Nervös stand ich vor dem Konzert-Gebäude und wartete. Sollte ich hineingehen und mir einen Drink holen, um mir etwas Mut anzutrinken? Oder sollte ich lieber draußen bleiben und auf meine Dates warten? Du hast schon richtig gelesen: Dates, Mehrzahl. Ich war mit einem Paar verabredet.
Ich lernte Jess und Dylan* über eine App kennen. Zu dieser Zeit machte ich gerade eine schmerzhafte Trennung durch und suchte nach etwas, das mir über meinen Liebeskummer hinweghelfen würde. Sich mit einer anderen alleinstehenden Person zu treffen, fühlte sich nicht richtig an. Weder mein Kopf noch mein Herz waren zu der emotionalen Achterbahnfahrt bereit, die doch so typisch für das erste Date nach einer Trennung ist.
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Gelegenheitssex mit einer anderen Person, die Single war, kam für mich auch nicht in Frage. Während manchen Menschen Sex nach einer Trennung leicht fällt, fühlte ich mich dafür noch zu verletzlich. Mein Ex und ich hatten eine extrem turbulente Beziehung, die sich durch hitzige Streits und ebenso leidenschaftlichem Versöhnungssex auszeichnete. Obwohl sich zu trennen zweifelsfrei die richtige Entscheidung gewesen war, war ich immer noch sehr emotional und verwundbar. Klassischer Rebound-Sex hätte nur dazu geführt, dass ich an meinen Ex gedacht und diesen neuen Partner mit ihm verglichen hätte. Das ist keinem von uns gegenüber fair.
Trotzdem wollte ich etwas von der sexuellen Macht zurückgewinnen, die ich verloren zu haben glaubte. Ich wollte mit jemandem Sex haben, brauchte aber etwas, das sich von den sexuellen Erinnerungen mit meinem Ex unterscheiden würde. Ich war auf der Suche nach einer ehrlichen und sogar liebevollen Liebschaft ohne Verpflichtungen. Ein Dreier erfüllte all meine Anforderungen.
Für mich war das kein völliges Neuland. Bevor wir uns trennten, hatten mein Ex und ich mit dem Gedanken gespielt, einen Dreier auszuprobieren. Es fühlte sich wie eine Win-Win-Situation an: Ich wollte meine Bisexualität erkunden und er wollte mich mit einer anderen Frau sehen. Außerdem empfinde ich so etwas wie Mitfreude (Compersion) am sexuellen Vergnügen meines Partners mit einer anderen Person. Dazu ist es aber nie gekommen. Dringendere Dinge und unsere ständigen Streitereien, die letzten Endes der Grund für das Beziehungsaus waren, kamen dazwischen.
Während der ersten Monate nach meiner Trennung ging ich viel in mich, unternahm Roadtrips, entrümpelte meinen Kleiderschrank und sah mir alle Folgen meiner Lieblingsserie Gilmore Girls zum x-ten Mal an. Zwei Monate nach der Trennung fragte ich mich, ob ich nicht einfach einen Dreier ohne ihn ausprobieren sollte. Ich erstellte ein Profil auf 3nder, einer App, die dabei hilft, Partner:innen für einen Dreier- oder Vierer zu finden. Die meisten Leute auf der App waren Paare, die auf der Suche nach einem sogenannten „Einhorn“ waren. Das ist eine bisexuelle Frau, die nach Gelegenheitssex mit einem Paar sucht – angeblich eine Seltenheit (was ich ehrlich gesagt ein bisschen sexistisch finde).
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Obwohl ich auf 3nder ebenfalls viel Zeit mit Swipen und oberflächlichen Gesprächen verbrachte, fand ich die Erfahrung aufregender als auf Bumble oder Hinge. Immerhin schrieb ich mit Paaren hin und her! Nicht nur eine Person, sondern gleich zwei Menschen sagten mir, dass sie mich heiß fanden! Außerdem sprachen sie ganz offen und ehrlich über ihre Fantasien und Wünsche!
Jess und Dylan waren mir auf Anhieb sympathisch. Sie waren freundlich und neugierig, erklärten beiläufig ihre Absichten und schlugen ein erstes Date in einer kleinen Musikhalle in der Nähe vor (die guten alten Zeiten vor der Pandemie). Als sie am vereinbarten Ort ankamen, begrüßten wir uns gegenseitig mit Umarmungen. Ich fragte mich, ob Passant:innen unsere Absichten vermuteten, als wir uns auf den Weg in die Bar machten, um etwas zu trinken.
Zuerst fühlte es sich so an, als wären wir bloß Freund:innen, die Zeit miteinander verbringen. Wir sprachen über unsere Jobs, wo wir aufgewachsen waren und welche Art von Musik wir mochten. Nachdem sie meine zwei Gin Tonics bezahlt hatten, machten wir uns auf den Weg in einen überfüllten Konzertsaal. Jess und ich standen nebeneinander, während sich Dylan hinter uns befand. Irgendwann spürte ich, wie seine Hand meinen Rücken berührte. Er begann, ihn sanft zu massieren, während wir beide uns zur Musik bewegten. Fast gleichzeitig nahm Jess meine Hand und hielt sie fest, als wären wir beste Freundinnen die durch das Einkaufszentrum flanieren. „Nicht schlecht; das könnte mir gefallen“, dachte ich mir.
