9 intime Portraits von alleinerziehenden Müttern
„Ich wollte zeigen, wie Muttersein aus der Perspektive einer Schwarzen Frau aussieht“, erklärt die 23 Jahre alte Fotografin Krystal Neuvill, deren Wurzeln in Jamaika und Granada liegen.
„Früher habe ich jede Menge Magazine gelesen. Damals fiel gar nicht auf, dass die Menschen, die dort abgebildet waren, nicht aussahen wie ich“, erzählt die Londoner Fotografin Krystal Neuvill. „Ich glaube, dass das langfristige Auswirkungen hatte und meine Wahrnehmung verzerrt hat. Wenn man älter wird, merkt man irgendwann, dass das nicht okay ist. Es gibt so viele verschiedene Menschen da draußen, dass immer nur der gleiche Typ gezeigt wird, ist heutzutage einfach nicht mehr akzeptabel.“ Die 23 Jahre alte Neuvill, deren Wurzeln in Jamaika und Granada liegen, liebt Portraits und ist fasziniert vom Thema Mutterschaft. Sie entschloss sich, die Bilder, von denen sie glaubte, dass sie fehlen, kurzerhand selbst zu machen. „Ich wollte zeigen, wie Muttersein aus der Perspektive einer Schwarzen Frau aussieht“, erklärt sie. Sie fügt hinzu, dass die meisten Bilder, die sie sieht, sich in erster Linie auf eine demografische Gruppe beziehen und eine idealisierte Vorstellung von Schönheit zeigen. Von den kitschigen Posen mal ganz abgesehen.
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Dass sie außerdem den Tanz liebt und als Stylistin gearbeitet hat, wird in der Serie, die sie geshootet hat, deutlich. Die Fotografien besitzen eine Eleganz und eine Kraft, wobei das Styling sowohl im Vordergrund steht, als auch nahtlos in den Hintergrund tritt, wenn es um den eigentlichen Fokus ihrer Fotografien geht: Mutter und Baby.
Genau diese Stärke ist es, die die 23-jährige Elizabeth, die mit ihrer elf Wochen alten Tochter Mavia fotografiert wurde, liebt und auf die sie am meisten stolz ist. „Ich habe das Gefühl, so stark auszusehen“, sagt sie über das Bild, auf dem sie ihrer Tochter die Brust gibt, während sie direkt in die Kamera blickt. „Ich weiß, dass es manchen Frauen ein bisschen peinlich ist, ihre Kinder in der Öffentlichkeit zu stillen, aber ich weiß nicht, was daran falsch sein sollte. Und dieses Bild portraitiert das perfekt.“
Elizabeth, die einst den Titel als Miss Caribbean UK gewonnen hat, ist ebenfalls der Meinung, dass die Bilder, die wir sehen, nicht divers genug sind. Aber sie ist auch generell der Auffassung, dass Bilder, die alleinerziehende Mütter in einem positiven Licht zeigen, die Stärke und Autorität ausstrahlen, so gut wie nicht vorhanden sind. „Meist sieht man Mutter und Vater. Und wenn es nur die Mutter ist, denken Leute dann ‚Oh, wo ist denn der Vater?’ Aber auf diesen Bildern sehe ich unbesiegbar aus. Man sieht, dass meine Tochter und ich es schon gut zu zweit hinbekommen werden. Wir brauchen keinen Mann, wir kommen auch zu zweit zurecht. Ich sehe wie eine starke Mutter aus und meine Tochter wie ein glückliches Baby.“
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„Für Mütter ist es wichtig, sich selbst in anderen wiederzufinden, die aussehen wie sie“, sagt die 29-jährige Magortu, die mit ihrer 18 Monate alten Tochter Ava in der Serie zu sehen ist. „Ehrlich gesagt sieht man schwangere, Schwarze Frauen im Fernsehen oder in Magazinen nicht immer unbedingt im besten Licht. Ein Kind zu haben und Schwarz zu sein sollte nichts sein, worauf andere herabschauen oder was als negativ dargestellt wird.“
Instagram hat sich für sie als wichtige Plattform herausgestellt, um mit anderen Müttern Ratschläge auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. „Hier bringen uns Frauen bei, welche Frisuren wir unseren Töchtern mit Afrohaar machen können. Man findet auch Mütter, die an Sichelzellenanämie leiden, die vor allem bei afrikanischen und Schwarzen Frauen zu finden ist. Sie teilen ihre Erfahrungen und erzählen, wie sie die Krankheit und die Betreuung ihrer Kinder miteinander vereinbaren.“
Im Alter von sechs Jahren zog Magortu aufgrund des Bürgerkriegs von Sierra Leone nach London. Aus Liebe zum Singen, Tanzen und Schauspielern schaffte sie es an die renommierte Italia Conti Academy of Theatre Arts und gründete kürzlich eine Community namens GIRLSOFLNDN. „Ich habe schon einige ziemlich coole Dinge gemacht, aber an Ava kommt nichts ran“, sagt sie.
