Als Louise Katzovitz aufwuchs, hatte sie kein Interesse daran, Modetrends zu folgen. Stattdessen fühlte sich Katzovitz zu unkonventionellen Teilen hingezogen, die sich völlig von der Kleidung, die ihre Altersgenoss:innen trugen, unterschieden. Sie erinnert sich an das erste Mal, als ihr klarwurde, dass sie eine Schwäche für auffällige Kleiderstücke hat: Das war in den frühen 2000er-Jahren, als sie sich entschied, ein Bubble-Skirt-Kleid von Betsey Johnson zum Abschlussball zu tragen, in dem sie „wie ein Cupcake“ aussah. Katzovitz' persönlicher Stil hat sich seither weiterentwickelt. Jetzt trägt sie lieber minimalistische Stücke und gelegentlich ein „girly“ Kleid. Ihre Liebe zu herausragender Mode ist aber geblieben.
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Obwohl Katzovitz ihre Kreationen heute vor Tausenden von Followern auf TikTok, Instagram und YouTube zur Schau stellt, hatte sie sich nie eine Zukunft als „Designerin“ ausgemalt. In der Schule, sagt Katzovitz, glänzte sie am meisten in Fächern wie Mathe und Geometrie. Später studierte sie Maschinenbau. Aber ihre Liebe zu Avantgarde-Mode ist nie verschwunden und war immer irgendwo im Hinterkopf. Während ihres Studiums an der Northeastern University schrieb sich Katzovitz daher auch für ein Zertifikatsprogramm am Massachusetts College für Kunst und Design ein, wo sie Kurse in Mode, Design und Nachhaltigkeit belegte.
Nach ihrem Uniabschluss arbeitete sie hauptberuflich als Maschinenbauingenieurin in Boston, während sie sich nebenbei mit Projekten im Bereich des Modedesigns beschäftigte. Das inspirierte sie dazu, darüber nachzudenken, wie sie die beiden Berufe miteinander verbinden könnte: „Es gab keine Jobs, die es ermöglichten, beide Tätigkeitsbereiche miteinander zu verbinden, also beschloss ich, jene Veränderungen vornehmen, die ich mir wünschte.“ Vor sechs Monaten startete Katzovitz, die jetzt als freiberufliche Maschinenbauingenieurin in San Francisco arbeitet, einen YouTube-Kanal, auf dem sie Projekte dokumentiert. Inzwischen ist sie auch auf TikTok aktiv, wo einige ihrer Videos über 500.000-mal angesehen wurden.
Katzovitz konzentriert sich jedoch nicht nur auf den Design-Aspekt, sondern macht sich Technologie und Wissenschaft zu Nutze. Sie setzt sie ein, um einzigartige Erfindungen zu kreieren, die technologisch fortschrittlicher sind als alles, was heute auf dem Markt erhältlich ist, wie z.B. ein Korsett, das sich von selbst zuschnürt und 3D-gedruckte Kleidung, die die Farbe wechselt.
