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Hochzeiten & Babys: Ich fühle mich von meinen Freund:innen abgehängt

Foto: Serena Brown.
Die 28-jährige Jenni hat im Laufe der letzten drei Jahre zwei Großeltern und ihren geliebten Hund verloren. Kurz darauf hatte eine Freundin ihrer Mutter (die für Jenni eine Art Tante war) einen Nervenzusammenbruch und brach sämtlichen Kontakt zu Jenni und ihrer Mutter ab. „Außerdem bin ich jetzt seit fast sieben Jahren Single. Damit bin ich zwar meistens happy, habe aber trotzdem das Gefühl, im Leben einfach nicht voranzukommen. Ich glaube, all das sind Gründe dafür, warum ich mich heute einsamer denn je fühle“, erzählt Jenni. „Ich habe ab und zu mal Dates, schreibe mit Leuten in Dating-Apps und werde dann doch geghostet. Ich bin zwar ein offener Mensch, werde aber selbst nicht angesprochen. Ich glaube, ich ziehe die falschen Männer an. Meine Freund:innen und Verwandten versichern mir zwar, dass ich attraktiv sei, aber ich habe das Gefühl, dass ich einfach nicht weiterkomme.“
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Abgesehen von der Pflegeausbildung, die sie bald beginnt, hat Jenni nichts in ihrem Leben, worauf sie sich so richtig freut. „Ich bin dankbar für meine Freund:innen und meine Familie – aber ich verstehe nicht, warum mir nie etwas Schönes passiert. Alle meine Freund:innen sind vergeben, bekommen Babys, fangen neue Jobs an, kaufen Häuser. Was kann ich tun, um mich nicht mehr so abgehängt zu fühlen?“ Dr. Sheri Jacobson, eine pensionierte Psychotherapeutin mit über 17 Jahren Berufserfahrung, kann hier weiterhelfen.
Dr. Sheri Jacobson: Sich manchmal „zurückgelassen“ zu fühlen, ist absolut verständlich und ergibt im Kontext unserer Evolution auch Sinn: Wir brauchen nicht bloß das Gefühl, zu einem „Rudel“ zu gehören, sondern innerhalb dieser Gruppe auch etwas zu leisten. Das hilft uns aber nicht zwangsläufig dabei, unsere Position in unserer Welt zu verstehen; schließlich haben viele von uns heute mehr, als wir eigentlich bräuchten.
Trotzdem sind Beziehungen natürlich weiterhin wichtig. Die meisten von uns haben ein Dach über dem Kopf und genug zu essen – aber nicht jede:r hat die Beziehungen, die er oder sie braucht, um sich so richtig erfüllt zu fühlen. Das hat mit unserer Biologie zu tun: Wenn wir mit Leuten zusammen sind, schütten unsere Körper Serotonin aus. Wenn du also Single bist und miterlebst, wie alle um dich herum vergeben sind, fühlst du dich womöglich fehl am Platz. Dabei müssen bedeutsame Beziehungen ja nicht zwangsläufig romantischer Natur sein! Es ist gut möglich, das evolutionäre Bedürfnis nach Nähe mit einer oder zwei tiefen Freundschaften zu stillen. Sieh dir mal genauer an, welche Beziehungen und Bindungen du jetzt in deinem Leben hast, und vertiefe sie. Gleichzeitig kannst du natürlich auch weiterhin die Augen nach einem:einer Partner:in offen halten. 
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Wenn in deinem Umfeld gerade viele Leute die großen „Lebensstufen“ zu erreichen scheinen (die eigentlich nur gesellschaftlich konstruiert sind), ist es schwierig, aber entscheidend, deine Perspektive zu ändern. Übe dich in Selbstmitgefühl! Es ist so unheimlich wichtig, wie wir mit uns selbst umgehen. Oft haben wir eine sehr pessimistische Stimme im Kopf, die uns Dinge zuflüstert, die wir selbst nie zu Freund:innen oder Verwandten sagen würden. Versuche stattdessen, dir selbst Verständnis entgegenzubringen: Du bist eben gerade an diesem oder jenem Punkt in deinem Leben. Wenn du gewisse Ziele hast, kannst du Schritte einleiten, um ihrer Erfüllung näher zu kommen. Aber fange dazu an dem Ausgangspunkt an, an dem du tatsächlich gerade stehst. Halte dir vor Augen, dass deine Realität vielleicht gerade schwierig ist, anstatt dich selbst zu kritisieren oder dir deine eigene Situation vorzuwerfen.
