Laut Facebook-Daten trennen sich die meisten Paare am 11. Dezember. Dieser Monat ist also ein guter Zeitpunkt, um sich damit zu befassen, warum Beziehungen in die Brüche gehen und welche Auswirkungen das auf uns hat. Wer hatte schließlich noch nie Liebeskummer? Wir fühlen uns krank, können nicht essen oder schlafen und stellen uns eine Zukunft ohne den oder die Ex vor. Es fehlen die Worte, zu erklären, wie schlimm und hoffnungslos sich ein gebrochenes Herz anfühlen kann. Außerdem wird im Gegensatz zu einem Trauerfall von uns erwartet, dass wir wie gewohnt weitermachen. Was wäre aber, wenn wir Herzschmerz ernster nehmen und vor allem darauf achten würden, was wir aus einer Beziehung mitnehmen und lernen können – egal wie lange sie auch gewesen sein mag?
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Die sechsundzwanzigjährige Vanese lernte ihren Ex 2017 auf Bumble kennen. „Er war mein allererster Freund“, erinnert sie sich. „Die Beziehung war großartig.“
Doch mit der Zeit entstanden erste Risse. „Ich bin alle möglichen Kompromisse eingegangen“, sagt Vanese. „Irgendwann wurde mir aber klar, dass er mir nicht all das geben konnte, was ich in einer Beziehung brauche.“
Nachdem die beiden gemerkt hatten, dass sie sich „in unterschiedliche Richtungen entwickelten“, beendeten Vanese und ihr Partner ihre vierjährige Beziehung an einem Sonntagabend Anfang des Jahres. Sie war untröstlich.
Am Montagmorgen wachte Vanese in ihrer gemeinsamen Wohnung auf und schleppte sich ins Büro. „Mein Arbeitsplatz war der letzte Ort, an dem ich an diesem Tag sein wollte“, sagt sie. „Ich kam rein, sprach mit einer Kollegin und brach daraufhin zusammen.“ Vanese wurde an diesem Morgen von der wöchentlichen Besprechung des Unternehmens entschuldigt. Sie weinte den ganzen Tag über auf der Toilette und verließ die Arbeit am Abend, ohne ihr Arbeitspensum geschafft zu haben. „Ich konnte mich offensichtlich nicht richtig konzentrieren“, erklärt sie und fügt hinzu, dass sie sich aufgrund des angespannten Verhältnisses zu ihrem Vorgesetzten nicht in der Lage fühlte, ihm mitzuteilen, was sie zu diesem Zeitpunkt durchmachte.
Am nächsten Tag wurde sie von diesem einbestellt. „Ich weiß nicht genau, was ich erwartete. Ich hoffte, er würde etwas sagen nach dem Motto: ‚Lass mich wissen, ob ich dir irgendwie helfen kann.‘ Damit lag ich aber ganz schön falsch.“
„Kaum war ich im Zimmer, sagte er, dass die Arbeit, die ich am Tag davor geleistet hatte, nicht gut genug war und ich meinen Schreibtisch zu oft verlassen hätte. Er war wirklich gemein zu mir“, erinnert sie sich. „Ich sagte zu ihm: ‚Ich brauche tatsächlich ein bisschen länger als sonst, um alles zu erledigen, aber das liegt daran, dass ich mich nicht gut fühle. Wir gerieten in einen Streit und ich fing an, zu weinen. Ich fragte ihn: ‚Was erwartest du von mir? Willst du, dass ich an meinem Schreibtisch sitze und weine?‘“
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„Ich sagte: ‚Wenn ich könnte, würde ich am liebsten nach Hause gehen, aber du kannst dir nicht freinehmen, nur weil du Liebeskummer hast.‘“
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Bei akutem Liebeskummer kann es sein, dass Mitarbeiter:innen bei der kleinsten Sache in Tränen ausbrechen oder Kolleg:innen oder Kund:innen anschnauzen. Unsere Fähigkeit, mit Stress und Konflikten umzugehen, ist dann für gewöhnlich geringer.
Olivia James, Traumatherapeutin
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Die Reaktion von Vaneses Vorgesetzten ist nichts Ungewöhnliches: Weltweit gesehen bieten die meisten Firmen keinen bezahlten Urlaub bei Liebeskummer. Aber warum eigentlich nicht? In Deutschland, Japan und Australien haben Arbeitnehmer:innen sehr wohl Anspruch auf „Liebeskummerurlaub“.