Das Foto, auf dem sie Ava selbstbewusst hält und beide direkt in die Kamera schauen, gehört zu ihren Lieblingsbildern. „Die Bilder sind gleichzeitig schön und mächtig, sanft und stark. Ava ist der Anfang und das Ende, mein Ein und Alles. Sie sieht nicht aus wie ich, aber sie ist wie ich in klein.“
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Jessica, wandte sich an Krystal, nachdem sie ihre Arbeit auf Instagram gesehen hatte. Sie möchte das Bewusstsein für Familien schärfen, deren Mitglieder unterschiedliche Hintergründe haben. Ihr zwölfjähriger Sohn Fin hat karibische und britische Wurzeln, während ihr jüngster Sohn, der dreijährige Bodhi, nur britisch ist. Sie spricht von dem stillen Urteil, dem sie ausgesetzt ist: „Mir ist es schon oft passiert, dass Leute gesagt haben ‚Wieviele Kinder hast du? Ein, zwei? Ist der ältere auch deiner? Ah, dann haben sie verschiedene Väter?’ und so weiter und so fort.“
Jessica wollte ihre persönliche Erfahrung teilen und verfasste ein kraftvolles Essay. Darin schreibt sie: „Trotz des Alterunterschieds zwischen meinen Söhnen ist ihre Liebe so rein und wahrhaftig. Sie sind Brüder und stehen sich sehr nah. Obwohl wir alle unterschiedlich aussehen, merkt man, dass wir verwandt sind. Ihnen werden oft Fragen über ihre Verbindung zueinander und zu mir gestellt und ich frage mich, wie sie sich dabei fühlen, wenn Fremde Annahmen über unsere Beziehungen treffen.“
Sie hofft, dass ihre Söhne nicht mit so vielen Vorurteilen konfrontiert werden wie sie: „Wie ich weiß, und wie die meisten Menschen wissen, spielt es keine Rolle, welche Wurzeln, Religion oder welches Geschlecht jemand hat. Solange deine Kinder geliebt werden und dir ihr Wohlergehen am Herzen liegt, machst du schon einen besseren Job, als du vielleicht denken könntest.“
Krystals Bilder zeichnen sich, bei aller Zärtlichkeit und Liebe, vor allem durch die Kraft aus, die sie ausstrahlen. Die gleichzeitige Darstellung ihrer Protagonistinnen als kraftvolle Frauen und starke Mütter ist wie eine erfrischende Anekdote in einer stereotypen und alten Erzählung. Alle drei Frauen in diesen Bildern sind bestrebt, sich nicht durch das Label „Alleinerziehende Mutter“ definieren zu lassen. „Ich bin eine alleinstehende Frau, keine alleinerziehende Mutter. Meine Tochter hat einen Vater und die beiden lieben sich sehr“, betont Magortu.
Seit sie ihre Fotos geteilt hat, ist Krystal von der Reaktion, die sie darauf erhalten hat, „auf die schönste Art und Weise“ überwältigt: Täglich bekommt sie Nachrichten von Frauen, die entweder schwanger sind oder schon Kinder haben und daran interessiert sind, an ihrem Projekt teilzunehmen. „Ich bin sehr stolz darauf, diese Momentaufnahmen zu kreieren. Die Frauen haben diese Bilder ein Leben lang.“ Der schwierigste Aspekt bei der Erstellung der Fotos mag für jeden, der auch nur ein paar Momente mit Babys und Kleinkindern verbracht hat, nicht überraschend sein. „Es ist ganz schön harte Arbeit, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen und zu behalten“, lacht Krystal. „Man muss die Babys definitiv in der richtigen Stimmung erwischen, sonst kann man es vergessen.“
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