Ich begann das Jahr 2023 mit Sex mit meiner Partnerin und ihrer Partnerin – mit einer Episode der britischen Comedyshow Taskmasterim Hintergrund.
Der Abend hatte mit einem Chaos aus miteinander verschlungenen Gliedmaßen auf dem Sofa begonnen. Wir hatten uns zusammen Videos meiner liebsten trans Pornodarsteller:innen angeguckt, und ich war echt heiß. Als es dann aber ins Schlafzimmer ging, um es uns ein bisschen bequemer zu machen, kam ich ins Grübeln.
Es war nicht unser erster Dreier. Ich fühlte mich aber gegenüber meiner Metamour (so nennen sich die Partner:innen deiner Partner:innen in einer nicht-monogamen Beziehung) noch nicht so wohl und locker wie mit meiner Freundin, und es fiel mir schwer, mich ihr so zu öffnen.
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Ich hatte noch nie so guten Sex wie in den letzten anderthalb Jahren. Das liegt zum Teil daran, dass ich endlich meine Bedürfnisse als autistische Person verstanden habe. Zu erklären, wie sich mein Autismus auf mein Empfinden beim Sex auswirkt, ist aber immer noch ein verletzliches Thema. Ich finde es relativ einfach, über meine Grenzen zu sprechen, über die Ergebnisse meiner letzten Untersuchung auf sexuell übertragbare Krankheit oder darüber, was ich heiß finde – das fühlt sich für mich alles an wie Flirten. Zuzugeben, dass ich besseren Sex habe, wenn ich mir dazu eine britische Comedyshow anhören kann, ist deutlich weniger sexy.
Meine Freundin und ich lieben Taskmaster. Wir haben jede Staffel mehrmals geguckt, sowohl allein als auch gemeinsam. Ich weiß gar nicht mehr, wann wir das erste Mal eine Folge im Hintergrund laufen hatten, während wir miteinander schliefen – aber ich stellte schnell fest, dass mir das dabei half, mich nicht von meinen Sinnen überfordert zu fühlen und mich völlig in meinen Gedanken zu verlieren. Anstatt mir also beim Sex den Kopf zu zerbrechen und an alles Mögliche zu denken, kann ich mich durch die Ablenkung im Hintergrund wirklich auf das Hier und Jetzt konzentrieren.
Damit bin ich nicht allein. Die Geräuschkulisse beim Sex kann sich tatsächlich auf deine sexuelle Erfahrung auswirken – und sie sogar verbessern. Kate Sloan, Sex-Expertin und Autorin von 101 Kinky Things Even You Can Do, erklärt mir, dass Hintergrundgeräusche vielen Leuten dabei helfen, sich mit den selbst produzierten Geräuschen wohler zu fühlen. „Dann ist es weniger einschüchternd, Laute von dir zu geben oder auch nur mit deinem Partner bzw. deiner Partnerin zu reden – ob nun in Form von Dirty Talk, von Anweisungen oder Bitten“, erzählt sie.
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Obwohl du vielleicht denkst, dass es bei uns für eine heißere Stimmung gesorgt hätte, einfach den Porno laufen zu lassen, half es mir total, eine kurze Dreier-Pause einzulegen, um eine Folge Taskmaster anzumachen. Der Teil meines Gehirns, der vorher noch vor lauter Anspannung gebrummt hatte, war jetzt von den Geräuschen meiner liebsten TV-Serie abgelenkt – und ich konnte mich genug entspannen, um wirklich Lust zu empfinden und meinen Partnerinnen nah zu kommen.
Die Psychologin Dr. Liz Powell hat sich auf nicht-traditionelle Beziehungen spezialisiert und erklärt, dass es hinsichtlich der Geräuschkulisse kein „Richtig“ oder „Falsch“ gibt, die du beim Sex magst oder brauchst. Manche bevorzugen Pornos im Hintergrund – ich eben Taskmaster. „Für manche Menschen, insbesondere die mit einem besonders aktiven Kopf, kann Musik hilfreich sein, um sich auf das zu konzentrieren, was sie gerade tun, und sich gedanklich von der To-Do-Liste des Tages zu lösen“, erklärt sie. „Das Gehirn von anderen Leuten funktioniert aber vielleicht so, dass sie etwas Ablenkenderes brauchen, um sich aufs Hier und Jetzt zu fokussieren.“
Weil mich interessierte, wie es anderen geht, habe ich mit acht Leuten über ihre Geräusch-Vorlieben beim Sex gesprochen – und darüber, wie sich diese Hintergrundbeschallung auf ihr Sexleben auswirkt.
