„Meine ehemalige Mitbewohnerin schuldet mir nach einer Partynacht seit zwei Jahren immer noch 120 Euro. Ich fordere das Geld alle paar Wochen via PayPal von ihr ein“, erzählt die 27-jährige Beamtin Harriet. „Ihre letzte Reaktion darauf war: ‚Naja, Isobel schulde ich aber noch 3.500 Euro.‘“
„Ich hatte eine Mitbewohnerin, die mir bei der Monatsmiete einmal 1,49 Euro weniger überwies. Dazu schrieb sie, sie habe das Geld abgezogen, weil sie mir letztens ja eine Flasche Ketchup gekauft habe“, erzählt die 36-jährige Beauty-Redakteurin Jennifer. „Umgekehrt lief das genauso: Ich brachte ihr einmal eine Gurke aus dem Supermarkt mit und bekam daraufhin 80 Cent von ihr in die Hand gedrückt. Ein Nein wollte sie nicht akzeptieren. Sie war nicht unbedingt geizig – in der Kneipe gab sie auch gerne mal eine Runde aus –, zählte aber doch jeden einzelnen Cent. Das war ein bisschen anstrengend.“
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„Meine eine Freundin wohnte mal mit mir zusammen und schuldete mir immer mehr Geld. Das störte mich nie, bis sich meine finanzielle Situation änderte und ich das Geld irgendwann wirklich brauchte“, erzählt die 26-jährige Freelance-Grafikdesignerin Jade. „Ich versuchte sie einige Male locker daran zu erinnern, aber sie schien es immer wieder zu vergessen. Am Ende bat ich meine Eltern, mir etwas Geld zu leihen, weil mich die Vorstellung zu sehr stresste, meine Freundin zu konfrontieren.“
Gespräche über Geld sind oft unangenehm, und können die Stimmung ganz schön versauen. Gleichzeitig sind sie häufig eine direkte Konfrontation – und sollten deswegen unbedingt vermieden werden. Glauben wir zumindest manchmal.
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Wenn du dir Geld geliehen hast und weißt, dass du es nicht sofort wirst zurückzahlen können, solltest du das unbedingt direkt mitteilen und erklären.
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„Gespräche über Geld gelten oft als Tabu, weil sie so schwierig, peinlich und schambelastet sind. Viele würden sie daher, wenn überhaupt, nur hinter verschlossenen Türen führen“, meint Alex Holder, Autorin von Open Up: Why Talking About Money Will Change Your Life. „Dabei ist es so wichtig, ganz pragmatisch über Geld zu reden, damit kein Groll entsteht – vor allem, wenn deine Finanzen mit Fremden oder Freund:innen zusammenhängen.“
Die Peinlichkeit des Ganzen ist tatsächlich der häufigste Grund dafür, warum Erwachsene vermeiden, mit Freund:innen und Verwandten über Geld zu sprechen. Die Angst vor einem Streit ist ein weiterer Grund. Laut einer Studie von Lloyds Bank und The Times haben sich 30 Prozent aller Erwachsenen schon mal mit Freund:innen über (meist verliehenes) Geld gestritten. Und obwohl Geld zwar wie ein simples mathematisches Problem wirkt, ist es tatsächlich ein extrem emotionales Thema, bei dem viele von uns sofort in die Offensive oder Defensive gehen.
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„Denke daran, dass ein Gespräch über Geld nicht zwangsläufig eine Konfrontation sein muss“, meint Holder. „Vielleicht fällt dir das emotional schwer, ist aber dringend nötig.“ Sie verspricht: Je mehr dieser Gespräche du führst, desto leichter werden sie mit der Zeit.
Okay – aber wie spricht man denn auf gesunde Art über Geld?
Vielleicht bist du die Art Mensch, die es für knauserig hält, eine Dose Bohnen für 90 Cent zum Beispiel via Apps wie Splitwise zwischen euch aufzuteilen. Vielleicht hast du aber auch schon mit Leuten zusammengewohnt, die das als normal und total gerecht sahen. Um einem Groll vorzubeugen, solltest du daher schon im Voraus Regeln und Erwartungen abklären, empfiehlt Matt Hutchinson, Geschäftsführer der britischen WG-Vermittlung SpareRoom.
