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Happiest Season zeigt: So funktioniert Dating vor dem Coming-out

Foto: bereitgestellt von Hulu
Achtung: Es folgen Spoiler zu Happiest Season!
Elena Joy Thurston weiß, wie es sich anfühlt, eine Person zu daten, die sich noch nicht vor ihrer Familie geoutet hat. Ihr zufolge sei sie aber nicht besonders vorbildlich mit dieser Situation umgegangen. Thurston lernte ihre Partnerin Kristen kennen, als sie 2017 in Arizona das Fliegenfischen lernte. Beim Erntedankfest im Jahr darauf waren die zwei ineinander verliebt und ein Pärchen. Kristen hatte vor, den Feiertag mit ihrer Familie zu verbringen. Sie beschloss, Thurston mitzubringen. Sie wollte nämlich auf keinen Fall, dass ihre bessere Hälfte diesen Tag allein verbringen muss. Zu diesem Zeitpunkt war Thurston alleinerziehend und frisch geschieden. Sie war gerade dabei, die Mormonenkirche zu verlassen, und konzentrierte sich nach einer Art Konversionstherapie darauf, ihre psychische Gesundheit wiederherzustellen.
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„Als sie herausfand, dass ich niemanden hatte, mit dem ich das Erntedankfest feiern konnte, stand für sie außer Frage, dass sie mich mitnehmen würde“, sagt Thurston. Das Problem: Kristen hatte sich noch nicht vor ihren Eltern geoutet. Das beunruhigte Thurston, die ihr vorwarf: „Du schämst dich für mich. Wie kannst du in mich verliebt sein, wenn du dich für uns schämst?“ Thurston erinnert sich daran, was im Anschluss passierte: Um etwa 22 Uhr am Abend vor dem Feiertag schrieb Kristen ihrer Mutter in einer SMS, dass sie in eine Frau verliebt sei. Thurston beobachtete sie währenddessen nervös von der anderen Seite des Raums.
„Jetzt ist mir klar, was für ein bewegender und bedeutsamer Moment es ist, sich vor der eigenen Familie zu outen“, fügt sie nachdenklich hinzu. „Nun ist mir auch bewusst, dass das Outing des Partners oder der Partnerin nichts mit dir selbst zu tun hat.“
Thurston ist jetzt 41 Jahre alt und wünscht sich, sie hätte damals gewusst, was sie jetzt weiß. Sie findet es auch schade, dass sie früher nicht mehr Personen in ihrem Leben hatte, an denen sie sich hätte orientieren können, wenn es um das Thema Coming-out ging. Wie hilfreich wäre doch eine Art Reiseführer oder ein Film wie Happiest Season gewesen! In dieser romantischen Weihnachtskomödie fährt Abby (Kristen Stewart) mit ihrer Freundin Harper (Mackenzie Davis) an den Feiertagen zu ihren Eltern. Die wissen jedoch nicht, dass ihre Tochter lesbisch ist.
Der Film ist nicht nur unglaublich lustig, sondern geht auch so richtig ans Herz. Es gibt mehrere Momente, die haargenau einfangen, wie es ist, in einer Beziehung zu sein, in der eine Person sich noch nicht vor der Familie geoutet hat. In einer sehr bewegenden Szene stellt Abby ihre Partnerin Harper zur Rede und fragt: „Weißt du eigentlich, wie sehr es mich verletzt, dass die Person, die ich liebe, mich verleugnet?“ Harper antwortet daraufhin: „Ich verleugne dich nicht. Ich verleugne mich selbst.“
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„Bei dieser Szene weine ich jedes Mal“, erzählt Mary Holland, die das Drehbuch mitgeschrieben hat und als Harpers Schwester Jane im Film mitspielt, gegenüber Refinery29. „Es ist so wichtig, Harpers Seite zu hören... Sie kämpft so extrem mit sich selbst und bemüht sich so sehr darum, einen Ausweg zu finden... Dieser Prozess kann Angst machen. Mit dieser Szene wollten wir diese schwierige innere Auseinandersetzung zum Ausdruck bringen, die viele Menschen mit sich selbst haben.“
Das Nachdenken darüber, ob man sich vor der Familie outen soll oder nicht, kann sich wie ein emotionaler Marathon anfühlen. „Zeit mit Familienmitgliedern zu verbringen, die nichts von deiner wahren Sexualität wissen oder sie nicht anerkennen wollen, kann sich sehr destabilisierend auf dein Leben auswirken. Immerhin macht deine sexuelle Orientierung einen großen Teil deiner Identität aus. Außerdem kann diese Art von familiärer Reaktion Stress, Regression, Dissoziation oder andere Symptome verursachen“, sagt Dr. Dulcinea Pitagora, ein:e Sexualtherapeut:in, der:die sich als nicht-binär identifiziert. Dieser Stress kann sich während der Festtage und wenn die Gefühle von mehr als nur einer Person auf dem Spiel stehen, noch verstärken. Wir wandten uns an Expert:innen wie Dr. Pitagora, um Rat zu erhalten, wie man sich an Weihnachten am besten verhalten soll, wenn man in der Situation von Abby und Harper steckt oder gerade etwas Ähnliches durchmacht.

