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Geld stresst mich – aber ich kann nicht aufhören, es auszugeben

Willkommen bei Taking Stock. In dieser Kolumne beantwortet die Finanzberaterin Paco de Leon alle schwierigen, emotional aufgeladenen Fragen rund ums Geld. Die letzten beiden Jahre haben viele von uns dazu gezwungen, unsere finanziellen Prioritäten auf den Kopf zu stellen, und Taking Stock soll dir dabei helfen, den Durchblick zu behalten.
Diesen Monat geht es darum, wie du deine Finanzen in den Griff bekommen sollst, wenn du dir Sorgen machst, dass du zu viel Geld für die „schönen Dinge des Lebens“ ausgibst. Wie sollst du dem (Online-)Shopping widerstehen und neue, gesündere Gewohnheiten aufnehmen, ohne das Gefühl zu haben, dir selbst etwas zu verbieten?
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Liebe Paco,
ich habe gerade mein Studium abgeschlossen und bin mir meiner Finanzen stärker bewusst denn je – gebe aber seit Beginn der Pandemie immer mehr Geld aus. Das war zwar noch nie ein Streitgrund (ich bin generell sehr unabhängig von anderen, auch finanziell), trotzdem habe ich deswegen innere Konflikte mit mir selbst und fühle mich richtig schlecht, wenn ich mein Geld für teure Dinge ausgebe. Die steigenden Preise sind mir durchaus bewusst. Ich versuche also, mehr zu sparen – trotzdem bin ich voller Glückshormone, wenn ich ein Online-Shopping-Paket öffne. Es ist viel leichter, online zu shoppen. Ich kaufe mir oft Dinge, die mich glücklich machen, fühle mich dabei aber jedes Mal schuldig.
Ich habe einen guten Job und brauche mir daher vermutlich nicht so einen Stress wegen des Geldes machen, und trotzdem tu ich es. Ich mache mir Sorgen um meine Ersparnisse, weil ich nicht für den Rest meines Lebens arbeiten will. Ich bin erst 22 und habe demnach noch viele Jahre bis zur Rente (gerne mit 65). Trotzdem denke ich andauernd über Geld nach und möchte es einfach irgendwie schaffen, mir nicht den Kopf über meine Situation zerbrechen zu müssen.
Liebe zukünftige Rentnerin, 
ein besseres Gefühl für Geld und deine Ausgaben lässt sich prinzipiell ganz einfach entwickeln: indem du eine achtsamere Beziehung dazu aufbaust. Achtsamkeit heißt in dem Kontext nicht, dass du dich strikt an ein Budget halten solltest – erfordert aber doch, dass du dich dafür öffnest, gewisse Verhaltensweisen, Muster und Gewohnheiten anzupassen.
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Es gibt ein paar generelle Richtwerte, mit denen du herausfinden kannst, ob auch andere Aspekte deiner Finanzen von deinen Ausgaben beeinflusst werden. Ein Beispiel: Wenn du weniger als 5 Prozent deines Einkommens sparst, scheint sich dein Kontostand nie zu verändern und du hast immer Angst, zu viel auszugeben. Es kann aber sein, dass das lediglich ein Symptom eines größeren Problems ist – zum Beispiel beim Einkommen. Es lohnt sich also, einen genaueren Blick auf deine derzeitigen Ausgaben zu werfen, um festzustellen, ob du wirklich zu viel shoppst.
Sobald du dann konkrete Daten hast, kannst du diese Informationen nutzen, um dir einen flexiblen Ausgabenplan zu erstellen, der deine zukünftigen finanziellen Ziele mit deinen jetzigen Wünschen abwägt. Da fangen wir jetzt an.

Gibst du wirklich zu viel aus? Sieh dir die Zahlen an.

