Hättest du mir im Februar vor zwei Jahren gesagt, dass wir die nächsten zwei Valentinstage während einer verheerenden Pandemie feiern würden, hätte ich dir nicht nur nicht geglaubt, sondern hätte mir auch Sorgen um dich gemacht, weil sich das so weit hergeholt angehört hätte. Leider ist es aber tatsächlich so weit gekommen. Nach fast 2 x 365 Tagen voller Stress und Angst, unermesslichen Verlusten und einer neuen Realität scheint der Tag der Liebe ein irrelevanter Nebengedanke in einer Zeit zu sein, in der wir uns darauf konzentrieren, aus unseren alten Traditionen etwas Neues und Nachhaltiges zu machen. Und in gewisser Weise ist er das auch. Während wir als Gesellschaft mehr und mehr umdenken und diese Fortschritte auf allen Ebenen begrüßen, fühlen sich kommerzialisierte Feiertage – vor allem solche, die sich um die Liebe drehen – veraltet und zu sehr im Kapitalismus verwurzelt an, als dass wir sie wirklich genießen könnten.
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Und trotzdem liebe ich Valentinstage. Sie hatten einfach immer schon einen besonderen Platz in meinem Herzen – ganz gleich, was das Internet über diesen für gewöhnlich kältesten Wintertag zu sagen hat. Und obwohl dieser Tag dem Heiligen Valentin, dem Schutzpatron der Liebe, gewidmet ist, feierte ich einige meiner besten Valentinstage mit Freund:innen. Als ich jünger war, verbrachte ich viel zu viel Zeit damit, Valentinskarten für meine Klassenkamerad:innen auszusuchen (immer mit einem aufgeklebten Schokoladenherz) und mir genau zu überlegen, welche Karten ich meinen besten Freund:innen und welche meinem damaligen Crush schenken würde. Die Jahre darauf kam ich oft von der Schule nach Hause, wo auf unserer Kücheninsel Pralinen, eine Karte und eine Rose von meinem Vater auf mich warteten. Als ich studierte, erhielt ich dasselbe Geschenk – nur per Post. Mit einer Flasche Rosé, die ich mir mit meinen Mitbewohnern teilte, erfreute ich mich an dieser Aufmerksamkeit. Mit diesen platonischen Valentinstagen stellten meine Freund:innen und ich unsere Zuneigung zueinander und unsere Selbstliebe über unsere damaligen Uni-Romanzen.
Was romantische Valentinstage betrifft, so habe ich ebenfalls einige schöne Erinnerungen: Mein erster Freund schenkte mir zu diesem Anlass eine dieser herzförmigen Halsketten. Ein anderer Crush aus Schulzeiten lud mich am 14. zu unserem allerersten Date in ein italienisches Restaurant ein. Und auch wenn meine Liebessprachen Zweisamkeit und Zärtlichkeit sind, hat es etwas Besonderes, sich am Valentinstag gegenseitig zu beschenken – eine einmalige Gelegenheit, Liebe durch sorgfältig geplante Reisen, romantische Abendessen, süße Geschenke oder durch vollkommen klischeehafte rote Dessous auszudrücken. Selbst die banalsten Dinge haben an diesem Tag eine besondere Bedeutung.
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Natürlich dreht sich am Valentinstag viel zu viel um Konsum. Im Wesentlichen dient er Unternehmen dazu, von unserem Wunsch danach, unsere Liebe auszudrücken und uns geliebt zu fühlen, zu profitieren (was den Nebeneffekt hat, dass wir jedes Jahr nach dem Februar eine Weile kein Rosa oder Rot mehr sehen können). Nichtsdestotrotz sind Geschenke und etwas Geld zu verprassen, genau das, was wir brauchen, um uns so zu fühlen, als hätten wir ein wenig mehr Kontrolle über unser eigenes Leben. Da wir derzeit alle in einem Ausnahmezustand leben, ist unser Bedürfnis, Liebe zu zeigen und zu empfangen, nur noch stärker geworden.
Der Gesundheitsreport 2021 der TK zeigt, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf unsere psychische Gesundheit gehabt hat – von erhöhtem Stress über Burnouts im Homeoffice bis zu Schlafproblemen. Seit dem Ausbruch der Pandemie wissen wir nun auch, was es bedeutet „Hauthunger“, also Sehnsucht nach körperlicher Berührung, zu haben. Wir mussten die vergangenen zwei Jahre Sicherheitsabstände zu unseren Lieben einhalten, konnten uns nicht in dem Gefühl sonnen, dass uns Verbundenheit gibt, und mussten Hochzeiten, Schulabschlüsse und andere Meilensteine digital feiern. Wir fühlen uns in einer unendlichen Gegenwart gefangen und können uns auf nichts richtig freuen, bis die Pandemie vorbei ist. Ein baldiges Ende scheint aber nicht in Sicht.
Wir Menschen haben ein evolutionsbedingtes Bedürfnis nach Verbundenheit. Deshalb ist der Valentinstag in all seiner kitschigen Pracht genau das, was wir im Moment brauchen – eine Ausrede, um Liebe in all ihren Formen zu feiern. Geh als mit deinem Partner oder deiner Partnerin in euer Lieblingsrestaurant oder lasst euch von dort etwas nach Hause schicken. Bestell dir eine Pizza in Herzform, dreh deine Lieblingsmusik auf und sing lauthals mit. Teil dir eine Flasche Wein mit deinen besten Freund:innen bei einem gemeinsamen Filmabend. Poste eine Collage sentimentaler Fotos als Story auf Instagram, um dich selbst, dein Freund:innen, deine Familie und alle, die dir am Herzen liegen, zu feiern. Kauf dir Blumen.
Nach den letzten zwei Jahren brauchen wir mehr freudige Momente, auch wenn sie noch so kitschig erscheinen mögen. Lass diesen Valentinstag eine Erinnerung daran sein, dass wir es verdienen, zu lieben und geliebt zu werden. Mir persönlich ist viel Trara dabei auch gar nicht wichtig. Das, was für mich zählt, ist, dass wir uns an diesem Tag wohl- und miteinander verbunden fühlen können. Das ist etwas, das wir alle gerade brauchen – Kitsch hin oder her. Herzförmiger Schmuck allerdings kann aber gerne bleiben, wo er hingehört, nämlich ins Jahr 2015.
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