Deine Ziele erreichst du am ehesten, indem du deinen Fokus darauf lockerst und stattdessen auch mal den Weg dahin genießt. Dann geht es dir nicht mehr krampfhaft darum, jemanden zum Heiraten zu finden – sondern darum, neue Leute kennenzulernen, zusammen Neues zu erleben, bei Dates auch mal was anderes auszuprobieren. Es geht um die Erfahrungen auf dem Weg, nicht um das ultimative Ziel.
Du sprichst davon, dass dir nie etwas „Schönes“ passiert. Dabei ist das Konzept vom „Schönen“, ebenso wie vom „Glücklichsein“, natürlich total subjektiv und schwer zu definieren. Versuche doch mal, deine Definition vom „Glücklichsein“ für dich anzupassen. Klar erleben wir alle mal Momente, in denen wir glücklich sind – aber für die meisten Leute bedeutet ein gutes Leben, nach Zufriedenheit zu streben, nicht nach Glücklichsein. Das heißt, dass sie sich gegenüber allen möglichen Emotionen öffnen, anstatt sich nur aufs Glücklichsein zu fokussieren und andere Gefühle wie Trauer und Einsamkeit von sich zu stoßen, obwohl die ja genauso zu einem facettenreichen Leben dazugehören.  
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Diese Einsicht ist auch ganz entscheidend im Umgang mit Trauer und Einsamkeit: Wir können nicht dauernd glücklich sein. Wenn wir etwas verlieren oder eine große Veränderung durchleben, müssen wir das verarbeiten – das lässt sich nicht vorspulen. Klar läuft das nicht immer systematisch ab, aber wir müssen die unterschiedlich intensiven Phasen der Trauer (Leugnen, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz) durchstehen, um die Trauer hinter uns zu lassen. Es ist also wichtig, dich dem zu öffnen – und diese schwierigen Gefühle zu akzeptieren.
Gleichzeitig ist es aber natürlich auch wichtig, dass du dich darin nicht verfängst, und es klingt danach, als seist du womöglich „stecken geblieben“. In den letzten drei Jahren ist bei dir viel passiert (von Corona mal ganz abgesehen!). Es gibt keine genaue Zeitspanne, die wir uns selbst zum Trauern gewähren sollten – wenn du aber in der Phase der Depression festzuhängen scheinst, ist es besser, wenn du dir Hilfe suchst. Dazu kannst du dich zuerst deinem Hausarzt oder deiner Hausärztin anvertrauen, oder dir direkt einen Therapieplatz suchen.
Du bist noch nicht dazu bereit? Keine Sorge: Du hast andere Optionen. Am entscheidendsten ist, dass du daran arbeitest, deine negativen Gedanken auszugleichen. Wie schon Mark Aurel sagte: „Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken.“ Wie wir über etwas nachdenken, beeinflusst enorm, wie wir es empfinden. Also höre deiner inneren Stimme und deinen negativen Gedanken zu – und passe sie so an, dass du mit dir selbst sprichst wie mit einem Freund oder einer Freundin. 
Automatische negative Gedanken lassen sich auch ausgleichen, indem du Dankbarkeitslisten erstellst und daraus eine Gewohnheit machst. Setze dich am Ende des Tages hin und notiere drei allgemeine Dinge, für die du dankbar bist, sowie drei Dinge, für die du dir selbst dankbar bist. Je mehr dieser Dankbarkeitsübungen du machst, desto häufiger betrachtest du die Welt aus der „Das Glas ist halb voll“-Perspektive und machst dich deinem Leben im Hier und Jetzt bewusst. 
Unsere Gedanken beschäftigen sich ganz selbstverständlich häufig mit dem, was uns fehlt – was wir im Vergleich zu anderen nicht haben. Dabei vergessen wir leider immer, uns selbst Dinge zu sagen wie: „Ich habe tolle Klamotten in meinem Schrank, leckeres Essen im Kühlschrank und ein intaktes Dach über dem Kopf.“ Rund 80 Prozent unserer Gedanken sind negativ – also müssen und sollten wir uns wirklich darum bemühen, uns durch Dankbarkeit die anderen 20 Prozent vor Augen zu halten.
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