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Was ich in einem Zeitmanagement-Kurs lernte, um produktiver zu sein

Foto: Getty Images.
Ich bin eine von denen, die fast jeden Tag in ein Dankbarkeitstagebuch schreiben. Jeden Abend fragt mich dieses Tagebuch: „Wie hätte ich den heutigen Tag besser gestalten können?“
Ich schreibe schon seit Jahren in dieses Buch. Und irgendwann habe ich unabsichtlich damit angefangen, unter diese Frage immer dieselbe Antwort zu kritzeln, wenn mir sonst nichts einfiel: „Ich hätte produktiver sein können.“
An den meisten Abenden machte ich mir darüber nicht viele Gedanken. Erst vor Kurzem brachte mich diese Antwort wirklich zum Nachdenken. Was genau meinte ich damit eigentlich?
War ich produktiv genug gewesen? Würde ich jemals das Gefühl haben, tatsächlich genug „geschafft“ zu haben? Und wieso schien ich mich unbewusst so sehr darauf zu fixieren? Offensichtlich hatte ich eine komplizierte Beziehung zu meiner Zeit. 
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Im Januar sorgte diese Erkenntnis – kombiniert mit einem Hauch Neujahrsvorsätze – dann dafür, dass ich anfing, Bücher über die Zeit zu lesen. Das erste war Off the Clock: Feel Less Busy While Getting More Done von Laura Vanderkam, einer führenden Zeitmanagement-Expertin.
Nachdem ich ihr Buch in Windeseile durchgelesen hatte, fand ich heraus, dass Vanderkam gelegentlich Zeitmanagement-Kurse anbot, und ich schrieb ihr direkt eine E-Mail, um selbst einen zu buchen (dazu komme ich später). Danach griff ich zum nächsten Buch: Saving Time: Discovering a Life Beyond the Clock von Jenny Odell, in dem sie analysiert, wie wir über Zeit nachdenken und inwiefern diese Vorstellungen mit dem Kapitalismus zu tun haben.
Beide Bücher zeigten mir auf verschiedene Weise, wie unsere Zeit untrennbar mit unserer Zufriedenheit und unserem Wohlbefinden zusammenhängt – aber auch mit kaputten Strukturen, die unsere Leben und unsere Lebensgrundlagen beeinträchtigen. Gleichzeitig wurde mir klar, dass viele von uns die Zeit mit Schuldgefühlen verbinden; zum Beispiel, wenn wir dauernd zu spät kommen, uns mit Deadlines schwertun oder einfach nie damit zufrieden sind, wie wir unsere wachen Stunden nutzen.
„Wenn wir über die Zeit nachdenken – ob nun auf persönlicher, täglicher Basis oder hinsichtlich unseres ganzen Lebens –, fühlen wir uns damit oft sehr unwohl“, erzählt Odell gegenüber Refinery29. „Die meisten Gedanken, die ich mir hinsichtlich meiner Zeit machte, waren jedenfalls keine positiven.“
Odells Worte hallten ganz tief in mir nach, und ich dachte darüber nach, wie ich selbst meine Zeit eigentlich betrachtete. Dabei fiel mir auf, dass ich zwischen zwei verschiedenen Einstellungen schwankte, die beide auf ihre eigene Art beunruhigend waren. Einerseits war da mein (sehr häufiger) Wunsch danach, meine Zeit zu optimieren und besser zu nutzen, um mir meine „Träume zu erfüllen“ – diese Stimme in mir klang sehr nach toxischem Girlboss. Gleichzeitig redete mir der intellektuellere Teil meines Gehirns ein: Mädel, du solltest dich dieser kapitalistischen, patriarchalischen Gesellschaft widersetzen, die dich per Gehirnwäsche davon überzeugt hat, die Arbeit sei das einzig Wichtige! Verabschiede dich irgendwie aus diesem System, von dem vor allem weiße, reiche Kerle profitieren!
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Während ich versuchte, diese zwei Extreme in meinem Kopf miteinander zu vereinbaren, holte ich mir Hilfe von Moraya Seeger DeGeare, Expertin für geistige Gesundheit. „Du solltest dir selbst klarmachen: Ja, es gefällt mir nicht, dieses kapitalistische System zu unterstützen, aber ich muss irgendwie die Miete zahlen“, meint DeGeare. „Du brauchst eine Möglichkeit, diese zwei Wahrheiten miteinander auszugleichen. Zum Beispiel, indem du dich fragst: Was brauche ich, basierend auf meinen Überzeugungen? Und was muss einfach erledigt werden? Mit welchen Verhaltensweisen stelle ich sicher, dass ich für beides die nötige Zeit und Energie habe? Welche Gewohnheiten helfen mir dabei, welche nicht?“
Obwohl ich manchmal immer noch Schwierigkeiten habe, diese beiden Mindsets unter einen Hut zu bekommen, wird mir langsam klar, dass das durchaus möglich ist. Es gibt gewisse Zeitmanagement-Strategien, mit denen du dir selbst die nötige Zeit einräumen kannst, um die Dinge zu tun, die dir am Herzen liegen. Und genau die machen hoffentlich den entscheidenden Unterschied.