An diesem Abend passierte auch nichts weiter. Die beiden luden mich aber am folgenden Wochenende ein, in ihrer Wohnung abzuhängen. Ich brachte eine Flasche Wein mit, die wir tranken, während wir über unsere Urlaubspläne sprachen und abwechselnd DJ spielten. Irgendwann drehte jemand einen Joint. Als unsere Weingläser fast leer waren, lehnte sich Dylan zu mir und fragte beiläufig: „Will jemand rummachen?“
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Was darauf folgte, würde ich als eine aufregende Partie Horizontal-Twister beschreiben. Nach dem Sex lagen wir noch eine Stunde im Bett und sprachen darüber, was uns an diesem Erlebnis gefallen hatte. Etwa anderthalb Stunden später ging ich nach Hause. Kurz vor Mitternacht lag ich wieder in meinem eigenen Bett und dachte mir: „Was für eine unglaubliche Erfahrung.“
Das gute Gefühl hielt noch bis zum nächsten Morgen an. Ich traf mich mit einer Freundin und erzählte ihr alles, was passiert war.
„Ich fühle mich irgendwie leichter“, sagte ich und konnte immer noch nicht ganz glauben, dass das alles tatsächlich passiert war. „Ich habe wieder Hoffnung.“
Nach einer Trennung Hoffnung zu finden, kann ein ziemlich schwieriges Unterfangen sein. Selbst wenn wir auf einer gewissen Ebene wissen, dass eine Trennung die richtige Entscheidung war, befürchten wir oft, dass wir nie wieder wahre Liebe finden oder solch guten Sex haben werden wie während der besten Phasen mit unseren früheren Partner:innen. Diese Denkweise spiegelt eine Mangel-Mentalität wider oder die Vorstellung, dass echte Liebe und guter Sex nur begrenzt verfügbar sind. Wenn wir Beziehungen aus dieser Perspektive sehen (Er war der Richtige! Ich werde eine Person nie wieder so lieben können wie ihn!), verschließen wir uns aber neuen Möglichkeiten.
Sympathie zwischen Menschen ist aber keine nicht-erneuerbare Ressource. Obwohl der Sex mit deinem oder deiner Ex vielleicht sehr gut war, bedeutet das nicht, dass du nie wieder in deinem Leben guten Sex haben wirst. Mein Dreier half mir dabei, etwas von der Macht zurückzugewinnen, die ich gegen Ende meiner Beziehung verloren hatte. Dieses Erlebnis hat mir wieder vor Augen geführt, dass ich keinen fixen Partner für positive sexuelle Erfahrungen – ganz nach meinen eigenen Vorstellungen – brauche.
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Ich weiß, dass nicht alle Dreier zu dieser Erkenntnis geführt hätten. Ich hatte das Glück, dass Jess und Dylan respektvoll und kommunikativ waren und mir während unserer gesamten gemeinsamen Zeit das Gefühl gaben, willkommen und erwünscht zu sein. Bei dieser Erfahrung handelte es sich nicht nur um guten Sex. Sie zeigte mir auch, wie eine gesunde Beziehung aussehen kann. Obwohl ich nur kurze Einblicke in das gemeinsame Leben von Dylan und Jess gewinnen konnte, bewunderte ich, wie liebevoll sie miteinander umgingen. Das motivierte mich dazu, das Gleiche für mich zu suchen.
Nach diesem ersten Abend trafen wir uns noch ein paar Mal. Als wir eines Nachts nach dem Sex im Bett lagen und quatschten, fragte ich Dylan und Jess, was sie dazu bewegt hatte, einen sexuell nicht monogamen Weg einzuschlagen. Sie erzählten mir, dass das immer etwas gewesen war, worüber sie offen und ehrlich gesprochen hatten und das mit Hürden verbunden gewesen war. Dadurch dass sie in der Lage sind, schwierige Gespräche mit Respekt und Einfühlungsvermögen zu führen, sind sie aber immer noch glücklich zusammen. Als eine Person, die vor diesem Erlebnis kurz davor war, zu verbittern, weil sie gerade eine toxische Beziehung hinter sich gebracht hatte, wirkten ihre Worte inspirierend.
Dieser Dreier war mein Sprungbrett zurück in die Dating-Welt. Dennoch würde ich Dreier nicht allen empfehlen, die sich gerade von einer Trennung erholen. Wozu ich aber allen mit Liebeskummer sehr wohl raten möchte, ist, sich daran zu erinnern, dass ihr Ex nicht die einzige Person ist, die sie glücklich machen kann. Außerdem ist Vergnügen etwas, das wir immer für uns selbst schaffen können.
*Namen wurden von der Redaktion geändert.
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