Fran Hauser, Autorin von The Myth Of The Nice Girl beschäftigt sich mit kniffligen Situationen im Berufsleben und bietet nützliche Ratschläge dazu. Im Folgenden beantwortet sie die Frage einer Frau, die für eine Unternehmensberatung arbeitet.
Frage: Es fällt mir schwer, Arbeitsaufgaben zu priorisieren und meinen Zeitplan anzupassen, wenn sich Prioritäten ändern. Da mein Job viel Recherchearbeit erfordert, vertiefe ich mich manchmal so sehr darin, dass ich mich unbewusst abschotte. Da ich mich so nicht ausreichend bemerkbar mache, ist es auch sehr schwierig, meinen Wert unter Beweis zu stellen. Wenn ich dann pünktlich nach Hause gehe, mache ich mir Sorgen, dass meine Vorgesetzten vielleicht denken, ich würde nicht hart genug arbeiten und meine Karriere nicht ernst genug nehmen. Wie kann ich also meine Arbeit, mein Netzwerk und berufliches Wachstum sowie meine privaten Interessen priorisieren?
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Frans Antwort und Tipps: Als ich in meinen Zwanzigern war und für Coca Cola arbeitete, war ich jedes Mal die Erste, die sich freiwillig meldete, um länger zu bleiben und Aufgaben zu erledigen, die in der allerletzten Minute noch aufgetaucht waren. Mit diesem Verhalten wollte ich beweisen, wie ehrgeizig ich war. Auf diese Weise schuf ich unfreiwillig aber auch einen Präzedenzfall und vermittelte damit die Botschaft, dass ich immer verfügbar und dazu bereit wäre, mehr Arbeit zu übernehmen. Ich arbeitete also so hart wie ich konnte und verbrachte so viel Zeit wie möglich im Büro. Es gibt nichts daran auszusetzen, sich hie und da besonders viel Mühe zu geben. Das wird aber dann zu einem Problem, wenn du so keine Zeit mehr hast, dich auf deine eigene Entwicklung und Karriere zu konzentrieren. Letzten Endes solltest du versuchen, ein Teamplayer zu sein und in dich selbst zu investieren.
Grenzen bei der Arbeit zu setzen, ist wichtig. Nur so kannst du unwichtige Aufgaben beiseiteschieben und dich auf jene Dinge konzentrieren, die für dich und deine Karriere von Bedeutung sind. Ich weiß, dass ich effektiver arbeite, wenn ich einen bestimmten Plan habe, den ich befolgen muss. Deshalb habe ich eine Methode entwickelt, mit der ich mich dazu bringen kann, Grenzen zu schaffen und sie aufrechtzuhalten. Und so geht's: Zeichne vier Quadrate auf ein Blatt Papier und benenne sie, indem du jedes einzelne Viereck einer Kategorie, also einem der wichtigsten Bereiche deines Lebens, zuordnest. Beispiele dafür könnten sein: deine Karriere, ein Hobby, politisches Engagement oder eine bestimmte Beziehung.
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Pro Quadrat solltest du dich für maximal drei Top-Prioritäten entscheiden. Was dein Karriereviereck betrifft, so kann es schwierig sein, sich bloß auf diese Anzahl zu beschränken. Das Setzen klarer Prioritäten zwingt dich aber dazu, zu bestimmen, worauf du dich von nun an konzentrieren willst, was dich nur unnötig ablenkt und womit du aufhören möchtest (was sogar noch wichtiger ist). Auf diese Weise kannst du auch deine Angst aus dem Weg räumen, dass du auf der falschen Spur bist.
Denk daran, dass du diese Prios irgendwann wieder ändern kannst. Für den Moment solltest du dich aber fragen: „Was möchte ich jetzt am meisten lernen oder verbessern, um meine Karriere auf die nächste Stufe zu bringen?“ Vielleicht willst du daran arbeiten, effizienter beim Recherchieren zu werden, an deiner Präsenz zu arbeiten und eine größere Menge auffälligerer abteilungsübergreifender Projekte zu übernehmen. Wende dich an deine Vorgesetzten: „Das ist es, worauf ich mich mit unseren Unternehmenszielen im Auge meiner Meinung nach konzentrieren sollte. Sehen Sie das auch so?“
Wenn wir schon beim Thema Vorgesetzte sind – oft nehmen wir an, dass sie uns schief anschauen, weil wir „früher“ gehen oder weil sie denken, dass wir nicht hart genug arbeiten. Hör damit auf, Spekulationen anzustellen und bitte ganz einfach nach Feedback, um Missverständnisse zu verhindern. Gibt es etwas, das du noch besser machen könntest? Gibt es irgendwelche anderen Bedenken ihrerseits? Hast du welche? Je offener und ehrlicher du dich gibst, desto weniger Zeit und Energie wirst du damit verbringen, dir über Erwartungen an dich Gedanken zu machen, die möglicherweise gar nicht existieren.
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Zusätzlich zu Karriere empfehle ich, Networking an die Spitze eines deiner Quadrate zu setzen. Um in dich selbst und deine Zukunft zu investieren, ist es notwendig, Beziehungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens aufzubauen. Wenn ich mit anderen Führungskräften spreche, sagen die meisten von ihnen, dass sie ohne ihre unglaublichen Netzwerke nicht da wären, wo sie heute sind. Diese hochintelligenten und hart arbeitenden Menschen haben erkannt, dass es auch bei der Arbeit hilft, vom Tisch hochzublicken, seinen Horizont zu erweitern und sich die Zeit zu nehmen, neue Leute kennenzulernen. Die Dinge, die du beim Networken von anderen lernst, können dir und dem Unternehmen, für das du tätig bist, zugutekommen. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass ich auf keinen Fall da wäre, wo ich heute bin, hätte ich meinen beruflichen Kontaktkreis nicht erweitert.
Sobald du deine Prioritäten festgelegt hast, ist es wichtig, „nein“ zu jenen Dingen zu sagen, die in keinem der Quadrate angeführt sind. Das ist keinesfalls einfach – schon gar nicht, wenn die Anfrage von Kolleg:innen kommt, die du möglicherweise beeindrucken willst oder die auf deine Hilfe angewiesen sind. Wenn du die Frage aber verneinst, kannst du dich auf die richtigen Aufgaben konzentrieren. Das sind jene, durch die deine Karriere aufblühen wird. Idealerweise sollten die Prioritäten, die du aufgelistet hast, mindestens 80 Prozent deiner Zeit in Anspruch nehmen.
Bevor du auf freundliche Weise „nein“ sagst, solltest du zunächst mit „danke" statt mit „Es tut mir leid“ reagieren. Du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, dass du eine Bitte ablehnst. Sag doch: „Danke für die Gelegenheit oder dafür, dass du an mich gedacht hast“. Gib dann an, warum du es nicht tun kannst. „Ich habe gerade zu viel zu tun“ ist hier unpassend, da wir alle zu beschäftigt sind! Um eine Frage oder Bitte mit Selbstvertrauen verneinen zu können, solltest du sagen, dass du voll ausgelastet bist und dich in diesem Moment auf x, y und z konzentrieren musst (eine Tätigkeit aus deinen Prioritätsquadraten). Wenn du willst, kannst du immer dennoch etwas Hilfe anbieten: Schlag z.B. eine andere Person vor, die für die Aufgabe in Frage käme, oder teile die Recherchearbeit zu einer kleineren Aufgabe, die erledigt werden muss, auf. Auf diese Weise behältst du deine Prios fest im Blick und beweist trotzdem Team-Spirit.