„Wenn ihr über Geld sprechen könnt, bevor dieses Geld überhaupt ausgegeben wird, erleichtert das die Gespräche immer enorm“, rät Hutchinson. „Setz dich mit deinen Mitbewohner:innen hin und überlegt euch ein System dafür, wie ihr gemeinsame Haushaltsgegenstände wie Klopapier und Reinigungsmittel aufteilen wollt. Vielleicht tragt ihr alles in einer App wie Splitwise ein oder wechselt euch mit dem Einkaufen und Bezahlen ab, oder vielleicht kauft sich auch jede:r selbst, was er:sie braucht.“
Holder stimmt dem zu. „Sobald es einen Streit gibt oder eine Rechnung nicht bezahlt wurde, ist die Anspannung längst da. Daraufhin ist es viel schwieriger, ein ruhiges Gespräch zu führen, und dann kann es zu passiv-aggressiven Post-its oder vermeintlich freundlichen, unterschwellig aber nicht ganz so netten WhatsApp-Nachrichten kommen.“
Realistisch betrachtet ist es natürlich unmöglich, sich auf jedes Szenario vorzubereiten, bevor es sich ergibt. Genau deswegen ist ruhige Kommunikation aber eben so wichtig. Wenn du dir Geld von einem:einer Mitbewohner:in geliehen hast und weißt, dass du es nicht sofort wirst zurückzahlen können, solltest du das unbedingt direkt mitteilen und erklären. Wenn du einem:einer Mitbewohner:in Geld geliehen hast und weißt, dass du es bis zu einem bestimmten Datum zurück brauchst, mach ihm:ihr das deutlich. Höchstwahrscheinlich wirst du deine Mitbewohner:innen regelmäßig an Geld erinnern müssen, das sie dir noch schulden – es ist also superwichtig, euch vorher auf ein System zu einigen, das für euch alle funktioniert.
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Über Geld zu reden ist schwierig, aber wie auch in jeder anderen Beziehung gilt hier: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation.
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Hutchinson schwört dazu auf regelmäßige WG-Meetings. „Das muss kein formelles Meeting mit einer langen Themenliste sein. Ein monatliches, lockeres Treffen, bei dem ihr miteinander über Geld und Organisatorisches redet, reicht schon – vielleicht bei einem Glas Wein“, erklärt er. Hutchinson glaubt, diese Art von persönlichem Gespräch kommt deutlich besser an, als wenn ihr Finanzielles via Gruppenchat klärt. „Der Gruppenchat ist das moderne Pendant zum Post-it an der Kühlschranktür. Selbst nett gemeinte Nachrichten können da tonlos und passiv-aggressiv rüberkommen“, sagt er.
Für viele ist aber allein die Vorstellung schon gruselig, unangenehme Themen im persönlichen Gespräch anzuschneiden. Vermutlich haben wir alle schon mal dieses peinliche Gespräch zwischen Tür und Angel gehabt, bei dem du am Ende nicht alles sagst, was du eigentlich sagen wolltest, weil du so in Panik geraten bist. Holder jedenfalls findet, dass es dann völlig okay ist, dich hinter einer WhatsApp-Nachricht zu „verstecken“.
„Viele Menschen haben große Schwierigkeiten mit direkten Gesprächen über Geld. Dann auf Technologie umzusteigen, sollte demnach nicht direkt verurteilt werden“, meint sie. „In einer Nachricht kannst du genau klarstellen, wie viel Geld wofür, bis wann und auf welche Weise bezahlt werden muss.“
Eine virtuelle Nachricht bedeutet außerdem, dass keine:r von euch den besprochenen Betrag einfach wieder „vergessen“ kann. Dadurch kannst du auch jemanden an Schulden bei dir erinnern, indem du die alte Nachricht nochmal rauskramst. Ich schreibe dazu gern sowas wie „Kleine Erinnerung 😘😘😘😘😘😘“ – wenn dir das aber ein bisschen zu passiv-aggressiv ist (selbst trotz der ganzen Küsse), kannst du diesen Teil natürlich auch von Apps wie Splitwise übernehmen lassen. So kommt dann die Erinnerung direkt von der App, nicht von dir. Das sorgt für emotionale Neutralität.
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Ob du dich nun für ein persönliches Gespräch oder eine WhatsApp-Nachricht entscheidest: Auch das Timing spielt eine entscheidende Rolle. Du solltest dir zum Beispiel darüber bewusst sein, dass ein Gespräch über Geld um 23 Uhr an einem Montagabend, wenn dein:e Mitbewohner:in gestresst und müde ist, vermutlich nicht die besten Ergebnisse liefert.
