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30: Darf ich danach noch Mädchen sein? – Vom Ende der Ära der 20er

Dieser Artikel erschien zuerst beim gegenteil!
Als meine Mutter vor wenigen Wochen 60 Jahre alt wurde, schrieb ich ihr, dass Zahlen nur einen bedingten Einfluss auf unser Leben haben und wir ihnen nicht zu viel Bedeutung zukommen lassen sollten. Während ich ihr gegenüber versuchte, die Ernsthaftigkeit des Älterwerdens herunterzuspielen, rotierten doch seit Monaten unaufhaltsam meine eigenen Gedanken zum Älterwerden.
Die Zahl 60 betrifft in diesem Moment nämlich nicht nur meine Mutter, denn nicht nur sie wird älter und muss sich großen, neuen Zahlen stellen, sondern natürlich auch ich als ihre Tochter. Meine Mutter und mich trennen 30 Jahre und genau das ist die Zahl, die mich seit einiger Zeit das Fürchten lehrte, und eigentlich weiß ich gar nicht so richtig, warum. Oder doch?
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Ich meine mich zu erinnern, dass mein 28. Geburtstag der erste war, dem ich nicht voller Begeisterung entgegengesehen habe.

Immer, wenn ich diese Zahl mit mir in Verbindung bringe, zucke ich auf komische Art und Weise zusammen, als ob ich grade etwas gehört hätte, das schlichtweg gelogen ist. Ich meine mich daran zu erinnern, dass mein 28. Geburtstag der erste war, dem ich nicht voller Begeisterung entgegengesehen habe. Die kindliche Vorfreude von früher wich einer mit Gleichgültigkeit behafteten Gelassenheit.
An meinem 29. Geburtstag verspürte ich dann das erste Mal einen bittersüßen Beigeschmack, dass sich die Ära der 20er in ihren letzten Zügen befand. Und ja, meinen 30. Geburtstag würde ich am liebsten grundsätzlich ignorieren oder mich höchstens an diesem Tag auf eine mexikanische Insel mit ganz viel Tequila und Salsa träumen.

30? Das ist doch die beste Zeit unseres Lebens!

Eine sehr gute Freundin von mir ist genau fünf Tage älter als ich. Vor einigen Tagen saßen wir gemeinsam beim Essen und ihre Augen funkelten, als sie mir berichtete, dass sie die perfekte Planung für ihren 30. Geburtstag habe. Große Events wie Hochzeiten oder runde Geburtstage werden ja bekanntermaßen Monate – ja, wenn nicht über ein Jahr – im Voraus geplant.
Dennoch war ich über ihren Eifer – acht Monate vor dem großen Tag – doch etwas verwundert. Noch mehr verwundert war ich aber wahrscheinlich über ihren Eifer an sich.
Nachdem sie mir dann ausgiebig von der großen geplanten Party erzählt und ich ihr meine ganze Zustimmung ausgedrückt hatte, fragte ich sie: „Du freust Dich ja ganz schön darauf, nicht wahr?“ Sie nickte heftig und entgegnete: „Ja, klar!“ Dann fügte sie noch hinzu, dass sie glaube, dass 30 das beste Alter sei und sie sich natürlich auch auf die nächsten Schritte freue, die dann kommen würden. Damit meinte sie natürlich Kinder und so.
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Ist es also meine Angst vor den nächsten Schritten, die meine Freude dämpft?

Ist es also meine Angst vor den nächsten Schritten, die meine Freude dämpft? Sich aufgrund der biologischen Uhr, die tickt, unter Druck gesetzt zu fühlen? Also die Angst, dass die Zeit für diese neuen Schritte immer knapper wird? Oder die Angst vor dem Verlust der Jugend, die meine Freundin wohl überhaupt nicht zu verspüren scheint?
Die Angst, dass Möglichkeiten sich reduzieren werden oder Männer vor der „3“ vorne zurückschrecken? Die Angst davor, kein Mädchen mehr sein zu dürfen? Die Angst vor den schrecklichen sieben Buchstaben – „Routine“?
Das gleiche flaue Gefühl hatte ich schon im Bauch, als ich mein Studium nach sieben langen Jahren beendet hatte und eine Vollzeit-Stelle auf mich wartete. Und mein Bauchgefühl behielt Recht: Das Erwachsenwerden schlug mit einem Mal ganz schön ein und ein Teil der Jugend und Freiheit war plötzlich vorbei.
Ich leugne nicht, dass diese Entwicklungen überaus wichtig sind, um im Leben weiterzukommen und zu wachsen. Aber ist das nicht genug Entwicklung für diesen Lebensabschnitt der Endzwanziger? Muss direkt im Anschluss, also zwei Jahre später, schon gleich die 30 vor der Tür stehen?

Letztendlich sind es nur bedingt die Zahlen, die unser Leben bestimmen

Anders als meine Freundin, bin ich nämlich der Meinung, dass die 20er diverse Vorteile gegenüber den 30ern haben. Anders als meine Freundin, habe ich mich deshalb auch dazu entschieden, die 30 erst einmal nicht an die große Glocke zu hängen, sondern im Herzen einfach 29 zu bleiben, bis ich dazu bereit bin, einen Schritt weiter zu gehen und nicht einer Zahl das Wegnehmen des Mädchenseins zu überlassen.
Und trotz all der nicht zu ignorierenden Ernsthaftigkeit des Älterwerdens, habe ich die Worte im Geburtstagsbrief an meine Mutter genauso gemeint, wie ich sie geschrieben habe. Denn meine Lebenserfahrung der schönen 20er hat mir gezeigt, dass es letztendlich nur bedingt die Zahlen sind, die unser Leben bestimmen.
Vielmehr sind es unsere Gesundheit, Lebensfreude, Motivation und vor allem die Beziehungen, die wir führen, mit uns und mit anderen, die uns zu den Menschen machen, die wir sind. Egal ob mit 20, 30 oder 60.
Und wenn ich in Zukunft auf unter 30 geschätzt werde, werde ich solange lächeln und nicken, bis das Mädchen in mir zur Frau geworden ist.

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