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Adenomyose: Die kaum bekannte Krankheit, die jede 10. Frau betrifft

Foto: Ruby Woodhouse.
Gemma Taylor hatte von „Adenomyose“ noch nie gehört, bevor sie plötzlich nach einem Jahr schmerzhafter, unerklärlicher Symptome damit diagnostiziert wurde. Dabei war die Adenomyose erst ihre zweite Diagnose; zuvor waren ihre Beschwerden fälschlicherweise als Reizdarmsyndrom abgestempelt worden. Mit dieser Erfahrung ist Gemma aber nicht allein – denn Adenomyose ist leider noch viel zu unbekannt, obwohl so viele Menschen davon betroffen sind.
Adenomyose ist quasi die kleine Schwester der Endometriose. Während die Endometriose aber glücklicherweise langsam immer bekannter wird, sagt der Begriff „Adenomyose“ nicht bloß vielen Patient:innen, sondern sogar Ärzt:innen nichts. 
„Meine Symptome fingen im April 2018 an, damals in Form von Bauchschmerzen und Übelkeit. Ich dachte, ich hätte mir einen Virus eingefangen, aber das Ganze hörte einfach nicht auf. Ich war wie aufgebläht, mir war schlecht, ich hatte furchtbare Krämpfe, bei denen ich nur rumliegen und abwarten konnte, sowie eine Kombination aus Durchfall und Verstopfung“, erzählt Gemma, eine 37-jährige Marketing-Managerin. „Irgendwann fiel mir auf, dass sich meine Symptome vor und während meiner Periode verschlimmerten. Also sprach ich mit anderen Ärzt:innen und bekam einen transvaginalen Ultraschall. Da entdeckten sie dann Wucherungen — sogenannte Myome – und eben die Adenomyose.“
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Was ist eine Adenomyose?
Wie auch bei der Endometriose kommt es bei der Adenomyose zu Wucherungen aus Endometrium (Gebärmutterschleimhaut), wo sie nicht hingehören. Bei der Endometriose bildet sich dieses Gewebe außerhalb der Gebärmutter; bei der Adenomyose entsteht es in der Muskelschicht der Gebärmutterwand, dem sogenannten Myometrium. Das kann zu schmerzhaften, starken Menstruationsblutungen sowie Schmerzen beim Sex, beim Urinieren und Stuhlgang führen.

Tampons konnte ich nicht wirklich benutzen, weil die Blutklumpen sie wortwörtlich aus mir rausschoben.

