Die 24-jährige Studentin Hannah ließ sich vor Jahren eine Kupferspirale einsetzen (auch bekannt als Intrauterinpessar), weil sie Probleme mit der Antibabypille hatte. Dieser Eingriff veränderte ihr Leben – aber nicht so, wie sie es sich erhofft hatte. Heute leidet sie dadurch an schmerzhaftem Vaginismus, und damit ist sie nicht allein.
Einer bisher unbekannten Anzahl an Menschen erging es wie Hannah. Sie alle hatten sich eine Spirale einsetzen lassen und litten nach dem schmerzhaften Eingriff an Vaginismus, einer psychosexuellen Krankheit, die schätzungsweise 15 bis 30 Prozent aller Menschen mit Gebärmutter betrifft, doch nur selten diagnostiziert wird. Wer an Vaginismus leidet, erlebt die vaginale Penetration oft als sehr schmerzhaft, unangenehm und in manchen Fällen sogar als unmöglich.
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Vaginismus entsteht durch die automatische Körperreaktion auf die Angst vor der Penetration. Etwas in deinem Gehirn löst dabei die Verkrampfung der Vaginalmuskeln aus – manchmal so stark, dass die Öffnung nicht mal mehr zu erkennen ist. Vom Vaginismus gibt es zwei verschiedene Typen: den primären (der schon vor dem ersten Sex besteht) und den sekundären (der erst später im Leben ausgelöst wird, beispielsweise durch einen schmerzhaften medizinischen Eingriff, eine Infektion oder sexuellen Missbrauch.
Hannah hat sekundären Vaginismus. Als sie einen ärztlichen Beratungstermin für die Spirale vereinbarte – ein T-förmiges Verhütungsmittel, das zur Verhinderung einer Schwangerschaft in die Gebärmutter gesetzt wird –, hatte sie noch nicht damit gerechnet, dass ihr die Spirale direkt an diesem Tag eingesetzt werden würde. „Ich war ein bisschen erschrocken“, erzählt sie Refinery29. „Aber ich hatte mich schon [für die Spirale] entschieden, also dachte ich mir: Warum nicht?“
Weil sie die Pille nicht gut vertragen hatte, entschied sich Hannah für die Kupferspirale, weil sie mit der nicht jeden Tag an eine Einnahme würde denken müssen und ihr die Nebenwirkungen der hormonellen Verhütung dadurch erspart bleiben würden. „Die Pille stürzte meine Gefühle ins Chaos“, erzählt Hannah.
Die (hormonfreie) Kupferspirale ist ein sehr effektives Verhütungsmittel; bei fehlerfreier Anwendung liegt die Versagerrate bei nur 0,4 bis 1,5 Prozent. Außerdem bleibt die Spirale zwischen fünf bis zehn Jahre in der Gebärmutter. Für Hannah war die Sache also relativ klar: Das hörte sich alles super an.
„So einen Eingriff hatte ich vorher noch nie erlebt“, erzählt sie weiter. „Eine Praxishelferin hielt meine Hand, und dann spürte ich, wie die Spirale reinging. Es war unangenehm und merkwürdig, aber anfangs nicht unbedingt schmerzhaft.“
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Obwohl es ihr direkt danach noch gut ging, fühlte sich Hannah schon nach wenigen Minuten der Ohnmacht nahe. Sie musste sich übergeben, als sie ins Wartezimmer kam. Also wurde sie in einen Rollstuhl gesetzt und zu einem Bett gebracht, wo sie sich hinlegte. Dann teilte man ihr mit, ihr „Gebärmutterhals stünde unter Schock“. Das kann passieren, weil bei dem Eingriff die Nerven des Gebärmutterhalses stimuliert werden. Als sich Hannah erholt hatte, holte ihr Vater sie ab und brachte sie nach Hause.
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Jedes Mal, wenn wir [Sex hatten], hatte ich danach unfassbare Schmerzen. Ich musste mich danach hinlegen, weil mir schwindelig wurde, wann immer ich aufstand. Solche Schmerzen hatte ich vorher noch nie gehabt.
Hannah, 24
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Doch die Schmerzen hörten nicht auf. „Die nächsten Tage waren die totale Qual“, sagt sie. „Vor der Spirale hatte ich nie wirkliche Unterleibskrämpfe gehabt, aber plötzlich waren die so schlimm, dass ich mich auf den Boden legen musste. Mir war so schlecht und schwindelig, dass ich nichts tun konnte, als abzuwarten, bis sie vorbei waren – ich konnte nicht mal arbeiten“, berichtet sie. „Nichts half so richtig gegen die Schmerzen. Ich nahm Tabletten und drückte mir eine Wärmflasche gegen den Bauch, aber ganz verschwanden die Schmerzen nie.“
Hannah war damals in einer frischen Beziehung, und nachdem sie die empfohlene Wartezeit nach dem Einsetzen der Spirale eingehalten hatte (etwa drei Tage), versuchte sie, Sex mit ihrem Freund zu haben. „Jedes Mal, wenn wir [Sex hatten], hatte ich danach unfassbare Schmerzen“, erinnert sie sich. „Ich musste mich danach hinlegen, weil mir schwindelig wurde, wann immer ich aufstand. Solche Schmerzen hatte ich vorher noch nie gehabt. Mehrere Wochen später hatte sich immer noch nicht viel geändert. Meine Ärzt:innen meinten aber, es könne bis zu zwölf Wochen dauern, also wartete ich weiter.“
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Zwölf Wochen vergingen, doch nichts änderte sich.