Setz Grenzen.

Wenn du mit jemandem liiert bist, ist es ganz normal, dass du dein Glück mit der Welt teilen willst. Wenn eine:r von euch beiden sich aber noch nicht geoutet hat, kann das die Lage komplizieren. So eine Situation könnt ihr am besten bewältigen, indem ihr miteinander sprecht und euch gegenseitig gesunde Grenzen setzt, sagt Ty David Lerman, ein Beziehungs- und Sexualtherapeut, der sich auf LGBTQ+-Themen spezialisiert.
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Wenn du die Person bist, die sich noch nicht geoutet hat, solltest du mit deiner besseren Hälfte zusammen herausfinden, warum das der Fall ist. Bitte deine:n Partner:in, während der Feiertage Verständnis dafür zu haben, dass du dich noch nicht wohl dabei fühlst, ihn:sie der Familie vorzustellen. Du könntest zum Beispiel Folgendes sagen: „Ich weiß es zu schätzen, dass du Weihnachten mit mir und meinen Familienmitgliedern feiern möchtest. Ich bin aber noch nicht dazu bereit, diesen Schritt zu wagen“, sagt Lerman. Eine andere mögliche Reaktion könnte sein: „Meine Beziehung zu meinen Eltern ist nicht stabil oder sicher genug. Deshalb werde ich mich nicht outen. Bitte respektiere meine Entscheidung.“
Wenn du bereits geoutet bist, das Outing deinem Partner oder deiner Partnerin aber noch bevorsteht, ist es wichtig, dass ihr einander Grenzen setzt und diese respektiert. Wenn die andere Person dich wie in Happiest Season darum bittet, deine Sexualität beim Familienbesuch zu verleugnen, kannst du ruhig „nein“ sagen, wenn du kein gutes Gefühl dabei hast. Lerman empfiehlt, dir zuerst folgende Frage zu stellen: „Wenn ich für dich da sein will und deshalb beim Theater mitspiele, bin ich mir dann überhaupt noch selbst noch treu?“ Er fügt hinzu: „Das ist eine große Sache; es steht viel auf dem Spiel.“

Mitgefühl ist das A und O.

Wenn du in einer Beziehung bist, in der eine Person sich (noch) nicht vor der Familie geoutet hat, ist es am besten, offen und freundlich miteinander zu kommunizieren, empfiehlt Lerman. „Zeig Mitgefühl“, rät der Therapeut. „Wenn du mit einer Person zusammen bist, die ein Coming-out in Erwägung zieht, ist es wichtig, zu zeigen, dass du Befürchtungen und Sorgen deines Partners oder deiner Partnerin nachvollziehen und -empfinden kannst.“
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Lerman schlägt vor, Folgendes zu sagen: „Ich verstehe, wo du derzeit im Leben stehst. Ich kann mich in deine Lage hineinfühlen. Es ist völlig okay, wenn du noch nicht dafür bereit bist, dich zu outen. Ich respektiere und erkenne deine Entscheidung an.“ Das erinnert an die Szene in Happiest Season, in der Levy zu Stewart sagt: „Nur weil Harper noch nicht bereit ist, heißt das nicht, dass sie dich nicht liebt.“
Wenn sich deine bessere Hälfte aber doch dazu entscheiden sollte, sich während der Feiertage zu outen, solltest du ihr klarmachen, dass du für sie da sein wirst, egal wie das Outing ausgehen möge, sagt Thurston. Lass deine:n Partner:in wissen, dass er:sie mit deinem Rückhalt rechnen kann und sei dazu bereit, dein Wort zu halten.