jasmin
„Bei Betroffenen blutet jeden Monat dieses Gewebe, das zwischen den Muskelfasern sitzt – das heißt, dass sich die Muskeln der Gebärmutter während der Periode nicht gut zusammenziehen können“, erklärt die Gynäkologin Dr. Virginia Beckett vom Royal College of Obstetricians and Gynaecologists
Die 37-jährige Jasmin Harsono leidet schon seit ihrer Jugend unter sowohl Endometriose als auch Adenomyose. Die offiziellen Diagnosen bekam sie aber erst in ihren 30ern – die der Endometriose vor fünf Jahren, bei der Adenomyose erst drei Jahre später. „Nach meiner Endometriose-Diagnose waren ein paar andere Symptome immer noch nicht geklärt. Während der Periode stieß ich riesige Blutklumpen aus – die waren teilweise so gigantisch, dass es sich anfühlte, als hätte ich Stuhlgang“, erklärt Jasmin. „Das war emotional sehr fordernd. Ich wollte währenddessen gar nicht mehr das Haus verlassen, weil ich nicht wusste, was passieren würde. Tampons konnte ich nicht wirklich benutzen, weil die Blutklumpen sie wortwörtlich aus mir rausschoben.“ Jasmin wandte sich damit immer und immer wieder an ihre Ärzt:innen, bis sie schließlich eine MRT verschrieben bekam. Der Scan zeigte schließlich die Adenomyose. 
Wie wird die Krankheit diagnostiziert?
Selbst diese Diagnose ist eine ziemlich neue Innovation, erklärt Geeta Agnihotri, Beraterin für Geburtshilfe und Gynäkologie sowie Sprecherin der Wohltätigkeitsorganisation Wellbeing of Women. „Adenomyose wurde in der Vergangenheit bei gynäkologischen Untersuchungen nur selten erkannt. Meist fiel sie nur auf, nachdem eine Frau eine Hysterektomie hatte – also eine Entfernung der Gebärmutter –, und das entnommene Gewebe unter einem Mikroskop untersucht wurde.“
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Auch heute kann die Diagnose nur histologisch (also mit dem Mikroskop) bestätigt werden. Das Endometrium zwischen den Muskelfasern der Gebärmutter ist inzwischen aber auch beim Ultraschall und MRT-Scans sichtbar. Trotzdem, betont Agnihotri, „ist die Adenomyose meistens nur ein zufälliger Fund. Normalerweise wird danach nicht explizit gesucht.“
Wie verbreitet ist die Krankheit?
Aus offensichtlichen Gründen ist es daher auch schwer, genaue Zahlen zur Verbreitung der Adenomyose zu finden; Schätzungen zufolge betrifft sie aber etwa jeden zehnten Menschen mit Gebärmutter. Die Schwere der Symptome schwankt dabei stark, und etwa ein Drittel aller Betroffenen bemerkt nicht einmal etwas.
Außerdem wird vermutet, dass die Adenomyose häufig im Zusammenhang mit anderen Gebärmuttererkrankungen auftritt, wie zum Beispiel Endometriose oder Myomen, wie bei Gemma und Jasmin. Das Seckin Endometriosis Center in New York schätzt, dass rund 40 bis 50 Prozent aller Adenomyose-Erkrankten ebenfalls Endometriose haben, und 50 Prozent von ihnen von Myomen betroffen sind. Aber nochmal: Konkrete Zahlen gibt es dazu nicht.
Wann tritt die Adenomyose am wahrscheinlichsten auf?
Adenomyose kann prinzipiell jede:n Menstruierende:n treffen, ist aber unter 40- bis 50-Jährigen sowie jenen, die bereits Kinder zur Welt gebracht haben, am stärksten verbreitet. Dr. Beckett zufolge gilt das insbesondere für Menschen, die „eine Operation wie einen Kaiserschnitt hinter sich haben, bei der die Muskelwand der Gebärmutter durchtrennt wurde“. 
Bei der 58-jährigen PR-Angestellte Caroline Ratner begannen die Symptome erst kurz vor der Menopause. „Ich war etwa 54, noch nicht ganz in der Menopause, als es losging – ich hörte einfach wortwörtlich nicht auf zu bluten, hatte extreme Schmerzen und litt unter Blutarmut und Erschöpfung“, erzählt Caroline. „Ich bekam einfach Progesteron verschrieben (das überhaupt nichts bewirkte) und gesagt, das gehöre einfach zur Menopause. Die Schmerzen waren schlimm, und dann fing auch noch mein Bein an, wehzutun.“ Erst anderthalb Jahre, als sich Caroline damit an einen Spezialisten wandte und eine MRT bekam, kam die Diagnose. „Er diagnostizierte Adenomyose und machte eine Ablation – einen Eingriff, bei dem die Gebärmutterschleimhaut weggebrannt wird. Seitdem geht es mir total gut, aber das liegt vermutlich auch teilweise daran, dass ich jetzt die Menopause hinter mir habe“, sagt sie.
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Wie wird die Adenomyose behandelt?
In Sachen Behandlung empfiehlt Dr. Beckett: „Ich würde vermutlich erstmal mit starken Schmerzmitteln und Mefenaminsäure anfangen, einem Entzündungshemmer, der die Blutung hemmt.“ Darauf folgen Hormonbehandlungen wie die Anti-Baby-Pille. „Vor allem die Mini-Pille (die nur Progesteron enthält)“, betont Agnihotri. „Sie verdünnt nämlich die Gebärmutterschleimhaut.“ Als Alternative gibt es sogenannte GnRH-Analoga, erklärt Dr. Beckett: „Das ist eine langwirkende Injektion, die eine Art temporäre Menopause auslöst.“
Bei ernsteren Fällen kann die Adenomyose auch durch drastischere Eingriffe behandelt werden – wie die Ablation, wobei das Endometrium chirurgisch zerstört wird, oder eine Embolisation, wobei einige Blutgefäße zum Uterus verschlossen werden. Als letzte Option bleibt die Hysterektomie, die chirurgische Entfernung der Gebärmutter. 
Viele dieser Eingriffe eignen sich aber nicht für Menschen wie Jasmin, die noch Kinder bekommen möchten. „Es gibt keine wirkliche Möglichkeit, meine Symptome zu reduzieren, außer meine Hormone zu unterdrücken. Aber ich mache gerade eine künstliche Befruchtung und möchte ein Kind bekommen, daher ist das für mich keine Option“, sagt sie. Stattdessen versucht Jasmin, ihre Symptome mit Lifestyle-Veränderungen und Zyklustracking in den Griff zu bekommen.
Was du tun kannst, wenn du glaubst, betroffen zu sein
Wenn du dir über eventuelle gynäkologische Beschwerden Sorgen machst, hole dir unbedingt ärztlichen Rat – und habe auch keine Angst davor, dir im Zweifelsfall eine zweite Meinung einzuholen. „Ich glaube, dass Ärzt:innen sich mit der Adenomyose noch viel weniger auskennen als mit der Endometriose. Während der medizinischen Ausbildung war die Adenomyose vielleicht nur ein kurzer Absatz im Lehrbuch, direkt hinter der Endometriose“, mutmaßt Dr. Beckett. „Wenn du unter schlimmen Symptomen leidest und das Gefühl hast, von deinen Ärzt:innen nicht ernst genommen zu werden, akzeptiere bitte kein ‚Nein‘, sondern such dir jemanden, der oder die deine Beschwerden ernst nimmt“, fügt sie hinzu. „Es ist nämlich nicht normal, wenn du extrem stark blutest, große Blutklumpen verlierst, Tampon und Binde kombinieren oder nachts aufstehen musst, um den Tampon zu wechseln.“

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