„Nach dem Einsetzen der Kupferspirale war Sex einfach nicht mehr wie früher. Er machte mir keinen Spaß mehr“, sagt Hannah. „Ich glaube, psychologisch verknüpfte ich Sex dadurch mit Schmerz, nicht mit Lust. Das drückte mir massiv auf die Libido, und jedes Mal, wenn ich mit meinem Freund schlief, konnte sich meine Vagina einfach nicht entspannen. Sie war immer ganz wund und angespannt. Wir konnten auch nur bestimmte Positionen ausprobieren. Bei manchen Stellungen tat es weh, wenn er zu tief in mich eindrang. Dann spürte ich, wie die Spirale gegen etwas anderes in mir prallte.“
Schließlich hatte Hannah genug: Sie vereinbarte einen weiteren Arzttermin und ließ einen Ultraschall und ein paar Bluttests machen. Sie äußerte die Bedenken, an sekundärem Vaginismus zu leiden. „Sie wollten auf die Testergebnisse warten, bevor sie sich das genauer ansahen“, sagt sie. „Danach schienen sie aber das Interesse zu verlieren. Jemand meinte, das sei ganz verbreitet in meiner Altersklasse – dass sich ‚das schon legen würde‘ – und empfahl mir sogar, vor dem Sex Alkohol zu trinken, damit ich mich besser entspannen könnte.“ Und diese Empfehlung bekam nicht nur Hannah zu hören; auch anderen Vaginismus-Betroffenen wurde zum Alkohol geraten.
Dr. Laura Jarvis, Spezialistin für sexuelle Gesundheit und Fortpflanzungsmedizin, meint: „Die Ursachen vom Vaginismus sind nicht immer klar. Es ist aber möglich, dass eine unangenehme Erfahrung eine Angst vor Penetration auslösen kann, die wiederum dafür sorgt, dass der Körper eine automatische Reaktion entwickelt.“
„Wie [Menschen mit Uterus] das Einsetzen einer Kupferspirale empfinden, variiert stark“, ergänzt sie. „Wohingegen viele den Schmerz erträglich finden, können die Schmerzen in manchen Fällen sehr stark ausfallen. Dadurch kann eine negative Assoziation [mit der Penetration] entstehen. Es ist schwer vorherzusagen, wie ein individueller Körper auf den Schmerz reagiert.“
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Vaginismus kann enorme Konsequenzen für das Selbstwertgefühl, die geistige Gesundheit und allgemeine Lebensqualität der Betroffenen haben. „Ich fühlte mich so lange einfach unnormal“, sagt Hannah. „All meine Freund:innen erzählten immer, wie toll ihre Sexleben doch waren. Dadurch fühlte ich mich wie eine Versagerin.“
„Ich genieße mein Leben nicht mehr so wie früher“, ergänzt sie. „Die Erfahrung hat sich ziemlich stark auf meine Beziehung ausgewirkt […] und für Spannungen zwischen mir und meinem Freund gesorgt. Ich kann einfach nicht fassen, dass dieser Eingriff an mir einfach so schnell durchgeführt wurde, ohne mich vor den Schmerzen zu warnen oder mir die Zeit zu geben, mich darauf einzustellen – und dass ich nicht mal Schmerzmittel bekam.“
Hannah ist eine von vielen Betroffenen, die dieselben Klagen erheben. Letztes Jahr sammelte eine Petition für die Verabreichung von Schmerzmitteln bei Spiraleneinsetzungen und -entfernungen mehr als 33.000 Stimmen. Bei Lucy Cohen, die die Petition ins Leben rief, meldeten sich daraufhin rund 1.500 Frauen, die Ähnliches erlebt hatten. 43 Prozent von ihnen schätzten den Schmerz auf einer Skala von 1 bis 10 als etwa eine 7. Einige beschrieben ihn als „qualvoll“ und „fast unerträglich“.
Lucys Petition stieß eine laute Debatte los. Die BBC-Moderatorin Naga Munchetty erzählte daraufhin von ihrer eigenen schmerzhaften Erfahrung mit der Spirale, bei deren Einsetzen sie „zweimal ohnmächtig geworden“ sei. Obwohl sie laut eigener Aussage eine hohe Schmerzgrenze habe, sei das Einsetzen der Kupferspirale „eine der traumatischsten körperlichen Erfahrungen“ ihres Lebens gewesen.