Denn Liebeskummer ist alles andere als belanglos: Studien haben gezeigt, dass unser Gehirn Herzschmerz auf die gleiche Weise registriert wie körperlichen Schmerz. In extremen Fällen kann der emotionale Stress einer Trennung zu einem „Broken-Heart-Syndrom“ führen, das die Fähigkeit des Herzens, Blut durch den Körper zu pumpen, beeinträchtigt. In ihrer „Dear Dolly“-Kolumne für die Times berichtete Dolly Alderton einmal von einer sterbenden Frau, die behauptete, dass ihre Erfahrung mit einer unheilbaren Krankheit nicht so schlimm gewesen sei wie Liebeskummer. „Eine Trennung kann sich wie ein Todesfall anfühlen“, fügt Vanese hinzu.
Unsere Gesellschaft ist dem Thema Liebeskummer gegenüber auf seltsame Weise paradox eingestellt. In Büchern, Filmen, Fernsehsendungen und Liedern wird Liebe als das A und O der menschlichen Existenz dargestellt. Sie verbirgt sich in den Kleinigkeiten unseres täglichen Lebens: Lebensmittelpackungen sind für zwei Personen gedacht; Einzimmerwohnungen werden oft für zwei Personen gebaut. Das geht weiter zurück als die gesellschaftlichen Erwartungen des 21. Jahrhunderts: Wir sind soziale Wesen und es liegt in der menschlichen Natur, zu lieben und geliebt werden zu wollen. Nichtsdestotrotz werden Trennungen – eine unvermeidliche Folge der Suche nach Liebe und eine universelle Erfahrung –- als peinlich und unwichtig angesehen.
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Das kann dann zu einem Problem werden, wenn du mit einem gebrochenen Herzen zur Arbeit gehst. Vanese erklärt, dass sie das Gefühl hatte, ihr Vorgesetzter würde ihre Probleme banalisieren. „Er nahm meine psychischen Probleme nie ernst. Ich fühlte keinerlei Unterstützung von ihm.“
Nishan, 23, ist eine andere junge Frau, die die Erfahrung gemacht hat, mit gebrochenem Herzen arbeiten zu gehen. Sie trennte sich am Wochenende ihres zweiten Jahrestages von ihrem Freund und kehrte am Montag zur Arbeit zurück. „Ich hatte nicht geschlafen, weil ich mich in der Nacht zuvor übergeben hatte“, sagt sie. „Jede:r im Büro bemerkte, dass es mir nicht gut ging, und fragte mich, ob das an meinen Beziehungsproblemen läge. Ich ignorierte das alles einfach.“
Im Laufe des Tages ging es Nishan immer schlechter. „Um zwei Uhr ging ich nach oben zu meiner Vorgesetzten und fragte, ob ich nach Hause gehen könne, weil mir am Wochenende etwas wirklich Traumatisches passiert war und ich mich nicht konzentrieren konnte.“ Zum Glück hatte Nishans Managerin Verständnis. „Sie war sehr verständnisvoll und ließ mich nach Hause gehen und erlaubte mir, am Dienstag von zu Hause aus zu arbeiten.“
Obwohl Nishan ihrer Managerin gegenüber offen über ihre Gefühle sprechen konnte, war es ihr schwergefallen, dieses Thema anzuschneiden. „Es war mir einfach ein bisschen peinlich. Das ist seltsam, weil es sich dabei immerhin um zwei Jahre meines Lebens handelte“, sagt sie.
Natalie Ellis, HR-Expertin bei Rebox HR, räumt ein, dass es schwierig sein kann, am Arbeitsplatz über Liebeskummer zu sprechen. „Über Trennungen zu sprechen, ist mit einem Stigma behaftet“, sagt sie. „Wenn du aber Probleme hast, solltest du dich an deine Vorgesetzten oder an jemanden wenden, der dich unterstützen kann. Manchmal kann es wirklich helfen, dir Dinge, die dich beschäftigen, von der Seele zu reden.“
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Es kann zwar schwierig sein, deinen Vorgesetzten zu gestehen, dass du gerade mit Liebeskummer zu kämpfen hast. Es gibt aber Beweise dafür, dass eine Trennung sichtbare Auswirkungen auf unsere Arbeit haben kann, weshalb es wichtig ist, deinen Chef oder deine Chefin darüber zu informieren.