Nimm dir alle Zeit der Welt.

Thurston sagt, sie wünschte, sie und Kristen hätten vor dem besagten Erntedankfest 2018 mehr von all dem soeben Erwähnten getan. „Wir haben das Ganze überstürzt“, gibt sie nachdenklich zu. Die Entscheidung, wann oder ob man sich überhaupt outen soll, ist jedem:r Einzelnen überlassen. Es lohnt sich, die Entscheidung zu überdenken. Fragen wie „Werde ich mich körperlich und emotional sicher fühlen?“ können beim Nachdenken über mögliche Optionen hilfreich sein, sagt Lerman. Er fügt hinzu, dass es auch entscheidend ist, „unseren Bedürfnissen eine höhere Priorität beizumessen als unseren Wünschen.“ Vielleicht willst du zwar, dass deine Familie von deiner Beziehung weiß – das Bedürfnis nach Sicherheit sollte aber Vorrang haben, wenn das in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt.
Es ist auch wichtig, an das Timing zu denken. Die Feiertage sind meistens ohnehin schon stressig genug. Aus diesem Grund solltest du vielleicht in Erwägung ziehen, dein Outing auf eine etwas weniger hektische Zeit hinauszuschieben, sagt Lerman. „Ein anderer Zeitpunkt ist vielleicht etwas unpraktischer, weil an Weihnachten ja alle oft schon versammelt sind“, sagt Lerman. „Du tust dir aber selbst einen Gefallen, wenn du dich für den Weg des geringsten Widerstandes entscheidest.“
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Wenn du dich dazu entschließt, dich während der Festtage zu outen, solltest du dein Coming-out genau planen. Bleib dabei aber flexibel und erlaub dir, deine Meinung in letzter Minute noch ändern zu können, sagt Dr. Pitagora. Wenn du es tatsächlich tust, „nimm dir davor so viel Zeit wie möglich für Selbstfürsorge“, sagt er:sie. „Bereite dich außerdem auch auf die Zeit danach vor: Plan Zeit für Entspannung oder ein Telefongespräch mit Freund:innen ein, um dich aufgefangen zu fühlen und dieses einschneidende Erlebnis verarbeiten zu können. Es ist auch in Ordnung, das Familientreffen nach dem Outing zu verlassen, falls du nicht länger dort bleiben willst. Deshalb schadet es nicht, dir vorher Gedanken zu machen, wie du dich danach aus dem Staub machen kannst, für den Fall, dass deine Transportmöglichkeiten begrenzt sind, zum Beispiel.“
Thurston leitet jetzt die gemeinnützige Stiftung Pride and Joy Foundation, wo sie LGBTQ-Familien und ihren Verbündeten Unterstützung bietet. Sie hat in den letzten Jahren eine Menge über Coming-outs gelernt. Sie hat sogar die Woche vor Thanksgiving damit verbracht, Leute live via Zoom zu beraten. „Ich empfehle allen immer, in sich selbst hineinzuhören“, sagt sie. „Stell dir selbst die Frage: ‚Verleugne ich mich, wenn ich beim Familientreffen nicht völlig ich selbst bin? Oder ist es wichtig, mich um mich selbst zu kümmern und zu schützen, indem ich mich während der Feierlichkeiten mit der Familie nicht verletzbar mache?‘“
Thurston wünscht sich, sie hätte Kristen vor zwei Jahren beim Beantworten dieser Fragen helfen können. Im Laufe der Zeit hat Thurston erkannt, dass das Outing deines Partners oder deiner Partnerin nichts mit dir selbst zu tun hat. „Nimm es dir also nicht zu Herzen, dass deine bessere Hälfte sich nicht vor den für sie wichtigsten Menschen outen will. Sich vor der Familie ehrlich und verletzbar zu geben ist wahrscheinlich eines der schwierigsten Unterfangen überhaupt, da es um so viel geht und unsere Familie solch einen Einfluss auf unser Leben hat. Deine Aufgabe ist es, deinem Partner oder deiner Partnerin Rückhalt zu geben und nicht, Druck auf ihn:sie auszuüben.“
Anne Cohen trug zur Berichterstattung über diese Geschichte bei.
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