Hör auf, dir selbst zu sagen, jeder Tag habe ja nur 24 Stunden.

Obwohl ihre Bücher zu verschiedenen Schlüssen kommen, empfehlen sowohl Vanderkam als auch Odell, deine Zeit nicht mehr in 24-Stunden-Blöcken zu betrachten. Vanderkam findet es hilfreich, dich stattdessen auf die 168 Stunden einer Woche zu konzentrieren, weil sie dir die Flexibilität erlauben, Prioritäten zu setzen. Über einen Zeitraum von 168 Stunden hinweg ist es viel einfacher, 30 Minuten Tagebuch zu schreiben oder Joggen zu gehen, anstatt innerhalb von 24 Stunden. Odell hingegen empfiehlt, Zeit gar nicht mehr in standardisierten Stücken zu betrachten. „Es ist leicht, dich auf die Vorstellung zu fixieren, du hättest ja nur 24 Stunden am Tag“, meint Odell. „Es ist ganz verständlich, diese Stunden dann kontrollieren und manipulieren zu wollen, um sie effizienter zu nutzen. Das Ironische daran: Je mehr wir derart über Zeit nachdenken, desto mehr entfernen wir uns von anderen Betrachtungsweisen, die unser Empfinden von Zeit grundlegend ändern würden.“
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Bei deiner Zeit muss es nicht nur darum gehen, wann du ein Yoga-Workout reinquetschst oder sogar darum, wann du stirbst. Stattdessen rät Odell dazu, die Zeit auf größerer, kollektiver Ebene zu betrachten. Immerhin gehört die Zeit nicht nur dir.
Wenn du die Zeit weniger individualistisch siehst, kann sich das für dich auszahlen. Wenn du deine eigene Zeit zum Beispiel darin investierst, dich einer Gewerkschaft anzuschließen oder gar eine zu gründen, ersparst du langfristig womöglich allen viel Zeit, indem du vernünftige Arbeitszeiten, längere Pausen und höhere Löhne für dich und deine Kolleg:innen durchsetzt.
Viele von uns fühlen sich mit der Zeit und damit, wie wir sie verbringen, wohler, wenn wir dahingehend nicht nur an uns selbst denken. Hör auf, dich selbst immer nur als Protagonist:in zu betrachten. „Alles, das dir das Gefühl gibt, Teil einer Community zu sein, ist etwas sehr Gutes“, meint Odell.
In anderen Worten: Es hilft, die Zeit nicht nur als „meine Zeit“ anzusehen, sondern auch als „unsere Zeit“ – und darüber nachzudenken, wie wir einander dabei helfen können, uns in Sachen Zeit erfüllter zu fühlen.

Überlege dir, wofür du deine Zeit aktuell nutzt.