Diese Schmerzen sind keine Seltenheit, sondern unter Menschen mit Gebärmutter, die – wie Munchetty – noch keine Kinder geboren haben, sogar ziemlich verbreitet. Laut einer Studie erlebten 70 Prozent der Teilnehmer:innen beim Einsetzen der Spirale milde bis mittelstarke, 17 Prozent sogar starke Schmerzen. Und besonders schlimm kann es für Menschen werden, die schon vorher gesundheitliche Probleme hatten.
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Die 23-jährige Grundschullehrerin Liberty leidet an Endometriose. Die Diagnose bekam sie schon mit 17; Sex war schon vor dem Einsetzen der Spirale schmerzhaft für sie. Um ihre Endometriose-Symptome zu lindern, bekam sie eine Hormonspirale eingesetzt – allerdings unter Betäubung. Der Eingriff verlief gut. Im August 2021 hatte Liberty aber einen Kontrolltermin, wo ihr gesagt wurde, dass ihre Spirale aufgrund von Endometriose-Komplikationen ausgetauscht werden müsse. Diesmal bekam sie jedoch keine Betäubung.
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Mein Körper verschloss sich einfach komplett. Ich glaube, das war eine psychologische Konsequenz davon, dass ich überhaupt nicht geahnt hatte, was bei diesem Kontrolltermin passieren würde. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich darauf einstellen können.
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„Ich war für das zweite Einsetzen überhaupt nicht bereit“, erzählt sie. „Ich hatte sogar verschiedene Socken an. Es war generell eine total unangenehme Erfahrung. Der Eingriff war schmerzhaft, weil ich keine Zeit bekommen hatte, vorher Schmerztabletten zu nehmen.“
Anderthalb Jahre lang konnte Liberty daraufhin keinen Sex haben. „Mein Körper verschloss sich einfach komplett“, sagt sie. „Ich glaube, das war eine psychologische Konsequenz davon, dass ich überhaupt nicht geahnt hatte, was bei diesem Kontrolltermin passieren würde. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich darauf einstellen können. Ich bin ein ziemlich nervöser Mensch. Der Schock war wohl zu viel für mich.“
„Das Leben mit Vaginismus ist schmerzhaft, sowohl körperlich als auch emotional“, erzählt sie weiter. „Ich war sauer, dass meine Ärzt:innen mich in diese Situation gebracht hatten, war aber gleichzeitig auch frustriert von mir selbst, weil ich das Gefühl hatte, mein Körper hatte mich einfach im Stich gelassen. Mein Selbstbewusstsein litt enorm darunter – das alleine bedeutet schon viel Arbeit für mich.“ Laut Dr. Jarvis ist das Entfernen der Spirale leider auch nicht die Lösung für all diese Probleme.
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Aber wie können Ärzt:innen das Risiko solcher Beschwerden beim Einsetzen der Spirale minimieren? Dazu empfiehlt Dr. Jarvis: „Es ist wichtig, den Eingriff vorher genau zu erklären und auch währenddessen immer wieder zu fragen, ob alles okay ist. Wenn der:die Patient:in Schmerzen hat, sollte der Eingriff abgebrochen werden – oder zumindest Schmerzmittel angeboten werden. Niemand sollte je das Gefühl haben, etwas ‚durchziehen‘ zu müssen oder von Ärzt:innen nicht ernst genommen zu werden. Entscheidend ist auch, dass alle Ärzt:innen verstehen, dass jeder Mensch anders ist und immer die Option haben sollte, Schmerz- oder Betäubungsmittel zu bekommen – selbst wenn das bedeutet, dass der Eingriff verzögert oder anderswo durchgeführt werden muss“, ergänzt sie.
Und was können von Vaginismus Betroffene unternehmen? „Melde dich bei deinem Arzt oder deiner Ärztin und lasse dich an Spezialist:innen überweisen“, empfiehlt Dr. Jarvis. Zur Behandlung von Vaginismus gehören beispielsweise „Entspannungstechniken und Vaginalmuskelübungen, die das Entfernen [einer Spirale] weniger unangenehm machen können“. Dieser Eingriff findet dann meist in Anwesenheit spezieller Therapeut:innen statt, die sich mit den Gefühlen der Betroffenen rund um die Penetration auseinandersetzen. Diese Spezialist:innen sind sogenannte „Psychosexualtherapeut:innen“ und darin geschult, in der Herangehensweise an Beschwerden wie Vaginismus den Körper und den Geist zu berücksichtigen.
Wie Lucys Petition und Nagas Geschichte beweisen, sind Hannahs und Libertys Erfahrungen längst keine Einzelfälle. Vielleicht ist das Bewusstsein rund um die möglichen Konsequenzen eines schmerzhaften Spiralen-Eingriffs inzwischen stärker – doch bleibt eine Frage weiterhin offen: Wieso bekommen so viele Patient:innen immer noch keine routinemäßigen Schmerz- oder Betäubungsmittel vor dem Eingriff? Wieso werden die möglichen Schmerzen so oft verharmlost? Und wird sich das in den nächsten Jahren ändern? Wir werden es herausfinden.