Auch unterschiedliche Lebensstandards gilt es zu bedenken. Was passiert zum Beispiel, wenn du von deinem:deiner Mitbewohner:in dazu aufgefordert wirst, Geld für Blumen oder besonders elegante Badezimmer-Seife beizusteuern, die du selbst gar nicht als essenziell betrachtest? Oder was, wenn dein:e Mitbewohner:in automatisch davon ausgeht, dass du dich an einer Mikrowelle oder Kaffeemaschine beteiligst, obwohl du beides nie benutzen würdest?
„Es ist so wichtig, jeden Gegenstand abzusprechen, bevor er gekauft oder eingefordert wird, anstatt direkt davon auszugehen, dass alle damit einverstanden sind“, empfiehlt Hutchinson. „Jede:r hat unterschiedliche Prioritäten und möchte unterschiedlich viel in diverse Lebensbereiche investieren. Vielleicht kauft jemand zum Beispiel lieber günstige Haushaltsgegenstände, um sich einmal die Woche dafür einen Restaurantbesuch leisten zu können.“
Erinnerst du dich an die eine Friends-Episode, in der Ross eine Restaurantrechnung gleichmäßig aufteilt und sich Phoebe, Joey und Rachel danach darüber aufregen, weil sie nur kleinere Mahlzeiten bestellt haben? Sie konnten sich nicht genauso viel leisten wie Ross, Chandler und Monica – und diese Szene zeigt, wie schnell wir vergessen, dass nicht jede:r dasselbe Budget zur Verfügung hat wie wir selbst.
„Du solltest bedenken, dass sich nicht jede:r denselben Lebensstandard leisten kannst, den du vielleicht erwartest“, meint Holder. „Noch dazu hat ohnehin nicht jede:r denselben Lebensstandard wie du. Deine Erwartungen sind nicht die Norm.“
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Aber wie bringt man diese unterschiedlichen Finanzbedingungen und Lebensstandards innerhalb einer Wohnung unter einen Hut? Zum Beispiel, indem ihr die einzelnen Räume (und somit die Einzelmieten) nach dem jeweiligen Einkommen verteilt: Wer am meisten verdient, bekommt den größten Raum und zahlt somit am meisten; wer am wenigsten verdient, bekommt das kleinste Zimmer und zahlt weniger.
Und was ist mit geteilten Rechnungen – Strom, zum Beispiel? Holder rät davon ab, solche Rechnungen dem Einkommen entsprechend ungleichmäßig aufzuteilen. Denn was ist, wenn sich jemand den ganzen Abend über in eine Heizdecke kuschelt, der:die andere aber vor allem auf Kerzenschein setzt? Was, wenn eine:r von euch im Homeoffice arbeitet, der:die andere nicht? Holder zufolge wäre es manchmal genau genommen vernünftig, die Stromkosten entsprechend aufzuteilen – doch solltest du dir überlegen, ob es dir das emotional wert ist.
„Frag dich selbst, ob es dir das schwierige Gespräch wert ist, 20 Euro pro Monat einzusparen“, meint Holder. „Vielleicht – aber vielleicht ist es dir auch wichtiger, euren gemeinsamen Raum gleichmäßig aufzuteilen.“ Wenn du, wie ich, schon bei dem Gedanken an unangenehme Gespräche über Geld in Schweiß ausbrichst, ist es womöglich besser und einfacher, ein wenig mehr Geld hinzublättern (vorausgesetzt, du kannst es dir leisten!).
Strom-, Heiz- und Wasserrechnungen sind oft Streitgrundlage, wenn es um Besuche von Partner:innen geht: Manche Partner:innen von WG-Bewohner:innen bleiben tage-, wochen- oder monatelang (zum Beispiel, während sie eine neue Bleibe suchen). Dann ist es eindeutig okay, sie dazu aufzufordern, sich finanziell zu beteiligen (falls sie das nicht ohnehin schon angeboten haben). Aber was ist, wenn sie dauernd in eurer WG rumzuhängen scheinen, obwohl sie eigentlich auch eine eigene Unterkunft haben?
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„Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, ist die Regel, dass der:die Partner:in so oft bei euch übernachten darf, wie dein:e Mitbewohner:in bei ihm:ihr. Das sorgt für ein gewisses Gleichgewicht“, meint Hutchinson.
Gespräche über Geld können sich innerhalb einer WG schnell genauso unangenehm anfühlen wie Vorwürfe, jemand von euch würde nicht genug putzen – dabei muss das gar nicht so sein. Über Geld zu reden ist schwierig, aber wie auch in jeder anderen Beziehung gilt hier: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation. Ganz egal, wie eure Finanzgespräche dann ablaufen – Hauptsache, ihr führt sie überhaupt erstmal.
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