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Als queere Person ein Bade-Outfit zu finden, ist fast unmöglich

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Das Erwachsensein hat mich gelehrt, dass es einige Gefühle gibt, die wir beinahe alle durchleben – und von denen wir trotzdem glauben, damit völlig allein zu sein. In meinem Fall geht’s dabei um ein ganz bestimmtes Problem: die Suche nach einem Bade-Outfit. Denn wenn nach gut zehn Monaten mal wieder Badewetter herrscht und ich den Anzug aus dem Schrank zerre, schießt mir dabei jedes Mal eine ganze Menge unangenehmer Fragen durch den Kopf.
Hat sich mein Körper in der Zwischenzeit verändert – oder ist das Nylon geschrumpft? Wieso fühle ich mich im Badeanzug eigentlich immer wie eine Riesen-Salami, gefangen in einem Netz? Und wie kann es sein, dass die Badeanzüge und Bikinis bei anderen Frauen und Mädchen immer perfekt sämtliche Kurven und Winkel umschmeicheln, während ich das Gefühl habe, der Stoff schnürt mir die Oberschenkel ab? Als ich mich allerdings als queer outete und Beziehungen zur LGBTQ+-Community aufbaute, wurde mir immer klarer, dass tatsächlich sehr viele Leute ein ähnliches Problem mit Bademode haben – vor allem, wenn sie queer sind.
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Das fängt schon mit den Kleidergrößen an. Einen hübschen Bikini oder Badeanzug in großen Größen zu finden, war schon immer schwierig; bis vor Kurzem hatten die wenigen Brands, die sehr wohl auch Plus-Size-Größen führen, noch dazu meist nur hyperfeminine Styles im Angebot. Eine Bademode-Marke mit einer großen Auswahl verschiedener Körbchengrößen, zum Beispiel, ignorierte dabei meist die Tatsache, dass manche Menschen ihre Brüste vielleicht eher verkleinern möchten. 
Illustration: Olivia Healy
„Gender-unterstreichende Bademode ist ohnehin schon schwer zu finden, insbesondere als nichtbinäre Plus-Size-Person“, meint die queere Plus-Size-Style-Bloggerin Maggie McGill. „Ich habe einen kurvigen Körper, möchte das aber nicht immer betonen.“ Zum Glück ist das inzwischen besser möglich: „Es gibt immer mehr Optionen für Plus-Size-Bademode, die nicht genderspezifisch ist. Einige meiner Lieblingsmarken sind Beefcake Swimwear und TomboyX.“ 
Dabei müssen natürlich nicht nur die Größen von Bade-Outfits inklusiver werden, sondern auch ihre Form an sich. Traditionelle Bademode orientiert sich noch immer weitestgehend an der Anatomie und richtet sich demnach nach der binären Aufteilung in „Mann“ und „Frau“: Bikinis sollen Brüste bedecken und eine breitere Hüfte umschnallen, während es bei Badehosen für Männer keine passenden Oberteile dazu gibt, weil die Industrie wie selbstverständlich vermutet: Wer eine Badehose kauft, muss oder möchte keine Brüste bzw. Nippel verdecken.
Männer-Badehosen berücksichtigen meist keine breiteren Oberschenkel und/oder schmalere Taillen. Wer also transmaskulin ist oder sich generell maskuliner kleiden möchte, wird es schwer haben, eine passende Badehose zu finden. „Ich kaufe meistens Männer-Badehosen, aber dabei ist ein verstellbarer Hosenbund wichtig“, sagt Rachel A. Lisner, nichtbinäre:r Autor:in und Gründer:in des queeren Newsletters Normal Clothes. „Ich brauche eine Badehose für weitere Oberschenkel, und ein stabiler, verstellbarer Bund lässt mich die Hose an der Hüfte so eng schnüren, wie ich will. Sonst würde sie einfach runterrutschen.“ Bikinis und Badeanzüge wiederum werden meist nicht so designt, dass sie auch von Menschen mit Penissen getragen werden können. Eine transweibliche Person, die sich einen feminineren Look wünscht, braucht dementsprechend mehr Stoff untenrum.
