert meist, nachdem der erste Weinkorken gezogen wurde, und typischerweise kommt die Frage von Leuten, mit denen ich kaum was zu tun habe. Ich antwortete ihr, dass ich mir gerade eine Pause vom teilweise doch sehr anstrengenden Dating gönne. Das war ein Fehler, weil daraufhin direkt weitere Nachfragen kamen, die ich ziemlich schwammig beantwortete, bis wir endlich auf ein anderes Thema umschwenkten. Leider hatte ich diese Situation schon sehr oft, und sie ist jedes Mal nervig, öde und monoton.
WerbungWERBUNG
Früher habe ich, als eine Art „Comedy“, immer gerne Storys aus meinem Liebesleben erzählt. Je älter ich werde, desto privater fühlen sich diese Geschichten aber an. Ich will nicht bei einer Party lang und breit erklären, wieso es zwischen mir und einer Person nicht geklappt hat. Eigentlich sollte ich auf einer Party nämlich Spaß haben, anstatt mir das Gefühl anzutun, ich würde in Sachen Liebe „versagen“, obwohl ich tatsächlich sehr zufrieden mit meinem Single-Status bin.
In unserer Gesellschaft werden die Grenzen von Singles leider nicht so sehr respektiert wie die von Paaren. Wir kämen nie auf die Idee, ein Pärchen zu fragen: „Unternehmt ihr immer noch regelmäßig was zusammen?“, oder: „Ist euer Sex inzwischen langweilig geworden?“ Fragen wie „Wie lief’s mit diesem einen Typen?“, „Wann datest du wieder?“ oder sogar „Wie groß war sein Schwanz?“ scheinen hingegen völlig okay zu sein. Wir brauchen dahingehend dringend eine gesellschaftliche Veränderung: Das romantische Auf und Ab von Singles sollte nicht der Unterhaltung dienen. Natürlich werden Paare oft gefragt, wann sie denn endlich heiraten und Kinder bekommen – was genauso problematisch und aufdringlich ist. Die Überzeugung, Anspruch auf jedes noch so kleine Detail des Liebeslebens einer anderen Person zu haben, scheint sich aber vor allem auf Singles zu konzentrieren.
Auch die 34-jährige Charlotte, die in der TV-Produktion arbeitet, ist genervt davon, derart ausgefragt zu werden. Sie ist seit zwei Jahren Single. „Andere fragen mich, wie das Dating so läuft, und ich empfinde einen gesellschaftlichen Druck, eine Beziehung eingehen zu müssen. Meist kommt das von Leuten, denen ich gar nicht nah stehe. Meine engsten Verwandten und Freund:innen fragen mich nicht so oft, weil sie gemerkt haben, wie viel glücklicher ich als Single bin.“
WerbungWERBUNG
Sie hat den Eindruck, dass die Fragensteller:innen dabei hoffen, sie hätte ein paar skandalöse Storys auf Lager. Es geht ihnen weniger darum, dass Charlotte beim Dating positive Erfahrungen sammelt. „Meistens wollen sie irgendwelche Horrorstorys von mir hören. Dabei ist es unheimlich anstrengend, immer wieder erzählen zu müssen, dass mich mein letztes Date danach geghostet hat, oder dass ich einmal auf dem Weg zu einem Date in einem Schneesturm landete und komplett durchnässt ankam.“ Wenn ihre Gegenüber auf solche Erzählungen verständnisvoll reagieren oder sogar selbst Ähnliches erlebt haben, fühlt sie sich durch solche Gespräche manchmal weniger allein – doch hat sie nicht immer und überall Lust darauf.