Es ist wichtig, dir zu überlegen, was du schon jetzt mit deiner Zeit anfängst, um herausfinden zu können, ob sich daran etwas verbessern oder anpassen ließe. Bei meinem Zeitmanagement-Kurs empfiehl mir Vanderkam, meine Zeit für ein paar Tage in 30- oder 15-Minuten-Abschnitte einzuteilen und mir aufzuschreiben, wofür ich diese Abschnitte nutze. „Es geht dabei nicht darum, zu analysieren, wie viel Zeit du ‚verschwendest‘“, erklärt sie. „Wir alle verschwenden Zeit. Stattdessen geht es darum, dich zu vergewissern, dass du dir selbst nichts Falsches einredet.“ Ein Beispiel für so etwas „Falsches“: Vielleicht sagst du dir selbst, du würdest „60 Stunden pro Woche“ arbeiten, obwohl du in manchen Wochen zwar durchaus 60 Stunden, in anderen aber eher 30 bis 35 Stunden arbeitest. 
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„Uns allen fällt es schwer, Zeit korrekt einzuschätzen“, betont Vanderkam. „Ich habe festgestellt, dass so viele Leute der Meinung sind, ihr Weg zur Arbeit dauere 20 Minuten. Wenn sie aber mal über mehrere Tage hinweg diese Zeit tracken, bemerken sie vielleicht doch, dass es eher 30 oder 35 Minuten sind – inklusive der Zeit, bis sie zum Auto, zum Bus oder zur Bahn gelaufen sind. Diese Übergangszeiten werden nämlich oft nicht bedacht.“
Manchmal kann es für ein echtes Happy End sorgen, deine eigenen Überzeugungen dahingehend zu ändern. Vielleicht kommst du dann zum Beispiel pünktlicher zu Verabredungen, weil du genau weißt, wie lange du wirklich dorthin brauchst; oder vielleicht stellst du fest, dass du eigentlich durchaus Zeit für das Hobby hättest, das du dir schon so lange vornimmst. Bei meinem eigenen Zeitmanagement-Kurs schaute sich Vanderkam eines meiner „Zeit-Tagebücher“ an und schilderte mir, was ihr darin auffiel. Ich erzählte ihr, gemeinsame Zeit mit meiner Familie und meinen Freund:innen sei mir extrem wichtig, und dass ich mir Sorgen machte, diesen Menschen nicht genug Zeit zu schenken. Sie sagte mir daraufhin, dass ich in Wahrheit mehr Zeit mit meinen Liebsten verbringe als viele andere Leute, und dass sie hoffte, ich könnte mich von dem damit verbundenen Druck und den Schuldgefühlen lösen. In anderen Worten: Sie und ihr Zeit-Tracking halfen mir enorm dabei, meine Einstellung zu meiner Zeit zu ändern.
Natürlich gilt auch hier, wie bei jedem anderen Tracking (ob nun von Essen, Schritten oder sogar Schlaf): Mach dich dessen bewusst, wann dir das Tracking hilft, und wann es eher schadet. Einige Leute bemerken, dass sie das Tracking unruhig stimmt. „Es macht einen großen Unterschied, ob du dich selbst dazu entschließt, deine Zeit aufzuschreiben, oder von jemandem dazu gezwungen wirst“, räumt Vanderkam ein. „Es geht ganz um die Absichten dahinter. Wenn du dieses Tracking nutzt, um damit langfristig ein glücklicheres Leben führen zu können, kann es dir dabei helfen.“
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Wenn du selbst lieber auf das Tracking verzichtest, dir aber doch gern mehr Gedanken über deine Zeit machen würdest, empfiehlt DeGeare, dich selbst zu fragen: Nutze ich meine Zeit für etwas, an das ich glaube? Missbrauche ich die Zeit von jemand anderem, um meine eigene zu schützen? Verbringe ich meine Zeit mit Dingen, die meinen Werten entsprechen?

Halt dich an eine Routine – ja, wirklich!

Ich selbst war nie das größte Gewohnheitstier. Manchmal bleibe ich lange wach, weil ich schreibe, lese oder mit Freund:innen zusammen bin. An anderen Tagen gehe ich wiederum um 22 Uhr ins Bett und bin am nächsten Morgen schon um 6 bei einem Sportkurs.
Vanderkam fiel die Variation in meinen Schlafens- und Aufwachzeiten direkt auf, als sie sich mein Tracking-Tagebuch ansah. Sie empfiehl mir, diese Zeiten regelmäßiger zu gestalten und mir eine Routine zuzulegen. „Wir reden uns oft selbst ein, Zeit habe keine bestimmte ‚Menge‘, aber jeder Tag hat eben sehr wohl einen Anfang und ein Ende“, erklärt sie. „Wenn du eine Schlafenszeit hast, verleiht dir das ein besseres Gefühl für die Form deines Tages.“ Das heißt: Kein Aufschieben von Aufgaben oder Terminen bis spätnachts oder sogar frühmorgens mehr. Das hilft dir dabei, deine Stunden so zu nutzen, wie du es gern hättest.
Aber wie sollte ich meine idealen Schlafens- und Aufwachzeiten herausfinden? Auch dazu hatte Vanderkam einen Tipp. Ich sollte mich fragen: Wann bin ich am kreativsten? Wann habe ich Verpflichtungen? Wie viel Schlaf brauche ich?