Für ihre fantasievollen Kreationen lässt sich Katzovitz oft von Laufstegen oder Filmen inspirieren. Im April interpretierte sie ein Couture-Kleid von Schiaparelli aus dem Frühjahr 2021 neu. Anstelle von Ausschnitten mit zahnförmigen Verzierungen entschied Katzovitz sich dafür, Teile des Brettspiels Hungry Hungry Hippos zu verwenden: „Diese Ausschnitte riefen geradezu danach.“ Für die vom Spiel inspirierten Details verwendete sie einen 3D-Drucker und verzierte sie später mit Perlen und Steinen, um Schiaparellis Look nachzukreieren. Im September ahmte Katzovitz ein Kleid aus einer Szene des Films Cruella nach, in der Emma Stones weißer Umhang von Flammen verschluckt wird und so ein rotes Kleid darunter zum Vorschein kommt. Um den gleichen visuellen Effekt zu erzielen, fertigte Katzovitz einen Mini-Umhang aus Pyropapier an – einer Mischung aus Baumwollstoff, Schwefel- und Salpetersäure. „Verwandlungen in Filmen mochte ich schon immer, und ich gehöre zu den Menschen, denen es dabei den Atem verschlägt“, sagt sie. „Kleidungsstücke zu transformieren, ist meine Art, genau das im echten Leben zu tun.“
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Katzovitz' Arbeit ist Teil einer größeren Revolution, die durch das Zusammenführen von Mode mit den Studienfachbereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ausgelöst worden ist. Siehe: Forscherin Neri Oxman oder Textilexpert:innen wie Mark Liu, die Pionierarbeit in diesem Bereich geleistet haben. In Sachen Mode waren es Designer:innen wie Iris Van Herpen (eine Favoritin von Katzovitz) und Zac Posen, die das Zusammenführen von Fashion mit Technologie vorantrieben, indem sie Techniken wie 3D-Druck und elektromagnetisches Weben einsetzten, die nicht nur innovativ, sondern auch visuell beeindruckend sind. Neben dem ästhetischen Aspekt und dem Coolheitsfaktor hat sich die Verschmelzung von Mode und Technologie auch als nachhaltig für die Zukunft der Bekleidungsindustrie erwiesen. Dank wissenschaftlicher Fortschritte hat die Modebranche nun Zugang zu biologisch abbaubaren Stoffen und tierversuchsfreien Alternativen wie Pilz-„Leder“. Außerdem wird überlegt, wie technologische Innovationen eingesetzt werden können, um Menschen mit Be_hinderungen zu helfen.
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Letzteres Thema rückte in den medialen Vordergrund, nachdem Katzovitz mitgeteilt hatte, dass sie ein Korsett entwickeln würde, das sich von selbst zuschnürt. Dieses würde es ihr ermöglichen, ihr Lieblingsbustier anzuziehen, ohne selbst Hand anlegen zu müssen. Leute begannen, ihre Instagram-Posts zu kommentieren und teilten Feedback dazu, wie sich dieses Projekt möglicherweise für Menschen mit Be_hinderungen umsetzen lassen könnte. „Das war eine wirklich coole Erfahrung, zu der es kam, weil ich meine Arbeit und Ideen mit der Öffentlichkeit geteilt hatte“, sagt sie. „Leute meldeten sich und teilten mir mit, wie bestimmte kleine Änderungen helfen würden.“ Vor Kurzem hat sie das besagte Korsett fertiggestellt. Dabei handelt es sich um ein automatisiertes Bustier im Bridgerton-Stil, das sich auf Knopfdruck zuschnüren lässt. Um so weit zu kommen, musste sie aber monatelang Mikromotoren testen und sich mit anderen Erfindungen dieser Art beschäftigen (wie die freihändigen Turnschuhe von Nike aus dem Jahr 2016). „Wir müssen weiterhin darüber nachdenken, wie wir diese [Art von Technologie] für die breite Masse zugänglich machen und anderen Menschen helfen können“, sagt sie.
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Als Nächstes wird Katzovitz an einem Auftrag arbeiten, bei dem sie Michael Jacksons rote Jacke aus dem Musikvideo zu Thriller nachkreieren soll, die von einem ähnlichen Look inspiriert ist, den der Sänger auf seiner Victory-Tour trug. Dazu wird sie das Teil zusätzlich mit LED-Lichtern ausstatten. „Ich bin wirklich aufgeregt und freue mich auf dieses Projekt, weil diese Jacke vor 40 Jahren hergestellt wurde“, sagt sie. „Es ist unglaublich, wenn man bedenkt, wie viel mehr technologische Möglichkeiten wir heutzutage haben.“
Durch das Dokumentieren ihrer Projekte hofft Katzovitz, Einblicke in die Art und Weise zu geben, wie Wissenschaft und neue Erkenntnisse die Modeindustrie voranbringen können. Auch wenn es den Anschein haben mag, dass solche Technologien nur für Couture-Shows oder Filmkostüme geeignet sind, will Katzovitz sie allen Menschen zugänglich machen, die einen größeren Nutzen aus Mode ziehen wollen – sowohl optisch als auch funktional. „Ich denke, dass Menschen immer bewusster mit Design und dem, was sie kaufen, umgehen. So kann Kleidung hoffentlich zu dem werden, was wir tatsächlich brauchen und uns wünschen“, sagt sie.
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