„Wenn ich das Thema selbst anspreche, habe ich die Kontrolle darüber und erspare mir die unvermeidbare Nachfrage à la ‚Wie läuft es denn mit…?‘, woraufhin ich immer erzählen muss, was passiert ist“, ergänzt sie. „Dabei geht es ja eigentlich niemanden was an, dass ich gerne Single bin.“
Eine Studie von 2023 ergab, dass 50 Prozent aller Single-Erwachsenen gar kein Interesse an einer Beziehung haben. Einer weiteren Studie von 2022 zufolge lieben es Singles, mehr Zeit für sich selbst und ihre Ziele zu haben. Und eine andere Studie kam zu dem Schluss, dass junge Frauen generell weniger Interesse am Dating haben als junge Männer, und dass sich mehr Frauen denn je aktiv dafür entscheiden, Single zu sein. Gleichzeitig heißt es darin, dass 38 Prozent der teilnehmenden Frauen angaben, der Hauptgrund dafür sei der, dass sie bisher keine Person gefunden hätten, die den eigenen Erwartungen entspreche. Studien wie diese dokumentieren immer weitere Vorteile eines Single-Lebens – und vielleicht versuchen viele Paare genau deswegen unterbewusst, sich von Single-Freund:innen die eigenen Entscheidungen bestätigen zu lassen. Nach dem Motto: „Wenn ich mich für eine Beziehung entschieden habe, sollten sich das meine Single-Freund:innen eigentlich auch wünschen.“
WerbungWERBUNG
Die Psychologin Caroline Plumer ist ebenfalls der Meinung, dass solche Gedanken hinter den Fragen von Paaren an Singles stecken könnten. Sie erklärt: „Wenn wir nicht fest davon überzeugt sind, was wir für uns selbst entschieden haben – oder nicht alles nach Plan läuft –, fühlen wir uns womöglich von anderen Leuten bedroht, die in einer anderen Situation sind. Das kann tatsächlich sehr zerstörerische Formen annehmen, wenn wir die Entscheidungen anderer Leute abwerten, um uns mit unseren eigenen besser zu fühlen.“
Das habe auch ich schon so erlebt. Wann immer ich eine „Situationship“ begonnen habe, schienen sich manche meiner Freund:innen daran zu stören, dass ich mit dieser Nicht-Beziehung tatsächlich glücklich sein könnte, ohne mir mehr zu wünschen. Ihrer Vorstellung nach sollte ich mir eigentlich eine feste Bindung wünschen, und würde als Frau in einer „Situationship“ dem Mann die ganze Macht überlassen. In Wahrheit war ich mit meinen Nicht-Beziehungen aber immer sehr zufrieden.
Die meisten Leute meinen solche Nachfragen ja gar nicht böse. Dennoch sollten wir hinterfragen, wieso das Thema in unserer Gesellschaft als belangloser Smalltalk zu gelten scheint. Plumer meint: „Für manche Menschen können das tatsächlich sehr sensible Themen sein. Die sozialen Medien verstärken für viele den Eindruck, wir hätten ein gutes Recht darauf, jedes Detail des Privatlebens anderer Leute zu erfahren. Gleichzeitig gehen viele automatisch davon aus, Singles müssten einsam sein oder das Gefühl haben, es fehle ihnen an etwas.“
Die 25-jährige Beauty-Redakteurin Hannah ist seit drei Jahren Single. „Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich es nicht selbst liebe, mir die Dating-Storys anderer Leute anzuhören. Ich glaube aber, ich war noch nie bei einer Party oder einer anderen sozialen Veranstaltung, bei der das Dating-Leben von mir und anderen Singles nicht irgendwann Thema war“, sagt sie. „Ich habe überhaupt keine Probleme, darüber mit meinen engen Freund:innen zu sprechen. Es kann sogar therapeutisch sein, mich mit anderen Singles über das Dating auszutauschen. Und hey, schlechte Dates sind immer gute Storys. Ich finde es aber furchtbar und anstrengend, wenn mich Leute, die ich kaum kenne – meist vergebene Leute –, mit Fragen zu meinem Liebesleben durchlöchern. Typischerweise kommt dann am Ende ein Spruch wie: ‚Der richtige Partner kommt dann, wenn du ihn am wenigsten erwartest.‘ Und dann denke ich mir immer: Warum ist das denn überhaupt die Erwartung? Ich bin 25 und gar nicht auf der Suche nach einer ernsten Beziehung. Ich bin gerne Single und liebe das Daten. Trotzdem gehen viele davon aus, dass du nicht freiwillig Single sein kannst. In solchen Situationen neige ich dann leider dazu, viel zu viel zu erzählen, um bloß kein Mitleid zu bekommen.“
WerbungWERBUNG
Der Sex- und Beziehungstherapeutin Kate Moyle zufolge ist das die Konsequenz unserer „paarzentrischen Gesellschaft“. Sie meint, die meisten solcher Fragen haben gar keine großen Hintergedanken und seien einfach eine Angewohnheiten von Menschen, die sich von Singles wünschen, sie sollten sich stellvertretend für sie im Dating „ausleben“.