Verschaffe dir einen Überblick über die letzten drei Monate (oder auch mehr, wenn du dich besonders ehrgeizig fühlst). Es gibt diverse Tools, die du dazu nutzen kannst, dir deine vergangenen Ausgabe-Gewohnheiten anzusehen. Ich mag Tiller HQ, weil es mit Google Sheets funktioniert, weiß aber auch, dass sich nicht jede:r mit diesen Tabellen à la Excel auskennt. Die meisten Banken haben eigene Tools, um Ausgaben zu überblicken; das sind aber meistens nicht die besten oder genauesten Programme, vor allem, wenn du mehrere Konten bei verschiedenen Banken hast.
Um es dir leichter zu machen, teile alle deine Ausgaben in drei Hauptkategorien ein: Rechnungen und Leben; Spaß und Freizeit; und Zukunft und Ziele. Rechne zusammen, wie viel du in jedem Monat in jeder Kategorie ausgegeben hast. Einige dieser Kosten sind fix, wie zum Beispiel die Miete. Bei anderen Kosten kannst du eine durchschnittliche monatliche Summe über die letzten drei Monate hinweg ausrechnen. Alternativ kannst du auch maximalistisch an die Sache herangehen und deine monatlichen Ausgaben anhand der größte Summe bestimmen, die du im Laufe der letzten drei Monate ausgegeben hast.
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Sagen wir, du hast im September 350 € in Restaurants ausgegeben, 276 € im August und 325 € im Juli. Die Durchschnittsausgaben betragen daher 317 € (weil 350 € + 276 € + 325 € / 3 Monate = 317 €). Du kannst jetzt mit dem Durchschnitt (317 €) oder der größten Ausgabe (350 €) weiterrechnen.
Zahlen allein können erstmal bedeutungslos sein. Du solltest dir also ansehen, wie viel du im Vergleich zu deinen sonstigen Kosten, zu deinen Ersparnissen und/oder Investments und zu deinem Einkommen ausgegeben hast.
Die 50/30/20-Regel ist ein genereller Maßstab dafür, ob du zu viel Geld ausgibst. Laut dieser Regel solltest du 50 Prozent deiner Ausgaben in die „Rechnungen und Leben“-Kategorie fließen lassen (das sind zum Beispiel Miete, deren Nebenkosten, Lebensmittel, Transportkosten, Gesundheitskosten, Kreditabzahlungen, und so weiter). 30 Prozent deiner Ausgaben stehen dir für Wünsche aus der „Spaß und Freizeit“-Kategorie zur Verfügung. Das sind alle nicht-essenziellen Ausgaben (wie Online-Shopping), die dich einfach glücklich machen – und das ist ein wichtiger Teil des Lebens! Zuletzt bleiben 20 Prozent für die „Zukunft und Ziele“-Kategorie, die du in deine Ersparnisse oder Anlagen investierst. 
So weit, so gut. Nimm dir jetzt die Zeit, über das nachzudenken, was dir bei diesen Berechnungen aufgefallen ist. Wie fühlst du dich mit den konkreten Zahlen? Wo würdest du deine Ausgaben gern anpassen? Wo wäre das realistisch? All diese Veränderungen sind der Ausgangspunkt für deinen eigenen Ausgabenplan.

Erstelle deinen Ausgabenplan.

Dein Ausgabenplan arbeitet mit denselben drei generellen Kategorien wie oben. So funktioniert’s: Eröffne ein „Rechnungen und Leben“-Girokonto. Darauf überweist du jeden Monat Geld von deinem Gehalt und zahlst damit alle essenziellen Ausgaben. Einen Teil deines Einkommens überweist du entweder auf ein Sparkonto oder investierst es in Anlagen. Außerdem brauchst du ein „Spaß und Freizeit“-Konto, das du mit dem Anteil deines Einkommens versorgst, den du für nicht-essenzielle Ausgaben berechnet hast. Im Prinzip ist das ganz einfach: Du teilst dein Einkommen jeden Monat auf drei verschiedene Ausgabekategorien auf.
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Dabei solltest du dir überlegen, wann welche Rechnungen fällig sind, und deine Zahlungen dementsprechend anpassen.