Jade, 23, sie/ihr, England
Mein Freund und ich haben eine eigene Playlist, die wir zum Sex anmachen. Wir haben sie gemeinsam erstellt, nachdem wir eine besonders tolle Nacht zu ähnlicher Musik hatten. Das wollten wir wiederholen, weil uns die Musik wirklich in die richtige Stimmung gebracht hatte. Dadurch können wir einander auch ganz locker signalisieren: Hey, ich hätte Lust auf Sex. Das hilft wirklich dabei, Nervosität abzubauen, und macht das Ganze umso heißer!
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Mir geht oft vieles durch den Kopf, selbst beim Sex. Wenn aber Musik läuft, ist mein Kopf stattdessen damit beschäftigt, und ich denke weniger an die „unsexy“ Dinge – wie die Frage, was wir abends essen, oder was ich morgen zur Arbeit anziehen soll.
Die Playlist erweckt aber gewisse Erwartungen. Soll heißen: Wenn sie läuft, ist klar, worauf es hinauslaufen soll. Manchmal habe ich aber bloß Lust auf sexuelle Handlungen, die als „Vorspiel“ gelten, aber nicht auf penetrativen Sex. Klar hätte ich auch an diesen Aktivitäten Spaß, wenn im Hintergrund die Playlist liefe – aber ich glaube, ich würde davor zögern, sie anzumachen, falls mein Partner deswegen denken könnte, dass ich jetzt Bock auf penetrativen Sex habe.
Kimmy, 29, sie/ihr, Belgien
Ich mache nicht absichtlich Musik oder irgendetwas anderes an, bevor ich Sex habe. Wenn aber schon Musik läuft, lasse ich sie laufen. Ein Film oder eine Serie würden mich ablenken – da müsste ich also „Pause“ drücken, bevor wir vom Küssen zu etwas anderem übergehen.
Wenn es sehr ruhig ist, fallen mir die Laute, die ich so von mir gebe, manchmal unangenehm auf, und das macht mich unsicher – das passiert aber nur selten. Meistens bemerke ich beim Sex nicht, dass es ansonsten sehr still ist. Trotzdem stören mich dann doch andere Geräusche, die mich ablenken – wie eine laute Sirene oder meine Nachbar:innen.
Helena, 29, sie/ihr, Schweden
Wenn ich in der Stimmung für Hintergrundgeräusche bin, habe ich am liebsten Musik an. Die hilft dabei, meine Grübeleien auf „stumm“ zu stellen, und mich zu fokussieren. Ich habe den besten Sex, wenn ich das Gefühl habe, mich komplett hinzugeben und im Moment zu leben, quasi wie einer Art Trance. Ich schätze, das ist eher das Gegenteil davon, mich auf die Situation zu konzentrieren – aber wenn mein Partner ebenfalls in dieser „Musik-Sex-Trance“ ist, fühlt es sich so an, als seien wir in unserer ganz eigenen Welt.
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Ich schäme mich nicht für die Musik, die ich beim Sex gern höre. Als ich mit meinem Partner die Playlist erstellt habe, brauchte ich aber doch ein bisschen Mut, um ein paar Songs vorzuschlagen, zu denen ich es gerne mal tun würde. Zum Glück wusste ich, dass wir beide darüber lachen würden, wenn der Song dann doch nicht zur Stimmung passen sollte. Heute zählt es bei uns schon als Einladung zum Sex, einfach ein paar Kerzen anzuzünden und die Playlist anzumachen.
Lisa, 29, sie/ihr, Deutschland
Ich mag sinnliche Musik, wie den Soundtrack zu 50 Shades of Grey. Sie hilft mir dabei, in Stimmung zu kommen und gedanklich dabei zu bleiben, sodass ich nicht anfange, im Kopf meine To-Do-Listen durchzugehen. Ich habe einmal Musik angemacht, um zu testen, ob es mir hilft – und das hat funktioniert, also habe ich das beibehalten.