Olivia James, eine in London ansässige Traumatherapeutin, erklärt: „Bei akutem Liebeskummer kann es sein, dass Mitarbeiter:innen reaktiver und zerstreuter sind und weniger gut mit Konfrontationen umgehen können. Sie können bei der kleinsten Sache in Tränen ausbrechen oder Kolleg:innen oder Kund:innen anschnauzen. Unsere Fähigkeit, mit Stress und Konflikten umzugehen, ist dann für gewöhnlich geringer. Das kann wiederum zu mehr Schuldgefühlen und Scham führen, was das Leiden nur noch verstärkt.“
„Ich bin für einen bezahlten Urlaub aus Mitgefühl für diejenigen, die ihn brauchen“, fährt sie fort. „Einfühlsame Führungskräfte erkennen, dass Mitarbeiter:innen Menschen sind, die auch ein Leben außerhalb der Arbeit haben. Unternehmen mit einer gesunden Unternehmenskultur stellen die richtigen Leute ein und kümmern sich gut um sie.“
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Vorbei sind die Zeiten, in denen wir unsere persönlichen Probleme beim Büroeingang zurücklassen mussten. Wenn etwas Auswirkungen auf deine Arbeit hat, solltest du es ansprechen.
Natalie Ellis, HR ExpertIN
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James und Ellis fügen hinzu, dass manche Menschen mit ihrem Liebeskummer fertig werden, indem sie sich in ihre Arbeit stürzen, was bei der 31-jährigen Faith* der Fall war.
Faith, die in der Kreativbranche tätig ist, trennte sich kürzlich von ihrer Partnerin, mit der sie zweieinhalb Jahre zusammen gewesen war. „Ich war überzeugt davon, dass sie die Liebe meines Lebens war. Wir wollten eine Familie miteinander gründen und heiraten“, erklärt sie. „Aber sie missbrauchte mein Vertrauen und brach mein Herz.“
Seit der Trennung geht Faith weiterhin ins Büro. „Für mich ist es eine wirklich angenehme Ablenkung von meinem Privatleben“, erklärt sie. „Ich erzählte meinen Vorgesetzten davon und sie waren sehr unterstützend. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen.“ Auch Nishan war froh darüber, zu arbeiten, weil sie so nicht ihren negativen Gedanken „nachhing“.
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Faith fügt aber hinzu, dass sie sich abends ausgelaugter fühlt und ihr ein paar freie Tage gut getan hätten, um sich auszuruhen und die Trennung zu verarbeiten. „Es ist, als würde ich mich mit der Arbeit ablenken, aber am Ende des Tages bin ich dann wirklich erschöpft und emotional.“ Auch Nishan gibt zu, dass schon ein Tag Urlaub einen großen Unterschied gemacht hätte. „Ich habe an diesem Montag nichts geschafft und die meiste Zeit damit verbracht, nicht am Schreibtisch zu weinen.“
Natürlich reagiert jeder Mensch anders auf Trennungen, und manche wollen gar keine Auszeit, um sich ihrem Trennungsschmerz zu widmen. Es ist jedoch wichtig, dass Arbeitgeber:innen ihren Mitarbeiter:innen Verständnis entgegenbringen und versuchen, so flexibel wie möglich zu sein, wenn es darum geht, Liebeskummer zu verarbeiten. Während einigen vielleicht nur ein freier Tag ausreicht, um ihre Gedanken zu ordnen, kann Liebeskummer bei anderen zu Depressionen führen, weshalb manchmal eine längere Pause nötig ist. Wichtig ist, dass Arbeitnehmer:innen das Gefühl haben, dass sie ihrem Leben in emotional schwierigen Zeiten eine höhere Priorität beimessen können als ihrer Arbeit.
Ellis bekräftigt, dass es am besten ist, einen Dialog mit deinen Vorgesetzten zu beginnen, um deine eigene Lage zu erklären. „Vorbei sind die Zeiten, in denen wir unsere persönlichen Probleme beim Büroeingang zurücklassen mussten. Wenn etwas Auswirkungen auf deine Arbeit hat, solltest du es ansprechen“, sagt sie.
Wie die Geschichte von Vanese jedoch zeigt, läuft es nicht immer reibungslos, wenn Arbeitnehmer:innen mit ihren Manager:innen offen über persönliche Herausforderungen reden. Vanese kündigte in der Zwischenzeit und erhielt daraufhin über Instagram eine Entschuldigung von ihrem ehemaligen Vorgesetzten. „Er schrieb: ‚Es tut mir wirklich leid, dass ich deine Sorgen nie ernst genommen habe, ich habe den psychischen Aspekt der Dinge nicht verstanden‘“, erzählt sie. „Für mich kommt diese Einsicht leider etwas zu spät.“
Letzten Endes liegt die Verantwortung nicht nur bei Arbeitnehmer:innen, ihre Meinung zu äußern, sondern auch bei Arbeitgeber:innen, zuzuhören.
*Name wurde von der Redaktion geändert.