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Ist es schlimm, dass ich mit keinem:keiner Ex befreundet bin?

Foto: Jordan Tiberio. Design: Dionne Pajarillaga.
Die meisten von uns haben schon mal eine Trennung durchgemacht – dabei gleicht aber keine der anderen. Manche sind das Ergebnis einer ruhigen, einvernehmlichen Diskussion. Andere ergeben sich aus der Hitze des Gefechts und sorgen danach für jede Menge Herzschmerz und/oder Verwirrung. 
Wenn du selbst bisher eher Schwierigkeiten damit hattest, mit einem:einer Ex auch nach einer Trennung befreundet zu bleiben, hast du dich vielleicht schon mal gefragt, ob du vielleicht irgendwas falsch machst. Schließlich will uns unsere Kultur glaubhaft machen, eine „nette“ Trennung sei das Ziel. Denk nur mal an Gwyneth Paltrows und Chris Martins „conscious uncoupling“ (z. Dt.: „bewusstes Loslösen“) oder den wahnsinnig liebevollen Instagram-Trennungs-Post von Chrishell aus Selling Sunset und ihrem Jason, in dem Jason schrieb: „Wir bleiben beste Freund:innen und werden einander immer lieben und unterstützen.“ Promis geben oft gründlich durchdachte, gemeinsame Statements zu ihrer Trennung ab und zeigen dabei scheinbar bewundernswerte Reife.
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Die meisten Leute sind aber keine Promis. Wir haben keine PR-Teams und teure Therapeut:innen, die es nach außen hin so klingen lassen, als sei eine Trennung einvernehmlich abgelaufen, obwohl hinter verschlossenen Türen womöglich die Fetzen flogen. Außerdem sind wir nicht reich. Es ist definitiv leichter, eine Trennung auf die leichte Schulter zu nehmen, wenn du dir dabei nicht darüber den Kopf zerbrechen musst, wie du dir einen neuen Fernseher leisten sollst, nachdem dein:e Ex mit dem alten ausgezogen ist. Können wir wirklich mit unseren ehemaligen Partner:innen befreundet bleiben – und sollten wir es überhaupt versuchen?
Die Mehrheit scheint beides mit „Ja“ beantworten zu können. Rund 60 Prozent aller Leute bleiben einer 2014er-Studie der Singapore Management University zufolge mit ehemaligen romantischen Partner:innen befreundet. Das galt insbesondere dann, wenn sie schon vor der Beziehung eine Freundschaft teilten und die Trennung beidseitig war. 
Letzteres ist aber eben nicht immer der Fall. Die 23-jährige Francesca kennt sich mit schwierigen Trennungen aus. Sie hatte schon zwei ernste Beziehungen, die beide kein gutes Ende nahmen. Eine „perfekte“ Trennung gibt es nicht, klar – aber Francesca wünscht sich dennoch, dass sie und ihre Partner:innen auf nettere Art hätten Schluss machen können. Stattdessen wurden die Gefühle beider Beteiligten so stark verletzt, dass es ihr wie die einzige Option vorkam, die jeweilige Person komplett aus ihrem Leben zu streichen.
„All diese Trennungen waren so emotional und schmerzhaft, dass es einfach besser war, so zu tun, dieser Mensch existiere nicht mehr“, erklärt sie. Sie blockierte diese Leute daraufhin auf allen Social-Media-Kanälen und nahm sich vor, nicht mehr zurückzuschauen.
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Mit dieser Einstellung ist Francesca nicht allein. Obwohl zehn Jahre Altersunterschied zwischen ihnen liegen, hat Jasmine, 33, viel mit Francesca gemeinsam. Auch sie hat schon schmerzhafte Trennungen hinter sich. „Viele meiner dramatischen Trennungen waren traumatisch für mich und haben mich davon überzeugt, dass Liebe kompliziert ist“, erklärt sie. „Ich glaubte irgendwann, ich sei einfach nicht liebenswert.“

Manchmal ist es einfach nicht möglich, eine Beziehung im Guten zu beenden, und das ist okay.