Mein Partner mag es auch, beim Sex Musik zu hören, um sich zu konzentrieren. Manchmal schauen wir uns zusammen einen Porno an; er könnte dann direkt loslegen, während der Porno noch läuft, aber ich bin immer zu neugierig darauf, was da passiert. Es hilft mir auch, wenn die Umgebung sauber und aufgeräumt ist und ich keine großen Aufgaben vor mir habe, die mich ablenken könnten.
Beim Solo-Sex mag ich Audio-Pornos. Meistens verzichte ich aber drauf, weil es Mühe erfordert, den richtigen Audio-Porno zu finden, dessen Stimmen, Handlung und Sprache mir gefallen.
Betty, 28, sie/ihr, Wales
Ich brauche Hintergrundgeräusche beim Sex, aber nichts zu Neues oder Ablenkendes. Ich brauche etwas, was genau in der Mitte zwischen „gerade so zu hören“ und „ablenkend“ liegt. Ich bin sehr geräuschempfindlich, und zu leise Geräusche lenken mich fast genauso ab wie zu laute.
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Mein Partner und ich machen meistens die TV-Serie an, die wir gerade nochmal zusammen gucken – in letzter Zeit sind das Friends, The Office und Taskmaster. Musik ist für uns keine Option, weil er dann immer mitsingt!
Seit der Geburt unseres Kindes haben wir keinen ungeplanten Sex mehr. Eine alte Episode anzumachen, gehört demnach zu unserer Routine, wenn wir unseren Sex planen.
Nimble, er/they, Australien
Hintergrundgeräusche, egal welcher Art, sind Pflicht! Erst nach meiner ADHS-Diagnose wurde mir klar, dass mir Musik beim Sex wirklich dabei hilft, mich nicht gedanklich von anderen Sachen ablenken zu lassen – wie Uni-Hausaufgaben. Vorher ließ ich mich immer leicht ablenken und machte mir danach deswegen Vorwürfe. Meistens blende ich die Musik komplett aus und weiß danach gar nicht mehr, was überhaupt lief. Sie stimuliert mein Gehirn aber im Hintergrund genug, um mich besser auf das zu konzentrieren, was gerade passiert.
Ich habe das große Glück, liebevolle und aufmerksame Partner:innen zu haben, die oft schon im Voraus fragen, ob ich gerne Musik hören würde. Ich habe mich inzwischen damit abgefunden, dass ich Hintergrundgeräusche brauche, um mich beim Sex zu konzentrieren – aber auch nur, weil ich hart daran gearbeitet habe, mich selbst und meine neurodivergenten Bedürfnisse zu akzeptieren. Mittlerweile spreche ich ganz offen darüber.
Cay, 27, sie/ihr, Kanada
Meine Lieblingsmusik beim Sex ist Electro und Electro-Swing, weil der Beat dabei so stark rauszuhören ist. Mich zum Takt bewegen zu können, hilft mir dabei, den Rhythmus beizubehalten – das fällt mir ohne Musik schwer.
Beim Sex hab ich es gerne fast völlig dunkel, weil mich visuelle Stimuli meist ablenken. Indem ich meine Augen schließe und mich auf die anderen Sinne verlasse, kann ich mich besser auf die Empfindungen konzentrieren – und darauf, was mein Körper gerade macht.
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Kayla, 27, sie/ihr, USA
Beim Sex mit jemand anderem brauche ich nicht unbedingt Musik oder andere Geräusche – beim Masturbieren aber schon sehr oft. Meistens höre ich mit Kopfhörern Musik und finde, dass das meine Lust enorm verstärken kann. Das sind typischerweise Songs mit einem schnelleren Beat, manchmal mit „sexy“ Lyrics, aber nicht immer. Allein schon die Konzentration auf den Beat und die Musik sorgt dafür, dass ich viele andere Gedanken einfach ausblenden kann. Das ist wie eine Art Reizentzug. Dadurch kann ich mich besser auf meinen Vibrator konzentrieren, oder eben darauf, was ich sonst benutze.
Ich glaube, beim Sex mit Partner:innen will ich diesen Reitentzug aber nicht. Ich bin dabei lieber präsenter. Noch dazu hätte Hintergrundmusik nicht denselben Effekt; beim Masturbieren benutze ich ja Kopfhörer, und der Surround Sound bzw. das Noise Cancelling sind dabei schon wichtig.
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