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#FragR29: Ist es komisch alleine ins Restaurant zu gehen?

Foto: Alice Gao
Restaurants sind gesellige Orte. Eigentlich gibt es in so einem Restaurant ständig irgendeine Form der Interaktion mit anderen Menschen, sei es mit dem Service, den anderen Gästen oder eben mit der eigenen Begleitung. Ich rede hier nicht von Cafés, in denen gefühlt jede zweite Person alleine vor ihrem Laptop sitzt, ich rede von so richtigen Restaurants. Solche, die keine Sitzreihe am Fenster haben, damit man dort ungestört schnell einen Coffee to stay trinken kann. Ich meine solche, in denen man reservieren muss und sich eventuell sogar saubere Klamotten anzieht. Solche, in denen das Licht gedimmt wird. Solche, in denen das Essen richtig gekocht und nicht nur einfach mit dem Kontaktgrill aufgewärmt wird. Aber was passiert nun, wenn man alleine in eben so ein richtiges Restaurant geht? Tritt der sogenannte Spotlight-Effekt ein, ein Effekt, der ganz einfach gesagt nur beschreibt, dass man sich selbst viel zu ernst nimmt, sich wie auf einem Präsentierteller fühlt und es den anderen Personen womöglich gar nicht auffällt, dass man alleine isst?
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Nun ja, ich muss sagen, doch, es fällt auf, wenn man alleine in einem Restaurant isst. Nicht nur der Person, die offensichtlich alleine am Tisch sitzt, sondern auch den anderen Gästen. Ich muss immer heimlich gucken, wenn am Nebentisch eine Person tiefe Blicke mit ihrem Handy oder Buch austauscht und nicht mit einem Gegenüber. Da muss ich mich nämlich sofort fragen, was bitte denn mit dieser Person nicht stimmt?! Wieso zum Teufel isst die*der alleine? Und wieso sieht diese Person dabei auch noch happy aus? Natürlich ist es gemein von mir, so über die andere Person zu urteilen. Wahrscheinlich versuche ich nur, meine eigene Unsicherheit und meine Scham über genau diese Unsicherheit zu überspielen. Alleinsein wird oft mit Einsamkeit verwechselt und Einsamkeit ist nach wie vor eine Art Tabu. Wir müssen möglichst be- oder verliebt sein, haufenweise Freund und Spaß um uns scharren und sollten uns bitte nicht anmerken lassen, wenn wir einsam sind. Aber gerade in Großstädten tummeln sich viele einsame Menschen. Dadurch, dass es nicht üblich ist, alleine Essen zu gehen, werden viele einsame Menschen aus gewissen Aktivitäten automatisch ausgeschlossen und noch mehr isoliert. Und außerdem, und das ist der vielleicht wichtigste Punkt, ist eine Person, die alleine isst nicht automatisch einsam. Wahrscheinlich ist sie eigentlich sogar glücklich. Denn für einige Leute ist es wirklich normal alleine ins Restaurant zu gehen. Und das ist vollkommen okay.
Der Mann und das Dinner
Das erste Mal, dass mir ein einsamer Esser auffiel, war auch das extremste Beispiel, das ich bisher erlebt habe. Wir waren also alle in diesem Restaurant, das nicht nur über eine futuristische Einrichtung verfügte, sondern auch über futuristische Preise. Die Portionen waren winzig, zwischen den 8 Gängen gab es jeweils 30 Minuten Pause, das ganze Dinner dauerte mehrere Stunden und alle Gäste hatten sich sehr schick angezogen, um diesem besonderen Abend die Ehre zu erweisen. Am Nebentisch saß ein Kerl, irgendwas in den späten Vierzigern, mit wahnsinnig teuren, aber auch sehr lockeren Klamotten. Er trug ein Basecap und unverschämt teure Schuhe, beides versuchte krampfhaft den Eindruck zu erwecken, dass sie nicht teuer seien. Der Typ saß da, ganz alleine, bestellte das 8-Gänge-Menü plus Weinbegleitung (beides zusammen über 200 Euro), daddelte an seinem Handy rum und unterbrach dies nur, wenn es Zeit für den nächsten Gang war. Neben ihm stand ein großer Weekender, also war er sicher auf der Durchreise. Vielleicht wurde er aber auch versetzt, vielleicht hat er seinen Freund oder seine Freundin überraschen wollen und das ging ganz gewaltig in die Hose und jetzt saß er eben alleine hier und versuchte sich mit diesem exklusiven Essen zu trösten. All das waren Gedanken, die mir durch den Kopf schossen, als ich den Kerl sah. Auf den Gedanken, dass er eventuell einfach nur so aus Bock an diesem Abend dort alleine saß und aß, kam ich nicht.
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Coffee to stay ist voll okay
In Cafés und Imbissen ist es hingegen komischerweise total normal, alleine zu essen. Neulich war ich in einem Delikatessenladen in Brooklyn und dort haben alle alleine an ihren Bagels geknabbert, auch ich. Niemand guckte komisch, ganz im Gegenteil, ich wurde sogar in ein kurzes Gespräch verwickelt, welches überhaupt nichts mit der Tatsache zu tun hatte, dass ich alleine aß. Das wurde gar nicht angesprochen oder in Frage gestellt. Überhaupt scheint es dort eher üblich zu sein, in aller Öffentlichkeit alleine eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Da ich erstens auf Reisen war und mich zweitens nicht in einem richtigen Restaurant befand, habe ich in diesem Moment gar nicht wirklich über die Tatsache nachgedacht, dass ich alleine bin. Ich bin auf diesem Trip auch noch alleine Kaffee trinken gegangen, habe alleine die Stadt besichtigt und war alleine shoppen. Alles kein Ding. Aber wäre ich auf meinem Kurztrip in die drittcoolste Stadt der Welt auch alleine in ein richtiges Restaurant gegangen? Unwahrscheinlich! Denn wer alleine Kaffee trinkt, ist urban, wer sich alleine ein exklusives Tasting-Menü gönnt, hat keine Freunde oder muss ganz offensichtlich streng riechen oder irgendwie traurig, nervig, schrullig oder gar gefährlich sein.
Dinner for One
Die Frage ist doch, wieso habe ich diese komischen Gedanken, wenn ich jemanden sehe, der*die alleine ein Dinner genießt? Was ist bitte so schlimm daran, einfach mal alleine in ein Restaurant zu gehen? Eben, gar nichts. Trotzdem ist er Gedanke daran für mich der absolute Horror – und nicht nur für mich. So wie mir geht es vielen in meinem engeren Kreis. Oder sie kommen erst gar nicht auf die Idee, außer im Urlaub vielleicht. Irgendwie ist das sehr schade, denn damit verschließen wir uns ja womöglich ganz tollen Erfahrungen. Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, ganz bald einmal alleine Essen zu gehen. In der Stadt, in der ich lebe. Einfach so. Guten Appetit.

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