Dr. Elena Touroni
Jasmine erzählt, dass sie meist diejenige war, mit der Schluss gemacht wurde – größtenteils, weil sie selbst nicht mit der Angst und Unruhe umgehen konnte, die das Schlussmachen meist mit sich bringen. Nach der Trennung tat sie dann so, als sei nichts passiert, „obwohl dieses Verhalten für mich alles nur noch schmerzhafter machte“.
„Ich tat alles, um meine:n Ex davon zu überzeugen, dass ich ohne ihn:sie nicht leben konnte, in der Hoffnung, er:sie würde mich vermissen und mich zurückwollen“, erzählt sie. „Das hieß oft, dass ich auch nach der Trennung noch Sex mit ihnen hatte. Später fand ich dann raus, dass er:sie inzwischen jemand anderen datete. Es folgte ein riesiger Streit, und danach sprachen wir nie wieder miteinander.“
Niemand sollte auf die eigene Beziehungsvergangenheit reduziert werden – inklusive der Art der Trennungen –, aber eine Reihe schlimmer Trennungen könnte tatsächlich auf zugrundeliegende Beziehungsmuster einer Person hindeuten, meint die Psychologin Dr. Elena Touroni.  
„Wir neigen dazu, die Dynamiken unserer frühesten Bindungen nachzuahmen. Wenn jemand in einem unsicheren, chaotischen Umfeld aufgewachsen ist, hat er:sie später eher die Tendenz dazu, sich unterbewusst ähnliche Beziehungen zu suchen“, erklärt Dr. Touroni. „Es kann extrem schwierig sein, solche Beziehungen zu beenden. Wenn also ein Muster aus besonders dramatischen, ‚schlimmen‘ Trennungen erkennbar ist, sollte das womöglich in einer Therapie genauer beleuchtet werden.“
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Wenn sie heute rückblickend an ihre Beziehungen denkt, räumt Jasmine tatsächlich ein, dass sie ihre Trennungen besser hätte handhaben können. Sie weiß heute, dass ihre erste Beziehung und Trennung die darauffolgenden beeinflussten; ihr Verhalten damals entsprang diversen Traumata aus ihrer Kindheit, über die sie keine Kontrolle gehabt hatte.
„Als Kind entwickelte ich Verlustängste, ein schwaches Selbstwertgefühl und Co-Abhängigkeit“, erklärt sie. „Das zeigte sich dann auch in meinen Beziehungen zu Männern. Ich dachte zu Anfang, Beziehungen müssten intensiv sein – inklusive täglicher Streits, jeder Menge Eifersucht und leidenschaftlichem Versöhnungssex. Ich dachte, so sähe Liebe eben aus.“
Es kann helfen, zu verstehen, warum deine Trennungen besonders explosiv oder sogar gewalttätig ausfallen. Es könnte sein, dass dabei negative Muster wiederholt werden. Diese Erkenntnis kann dafür sorgen, dass du in Zukunft dazu imstande bist, dich auf friedlichere Weise von deinen Partner:innen zu trennen. Dabei solltest du aber nicht zu idealistisch sein: Nicht alle Beziehungen müssen und können „gut“ enden.
Dr. Laura Vowels arbeitet als Sextherapeutin für die Therapie-App Blueheart. Sie erklärt: „Solange beide Partner:innen [bei der Trennung] den Schlussstrich bekommen, den sie brauchen, ist die Art der Trennung nicht so wichtig. Hauptsache, du kannst damit abschließen.“
Kurz gesagt: Ob eine Trennung „gut“ oder „schlecht“ abläuft, ist langfristig vielleicht gar nicht so wichtig. „Ein Schlussstrich sieht für jede Person anders aus. Vielleicht musst du dafür tief in dich selbst hineinschauen und die metaphorische Tür zu eurer Beziehung verschließen; vielleicht ist dir auch ganz egal, welche Gründe dein:e Partner:in für die Trennung hat. Jede:r braucht von einer Trennung etwas anderes“, meint Dr. Vowels. 
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Und selbst, wenn du mit den besten Absichten in eine Trennung hineingehst, lassen die sich nicht zwangsläufig aufrechterhalten. „Weil eine ‚gute Trennung‘ erfordert, dass beide Partner:innen einvernehmlich Schluss machen, kann es trotzdem zu einer ‚schlechten Trennung‘ kommen, wenn nur ein:e Partner:in dabei ganz gelassen und freundlich bleiben will“, sagt Dr. Vowels.
Trotz des Drucks, deine Trennung „erwachsen“ oder „reif“ zu gestalten, solltest du also immer daran denken, dass das Ende deiner Beziehung und das, was danach passiert, nicht immer in deiner Hand liegen – und nichts über dich als Person aussagen. Wenn wir verletzt sind, sagen und tun wir alle Dinge, die wir später vielleicht bereuen. Das ist nur menschlich.
„Manchmal ist es einfach nicht möglich, eine Beziehung im Guten zu beenden, und das ist okay“, meint auch Dr. Touroni. „Anstatt dich darauf zu konzentrieren, was ‚falsch gelaufen‘ ist, denke lieber darüber nach, was du aus deiner Beziehung gelernt hast. Es lässt sich nämlich aus jeder unserer Beziehung viel lernen. Was wirst du nächstes Mal anders machen?“