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Es gibt aber auch gute Neuigkeiten für diese Community, die sich Sommer für Sommer mit denselben Bademode-Problemen herumschlagen musste: Inzwischen gibt es eine Handvoll Labels, die in Sachen Design, Nachhaltigkeit und Größenvielfalt frischen Wind in die Branche bringen. CHROMAT zum Beispiel, einer der Vorläufer queerer Bademode, wurde 2015 von der queeren Designerin Becca McCarren Tran gegründet und hat sich zum Ziel gesetzt, alle Körperformen und -größen zu kleiden. Das zieht die Marke auch konsequent durch: Alle Styles gibt es bis zur Größe XXXXL. Fran Tirado, queerer Autor und Podcast-Host, ist großer Fan der Brand. „Ich persönlich hasse Badehosen und deren Tragekomfort. In einem gendervarianten Ganzkörper-Bade-Outfit fühlte ich mich auf dem Weg zum Pool oder Strand zum ersten Mal selbstbewusst“, sagt Tirado. „Aus einem Meer voller Speedos steche ich zwar total hervor, aber mein Look ist meiner – und niemand kann behaupten, ich sähe darin nicht gut aus.“
Illustration: Olivia Healy
TomboyX, eine der Brands, von denen auch McGill schwärmt, ist am besten für ihre größeninklusive, maskulin angehauchte Unterwäsche bekannt. Ihre Bade-Kollektion, die ebenfalls bis Größe XXXXL erhältlich ist, ist aber eine willkommene Abwechslung für jede:n, der:die am Strand keine Lust mehr auf eine Kombi aus Bade-Shorts und Sport-BH hat. Für die verschieden langen Unterteile gibt es passende Oberteile, die styletechnisch von Sport-BH bis zum Tanktop alles abdecken, meist hoch ausgeschnitten sind, Rücken und Brust mit dicken Bändern gut stützen und vorn häufig durch Reißverschlüsse besonders komfortabel an- und auszuziehen sind. Wer Einteiler bevorzugt, wird auch hier fündig – und dank moderner Muster und schmeichelhafter Schnitte stehen die Pieces jedem Körper. 
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„Ein Badeanzug mit hohem Halsausschnitt, der meine Brust gut abdrückt, war für mich ein echter Gamechanger“, meint Griffin Wynne, nichtbinäre:r Reporter:in für Sexualitäts- und Gender-Themen. „Viele Gender- und Körper-Probleme hängen miteinander zusammen, und [in Bademode] kann man sich schnell zu kurvig und feminin fühlen. Eine flachere Brust zu haben, ließ mich weniger an den Körperstellen zweifeln, von denen mir (als bei Geburt dem weiblichen Geschlecht zugewiesener Person) immer beigebracht worden war, ich solle besonders darauf achten“, erzählt Wynne. „In dem Outfit ging ich mit Freund:innen schwimmen – und es war das erste Mal in meinem Erwachsenenleben, dass ich mich beim Schwimmen wie ein kleines Kind fühlte, tobte und rumrannte. Ich machte mir dabei keine Sorgen darüber, ‚fett auszusehen‘ oder dass meine Brüste raushängen könnten.“
Andere Brands, die in Sachen queerer Bademode immer beliebter werden, sind unter anderem Beefcake Swimwear, Out Play, Slick it Up und Rebirth Garments. Beefcake zum Beispiel bietet auch androgyne Einteiler bis zur Größe XXXXXL, inspiriert von Vintage-Bademode aus den 1920ern.
Diese Marken ebnen den Weg für Bademode, die wirklich alle Menschen anspricht – unabhängig von Kleidergröße oder Gender-Identität. Jetzt gerade machen sie aber nur einen kleinen Teil der Modebranche aus, und leiden noch immer unter den Problemen kleinerer, neuer Firmen: Viele der Styles sind schnell ausverkauft, die Preise oft hoch, die Größen noch immer nicht groß genug. (XXXXL ist ein toller Anfang, aber eben noch nicht das Maximum, das es für wahre Größeninklusivität braucht.)
Illustration: Olivia Healy
„Ich habe bisher kein Bade-Outfit gefunden, in dem ich mich hundertprozentig wohl fühle. Einige Looks wollen ‚alternativ‘ oder ‚gender-inklusiv‘ sein, aber darin bin ich mir meines Körpers einfach nur extrem bewusst“, meint Levi Todd, ein queerer Beziehungsberater. „Ich glaube, das liegt daran, dass Bademode immer noch als ‚sexy‘ gelten soll – und ich glaube nicht, dass ich das gerade hinkriege. Im letzten Sommer habe ich eine Badehose mit einem Tanktop kombiniert. Das war weder sexy noch sommerlich, aber es erinnerte mich daran, dass Klamotten manchmal eben einfach einen Zweck erfüllen sollen.“
Natürlich ist es kein Wunder, dass die Suche nach dem perfekten Bade-Outfit kein Zuckerschlecken ist – schließlich kann Bademode viele Fragen zum eigenen Körper, Gender, der eigenen Sexualität und mehr aufwerfen. Und obwohl da definitiv noch Luft nach oben ist, ist es doch toll zu sehen, dass Brands wie CHROMAT, TomboyX und Beefcake Swimwear große Schritte in Richtung echter Inklusivität machen. 

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