„Bei diesen Fragen geht es letztlich darum, ein Thema zu finden, über das du dich mit Menschen unterhältst, die du nicht gut kennst. Wer solche Fragen stellt, sucht meist nur nach einer thematischen Schnittstelle. Sowas sieht man auch oft in Filmen und Serien, was solche Fragen leider normalisiert und die Vorstellung verstärkt, ein Single-Status müsse ‚korrigiert‘ werden.“ Das merke ich vor allem, wenn ich mal länger was mit jemandem habe: Die größte Freude schwingt mir immer dann entgegen, wenn ich erzähle, dass ich mich schon öfter mit jemandem getroffen habe (und mich somit einer Beziehung nähere).
Hannah wünscht sich in solchen Situationen mehr Empathie. Sie sagt: „Ich glaube, dass Leute, die für den Großteil ihrer 20er vergeben waren, nicht wirklich begreifen, wie emotional anstrengend Dating sein kann. Wenn das Thema manchmal aufkommt und ich nicht in der richtigen Stimmung dafür bin, breche ich es deswegen sofort ab. Wenn ich nicht drüber reden will, reden wir nicht drüber – so einfach ist das. Ich bemerke in meinem Gegenüber oft ein fehlendes Verständnis dafür, wie schmerzhaft auch kürzere Beziehungen oder ‚Situationships‘ sein können, wenn diese Person selbst noch nie sowas erlebt hat.“
Immer wieder dasselbe Gespräch führen zu müssen – und ich kann dir garantieren, dass auch deine Single-Freund:innen dieselben Storys wieder und wieder erzählen müssen –, kann extrem anstrengend sein. Da ist es verständlich, wenn du das Thema (wie Hannah) direkt beendest. Wenn du nicht weißt, wie du das tun sollst, ohne unhöflich zu wirken, empfiehlt Plumer, die Frage umzudrehen und selbst nachzufragen. Erstens lieben es viele Leute, über sich selbst zu reden, und zweitens kann das dem Gegenüber zeigen, wie die Fragen eigentlich klingen, wenn sie sie selbst gestellt bekommen.
WerbungWERBUNG
„Wenn das nicht funktioniert, stelle höflich, aber deutlich klar, dass du lieber nicht über das Thema sprechen möchtest. Schlag ein anderes Thema vor“, sagt sie. Moyle sieht das genauso und empfiehlt, dich selbst vor solchen Anlässen daran zu erinnern, dass du nichts über dich teilen musst, womit du dich unwohl fühlst. „Du musst nicht deine eigenen Grenzen missachten, um der Neugier anderer Personen zu entsprechen. Vermutlich hat sie noch nie jemand darauf hingewiesen, dass es ein sensibles Thema sein kann. Vielleicht ist ihnen auch gar nicht bewusst, dass die Fragen durchaus aufdringlich sein können.“
Können wir uns bitte vornehmen, uns unseren Single-Freund:innen gegenüber besser zu verhalten? Natürlich muss das Thema dazu nicht völlig tabu sein. Es sollte aber niemand das Gefühl haben, das eigene Liebesleben sei eine Art „Publikumssport“ zur Unterhaltung vergebener Verwandter oder Freund:innen, meint die 38-jährige Lucie. „Nachdem ich von meinem Dating-Leben erzählt habe, tun mir die neugierigen, aber mitleidigen Kommentare am meisten weh – so à la: ‚Wir wollen doch nur, dass du jemand Nettes kennenlernst‘, oder: ‚Ich verstehe nicht, wieso du immer noch Single bist‘. Am schlimmsten ist es zur Weihnachtszeit.“
Die Single-Person bei der nächsten Party, die du besuchst, hat sicher mehr zu erzählen als nur die Storys von Dating-Flops. Wenn also das nächste Mal der Wein entkorkt wird, frag doch lieber sowas wie: „Wie geht’s dir so?“, „Wie läuft es seit deiner Beförderung?“, oder: „Dein Urlaub sah super aus! Wo geht’s als Nächstes hin?“ Oder irgendwas anderes. An Themen sollte es eigentlich nicht mangeln, denn unser Leben ist so viel mehr als nur unser Beziehungsstatus.
WerbungWERBUNG