Billie Eilish war gestern überall. Die Fotos vom Shooting für die britische Vogue zeigten die Sängerin in einem 1940er-Pin-up-Style – völlig anders als ihr sonstiger Look. Im Interview dazu sprach sie nicht nur darüber, wie dieses Umstyling zustande gekommen war, sondern über ein weiteres Thema, das ihr sehr am Herzen liegt: wie sich Missbrauchstäter:innen oft die Macht zunutze machen, die ihnen ihr höheres Alter über ihre jüngeren Opfer verleiht.
Und genau darum geht es auch in Eilishs neuer Single Your Power. Sie selbst bezeichnet den Song als „offenen Brief an Menschen, die andere ausnutzen – größtenteils Männer“. In Your Power meint sie damit keine bestimmte Situation oder Person. „Darum geht es nicht“, sagt Eilish. „Es geht gar nicht um einen bestimmten Menschen. Vielleicht denken jetzt viele, [ich hätte damit Erfahrung], weil ich in der Musikbranche arbeite. Nein, Mann. Das passiert überall. Ich kenne kein Mädchen, keine Frau, die nicht schon mal eine komische Erfahrung gemacht hat, oder sogar eine richtig schlimme. Und Männern passiert das auch – Jungen werden dauernd ausgenutzt.“
WerbungWERBUNG
Eilish wollte mit ihrem Song darauf aufmerksam machen, wie ein Altersunterschied in Beziehungen aller Art für ein ungleiches Machtverhältnis sorgen kann, das für die Betroffene nicht immer offensichtlich oder nachvollziehbar ist. „Ich habe früher nie verstanden, warum das Alter so eine Rolle spielte. Und natürlich denkst du so, wenn du jung bist – du warst ja noch nie älter. Du hast halt das Gefühl, du seist total reif und wüsstest alles“, erklärt Eilish. „Dabei vergessen viele, dass wir alle irgendwann erwachsen werden und begreifen, dass in deiner Jugend einiges ganz schön abgefuckt war.“
Laut dem Interview ist Your Power auch nicht der einzige Song, in dem Eilish über das Thema Missbrauch singt und darüber, wie er sich auf (insbesondere minderjährige) Betroffene auswirkt. Sie sagt, dass sie oft an eine Zeile aus ihrer 2019er-Single When I Was Older zurückdenkt: „I’m still a victim in my own right / But I’m the villain in my own eyes“ („Ich bin immer noch ein Opfer / Aber aus meiner Sicht bin ich der Bösewicht“).
Was sie damit ausdrücken wollte – und was sie noch immer glaubt –, ist, dass du zwar gleichzeitig stark und intelligent sein, ein tolles Support-Netzwerk sowie alles, was dich theoretisch vor Missbrauch schützen sollte, haben kannst – und trotzdem „kann man dich immer ausnutzen“, meinte Eilish gegenüber der Vogue. „Das ist ein großes Problem bei häuslicher Gewalt oder bei der Vergewaltigung Minderjähriger: Mädchen und Frauen, die vorher total selbstbewusst und durchsetzungsstark waren, finden sich plötzlich in Situationen wieder, wo sie sich fragen: ‚Oh mein Gott, bin ich hier gerade das Opfer?‘ Und es ist so peinlich und demütigend und entmutigend, wenn du immer dachtest, so viel zu wissen und plötzlich begreifst: Ich werde hier gerade missbraucht.“
In letzter Zeit steht die Frage, wie selbstständig junge Menschen – und vor allem berühmte junge Menschen – eigentlich wirklich sein können, immer wieder im Zentrum der öffentlichen Debatte. Die Dokumentation Framing Britney Spears zum Beispiel stieß eine Diskussion darüber los, wie viel wirkliche Kontrolle Spears zu ihrem Karrierebeginn über ihr eigenes Image hatte, und wie stark sie damals ausgenutzt wurde. Viele Menschen vermuten, das Talent junger Promis würde ihnen automatisch mehr autonome Kontrolle über ihr Leben und ihre Sicherheit einbringen; wie Eilish betont, trifft das aber nicht immer zu. Junge Menschen können oft wehrloser sein, als sie selbst überhaupt bemerken.
Wie immer haben Eilishs Offenheit und Bedachtsamkeit im Interview eines gezeigt: Ihre Stimme ist eine ihrer mächtigsten Waffen – in mehrerer Hinsicht. Und klar ist schon mal, dass die Sängerin hier nicht zum letzten Mal über diese ernsten Themen gesprochen hat. „Ich fände es schön, wenn man mir zuhört“, sagte sie – und ich glaube, das werden wir.
WerbungWERBUNG