Obwohl es absolut gerechtfertigt ist, nach einer Trennung in Kontakt zu bleiben und sich gegenseitig zu helfen, können die Grenzen zwischen euch verschwimmen, wenn ihr euch einander zu schnell wieder öffnet.

Dr. Laura Vowels
Francesca und Jasmine lernten aus ihren Trennungen jedenfalls, sich selbst mehr zu lieben und ihr eigenes Glück zu priorisieren. Jasmine sagt: „Ich habe mehr Verständnis für mich selbst entwickelt, als ich die Trennung verdaute. Mir wurde klar, dass wir alle Liebe verdienen und es ganz natürlich ist, geliebt werden zu wollen.“
Dr. Vowels zufolge gibt es bei einer Trennung nur eine Regel, die immer befolgt werden sollte: Kommuniziere klar und respektvoll mit deinem Gegenüber, und ziehe gesunde Grenzen zwischen euch. „Einigt euch darauf, ob es für euch beide okay wäre, wenn ihr auch in Zukunft in Kontakt bleibt – und wie oft“, erklärt sie. „Drückt dabei ganz klar aus, ob das eine strikte Trennung ohne Weg zurück ist, oder vielleicht doch eher eine Art Trennung auf Zeit, eine Beziehungspause. Diese noch nicht ganz verschlossene Tür kann die Heilung aber erschweren.“
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Genau dann kann es zum Beispiel zum Sex mit dem:der Ex kommen, hinter dem meist eine gewisse Nachgiebigkeit steckt und den einige Menschen im Nachhinein bereuen, ergab eine Studie von 2020 im Magazin Evolutionary Psychology. 
„Obwohl es absolut gerechtfertigt ist, nach einer Trennung in Kontakt zu bleiben und sich gegenseitig zu helfen, können die Grenzen zwischen euch verschwimmen, wenn ihr euch einander zu schnell wieder öffnet“, warnt Dr. Vowels. Deswegen solltest du dir direkt nach einer Trennung die Distanz zu deinem:deiner Ex aufbauen, die du brauchst, um dich darauf zu konzentrieren, mit eurer Beziehung abzuschließen. Sobald du dir diesen Raum genommen hast, ist es an der Zeit, dich deinen Gefühlen zu widmen. Dr. Vowels sagt: „Diese Zeit kannst du nutzen, um dich anderen Vertrauten zu öffnen und dir Trost und Unterstützung zu holen. Erinnere dich jetzt daran, dass die bedingungslose Liebe deiner Freund:innen und Familie genauso wichtig sein können wie romantische Beziehungen.“
Dr. Vowels empfiehlt außerdem, deinen Herzschmerz in Aktivitäten umzuleiten, die deinem Geist und Körper gut tun – wie Sport, Ruhe und Meditation. Es kann helfen, herauszufinden, was dich außerhalb deiner sozialen Bindungen glücklich macht, um Selbstliebe und Akzeptanz zu fördern. Nachdem du diese Mühe investiert hast, kannst du dich entscheiden, ob du die Tür zu deinem:deiner Ex-Partner:in wieder öffnen kannst – und möchtest.
Dank unserer Kultur schämen für uns vielleicht für „chaotische“, unperfekte Trennungen, obwohl sie fest zu unserem Leben gehören. Und wenn du unzufrieden damit bist, wie deine Beziehungen ausgegangen sind, ist es nie zu spät, um in dich hineinzuschauen und zu erkennen, wie du mit alten Mustern brechen und wichtige Veränderungen treffen kannst. 
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