Konzentriere dich auf essenzielle Ausgaben, Erspartes und Investments.

Wenn du deine Ausgaben aufteilst, bekommen deine Anlagen, Ersparnisse und essenziellen Ausgaben dabei die höchste Priorität. Das ist im Prinzip dasselbe Konzept wie „Erst die Hauptspeise, dann der Nachtisch!“: Du kümmerst dich zuerst um das, was dir langfristig gut tut. Das sorgt gleichzeitig dafür, dass du dich danach für deine Spaß-Ausgaben nicht mehr so schuldig fühlst, weil du dich ja diesen Monat schon um deine Zukunft gekümmert hast.

Erstelle dir ein System für Spaß-Ausgaben.

Indem du dir schon einen Teil deines Einkommens für Spaß- und Freizeit-Ausgaben freiräumst und dieses Geld in einem separaten Konto aufbewahrst, erschaffst du einen internen Prozess, um diese Kategorie deiner Ausgaben zu managen. Effektiv schützt du dich damit vor dir selbst, indem du für einen künstlichen Mangel sorgst – und dir damit selbst jeden Monat eine Grenze setzt. 

Brich alte Verhaltensmuster.

Gewohnheiten lassen sich zum Beispiel dadurch brechen, indem du vorübergehend auf bestimmte Zeit auf kalten Entzug gehst. Versuch’s doch mal mit einem 30-tägigen Online-Shopping-Verzicht (der Zeitrahmen lässt sich natürlich an deine eigenen Bedürfnisse anpassen). Wenn du währenddessen den Drang zum Online-Shopping verspürst, frage dich: Was hat diesen Drang ausgelöst? War es Instagram? Oder eine Werbe-E-Mail? Oder Langeweile? Oder alles auf einmal? Überlege dir, wie du seltener mit diesen Auslösern in Kontakt kommen kannst – oder wie du dich davon in Zukunft weniger triggern lassen kannst. 

Erstelle einen „Wunschzettel“ für nicht-essenzielle Käufe.

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Es ist absurd einfach, online alles zu kaufen, was du brauchst (oder auch nicht brauchst). Oft erfordert es einen einzigen Klick. Diesen Luxus der Bequemlichkeit weiß ich in vielen Lebensbereichen wirklich zu schätzen. Trotzdem frage ich mich: Sollten wir so einfach Dinge kaufen können, bloß weil wir es können? Ich finde nicht. Dich von deinem hartverdienten Geld zu lösen, sollte meiner Meinung nach durchaus ein bisschen schwieriger sein.
Ein Wunschzettel ist genau das, wonach es sich anhört: eine Liste der Dinge, die du gern kaufen würdest, aber nicht unbedingt brauchst. Das Erstellen dieser Liste ist eine Möglichkeit, die Glückshormone auszuschütten, die du sonst beim Online-Shopping bekommst. Wenn du dich zum Beispiel durch Instagram scrollst und dir der verdammte Algorithmus ein Paar Schuhe vorschlägt, die du wirklich gern hättest, aber nicht wirklich brauchst, setze sie auf deine Liste – und warte.
Du kannst natürlich trotzdem zu den Produkten recherchieren; beschäftige dich ruhig mit jedem Detail! Nimm dir die Zeit, deinen Wunschzettel besonders hübsch zu machen, und pflege ihn regelmäßig. All das gibt dir das Gefühl, deinem Wunsch immer näher zu kommen – und das schüttet die Glückshormone aus, die du sonst beim Kauf bekämst. Nur eben ohne den tatsächlichen Kauf.
Zu guter Letzt stelle dir selbst eine Regel dazu auf, wie lange ein Produkt auf deinem Wunschzettel warten sollte, bevor du es kaufst. 24 Stunden sind ein gutes Minimum, aber länger ist auch gut. Wenn genug Zeit vergangen ist, kannst du einen weiteren Blick auf deinen Wunschzettel werfen und dir überlegen, ob du den Kauf wirklich tätigen willst – oder ob es wohl doch nur ein Spontankauf gewesen wäre.
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Auf Taten folgen Gefühle