Plane deine Woche im Voraus, und das am Freitagnachmittag.

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Wenn du nicht auf das vorbereitet bist, was dir bevorsteht, kann es sich so anfühlen, als würdest du von einer Welle an To-Dos überrollt werden – und so, als käme immer direkt die nächste, sobald du dich gerade wieder aufgerafft hast.
Dieses Gefühl lässt sich aber verhindern, indem du dir gezielt überlegst, was jede Woche ansteht, meint Vanderkam. Sie empfiehlt, diese Art von Planung auf den Freitag zu legen, um dein Wochenende genießen zu können, weil du weißt: Du bist für die nächste Woche gewappnet.
Sieh dir deinen Kalender und deine Deadlines genau an, und dann, erklärt Vanderkam, „erstellst du eine Prioritätenliste mit drei Kategorien: Job, Beziehungen, Ich. Diese drei Kategorien erinnern dich daran, dass in jeder Spalte etwas stehen sollte! Das können auch kurze zwei, drei Dinge sein – aber es steigert die Wahrscheinlichkeit enorm, dass sie erledigt werden, wenn du sie so auflistest und auf die nächsten 168 Stunden verteilst.“
Dieses gründliche Planen und Vorausdenken hilft dir, und das nicht nur in logistischer Hinsicht. Gleichzeitig schenkt es dir einen besseren Fokus und gibt dir den Raum, genug Zeit für die Dinge einzuplanen, die wirklich wichtig sind. „Achte aber darauf, auch Dinge aufzuschreiben, auf die du dich freust“, betont Vanderkam. „Genau diese Vorfreude macht das Leben nämlich erst lebenswert. Noch dazu sorgt die vorausschauende Planung dafür, dass du vielleicht weniger wichtiges Zeug erstmal vorsortieren kannst.“
Vanderkam ermutigte mich außerdem dazu, nicht immer nur über meine „Produktivität“ nachzudenken. Obwohl es natürlich wichtig ist, sich beruflich erfüllt zu fühlen und dementsprechende Schritte zu machen, ist es genauso wichtig, auch „Zeit für mich“ einzuplanen sowie Zeit in die eigenen Beziehungen zu investieren. „Ich will gar nicht, dass du dir 15 Minuten Freizeit in deinen Kalender einträgst. Ich sage nur: Denk nicht erst als Allerletztes an deine Freizeit“, sagt sie. „Plane die Zeit, die nur für dich da sein soll, genauso achtsam wie deine beruflichen Verpflichtungen. Nur so kannst du deine persönliche Zeit wirklich respektieren.“
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Ein letzter Tipp für diese Planung: Vanderkam empfiehlt, auch Zeiträume im Kalender für spontane Dinge freizuhalten. Ich wollte immer so viel wie möglich in meinen Kalender eintragen und überschätzte dabei oft, wie viel ich tatsächlich schaffen würde. Dadurch hatte ich kaum noch Zeit zum Leben. Zu dem Zweck kannst du dir zum Beispiel ein bisschen Zeit an einem bestimmten Tag oder auch nur einem Nachmittag freihalten. „Ich lasse den Freitag für den Großteil der Woche meist ziemlich offen“, erzählt Vanderkam.

Plane nicht nur, sondern reflektiere auch.

Während ich freitags an der Wochenplanung sitze, wie mir Vanderkam empfohlen hat, denke ich gleichzeitig über die aktuell noch laufende Woche nach. Was lief gut? Worin hätte ich gern weniger Zeit investiert? Spiegelt die Art, wie ich meine Stunden verbracht habe, meine Werte wider? Habe ich sie auch genutzt, um meiner Community zu helfen, anstatt nur mir selbst? Über diese Fragen schreibe ich öfter mal Tagebuch. Je mehr Gedanken ich mir dazu mache, desto mehr kann ich mich mit der Zeit idealerweise von meinem Zwang lösen, immer „produktiv“ sein zu müssen. Und irgendwann muss ich dann in mein Dankbarkeitstagebuch vielleicht auch nicht mehr schreiben, dass ich mir gewünscht hätte, ich sei produktiver gewesen.
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