Manchmal fühlen wir uns erst besser, nachdem wir etwas tun – oder uns davon abhalten, etwas zu tun. Viele Leute fühlen sich zum Beispiel besser, wenn sie gerade Sport oder einen Spaziergang gemacht haben, egal, wie sie sich vorher gefühlt haben. Deine Ausgabegewohnheiten zu verändern, kann demnach schon reichen, um deine Schuldgefühle rund um das Geldausgeben zu beseitigen. Wenn das klappt, super! Wenn du dich trotz deiner Veränderungen danach noch schuldig fühlst, solltest du dir darüber Gedanken machen, ob deine Schuldgefühle vielleicht noch einen tiefer verwurzelten Auslöser haben könnten.

Beschäftige dich mit deinen Schuldgefühlen.

Nimm dir die Zeit, dich wirklich mit deinen Gefühlen beim Geldausgeben auseinanderzusetzen. Woher kommt diese Schuld? Erinnere dich an deine Kindheit und überlege, wie sich frühe Erfahrungen oder Beobachtungen auf dein Verhältnis zum Geld ausgewirkt haben könnten. Widerspricht dein Verhalten vielleicht dem, was deine Familie oder Liebsten von dir erwarten?
Als ich meinen Eltern nach meinem Studium endlich meine Kreditkartenschulden beichtete, fühlte ich mich total schuldig, weil ich unterbewusst geglaubt hatte, ihre Erwartungen zu enttäuschen. Sie hielten mich für einen verantwortungsbewussten Menschen – und für ein solches Image gibt es gewisse Parameter. Stell dir das Ganze wie einen Zaun rund um eine Pferdekoppel vor: Der Zaun definiert, was von einer verantwortungsbewussten Person erwartet wird – und meine Kreditkartenschulden hatten mich daraus ausbrechen lassen.

Arbeite an deinem Verhältnis zum Geld.

Obwohl ich selbst in meinen 20ern völlig pleite war und jetzt in meinen 30ern finanziell wirklich gut gestellt bin, erlebe ich immer noch Momente, in denen ich zum Beispiel im Bett liege und mir den Kopf über etwas Teures zerbreche, was ich mir vor zwei Tagen gekauft habe. Innerhalb weniger Sekunden überzeuge ich mich dann selbst davon, dieser Kauf sei der Anfang meines finanziellen Ruins. Das ist total irrational, ich weiß – aber ich glaube, das ist einfach ein altes Verhaltensmuster, das ich nicht komplett abschütteln kann. Es zeigt eindeutig, dass ich mein Gefühl für Sicherheit und Stabilität immer noch mit Geld verbinde. In diesen Momenten atme ich dann tief durch und sage mir selbst: „Ich bin in Sicherheit.“ Das ist absurd einfach, albern – und doch überraschend effektiv. Und vor allem bin ich dankbar dafür, dass diese schlichte Aussage der Realität entspricht.
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Finde andere Möglichkeiten, dich gut zu fühlen.

Es ist okay, dir auch mal was nur für dich selbst zu kaufen – vor allem, wenn du mit deinem Geld vernünftig umgehst und dir für die Zukunft etwas beiseite legst. Trotzdem hast du auch noch andere Optionen, um dein Gehirn mit Feelgood-Hormonen zu fluten und deine Gefühle spontan in andere Bahnen zu lenken. Ich finde es total ermächtigend, sich selbst regulieren zu können, ohne dafür Geld ausgeben zu müssen.
Finde heraus, welche anderen Aktivitäten in dir dieselben Glücksgefühle auslösen wie Online-Shopping – bestenfalls sind sie sogar gratis! Deswegen sind sie auch nicht automatisch weniger wert. Im Gegenteil: Wenn sie sich positiv auf deine Finanzen auswirken, sind sie sogar ziemlich wertvoll.
Deine beste Finanzfreundin
Paco
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