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Ambient Literature: Wie du Teil der Geschichte wirst, die du gerade liest

„Ambient Literature“ ist ein relativ neues Konzept. Einfach gesagt sind es Bücher, die du auf dem Smartphone lesen musst – und damit ist keine neue Kindle-App gemeint.
Vielleicht sagt dir der Begriff immersives Lesen (abgeleitet vom lateinischen Begriff „immersio“: eintauchen) etwas. Hier vergisst du beim Lesen eines Buches alles, was um dich herum geschieht und konzentrierst dich nur noch auf die Geschichte. Ambient Literature hebt das Ganze auf ein neues Level und geht noch einen Schritt weiter: Mithilfe von persönlichen Daten wie deinem Standort, der aktuellen Uhrzeit und des Wetters entsteht eine personalisierte Geschichte. Du wirst also buchstäblich in die Story reingezogen, denn dank Geotagging und mobilen Daten wird alles mit deiner Umgebung synchronisiert.
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Wenn du prinzipiell eher skeptisch veranlagt bist, verdrehst du jetzt wahrscheinlich deine Augen. Erstens: Natürlich wollen wieder alle nur deine Daten. Zweitens: Warum um alles in der Welt sollte jemand seine Umwelt bewusst wahrnehmen wollen, wenn der Sinn des Geschichtenlesens doch ist, komplett in eine andere Welt einzutauchen?
Genau das ging mir am Anfang auch durch den Kopf – bevor ich meine erste interaktive Leseerfahrung hatte. Ich dachte, die ständigen Bezüge zu meinem Aufenthaltsort würden mich beim Versuch nerven, eben diesem zu entkommen. Ich dachte, es würde sich unglaublich komisch anfühlen, Teil einer Geschichte zu sein, deren Inhalt ich noch nicht kannte. Ich dachte, es wäre einfach verwirrend und unnütz. Aber diese Annahmen waren komplett falsch.

Der Praxistest

Breathe von Kate Pullinger ist eine Geschichte, die für dein Smartphone geschrieben wurde. Der Roman ist das Ergebnis eines zweijährigen Projekts der UWE Bristol, der Bath Spa University und der University of Birmingham und er ist einfach großartig. Und wie funktioniert das Ganze? Ganz einfach: Schnapp dir dein Handy, geh raus und öffne die Website. Jetzt wirst du um den Zugriff auf deine Kamera und deine Location gebeten – glaub mir, es lohnt sich und laut der Website werden keine Daten von dir gespeichert. Und schon geht’s los!
Das Erste, was du über Breathe wissen solltest, ist, dass es eine Gespenstergeschichte ist. Selbst, wenn das nicht gerade dein Ding ist, solltest du dich darauf einlassen, denn genau das Genre macht das Erlebnis noch aufregender.
Die Geschichte handelt von einer jungen Frau namens Flo, deren eigenartiges, fiktionales Leben innerhalb kürzester Zeit mit deiner eigenen Realität verschmilzt. Flo kann mit Geistern reden und sie weiß, wo du bist, heißt es in der Einleitung. Und zack! bist du mittendrin in einer gruseligen Parallelwelt. Ohne, dass du es mitbekommen hast, hat dein Smartphone längst ein Foto geschossen. Nicht von dir, sondern von deiner Umgebung. Dieses Bild wird ab jetzt immer wieder auftauchen, um dich immer wieder daran zu erinnern, dass die Geschichte nicht nur von Flo, sondern auch von dir handelt. Die Erzählung wird regelmäßig durch eine zweite Unterhaltung unterbrochen – und zwar mit einem Geist.
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Dieser Geist erzählt dir, er würde sich gerade auf exakt der Straße befinden, die du gerade lang läufst – und ja, das fühlt sich schon ganz schön creepy an. Also liest du die Zeilen noch einmal, nur um sicher zu gehen, dass du dich nicht verlesen hast. Und ab diesem Zeitpunkt hast du plötzlich das dringende Bedürfnis, dich umzuschauen und zu prüfen, ob da nicht doch jemand hinter dir herläuft und sich im Schatten der Straßenlaterne versteckt. Im weiteren Verlauf des Buches tauchen immer wieder Referenzen zu deinem Standort auf. Flo erzählte mir beispielsweise, sie hätte mich in der Menschenmenge auf der Old Street gesehen (der Station, die am nächsten am R29 Headquarter ist). Sie sagt, sie säße oft in einem Café gegenüber der Straße, in der ich mich befand.
Neige deinen Bildschirm und du entdeckst einen versteckten Text. Tippe auf den Screen bestimmter Buchseiten und ein Foto deiner Umgebung taucht wieder auf. Wenn du zu schnell auf die nächste Seite swipen willst, verpasst du vielleicht, wie der Text geschrieben, gelöscht oder neu getippt wird. Unglaublich clever und furchtbar akkurat, so lässt sich das Erlebnis mit Breathe beschreiben.
Fazit: Das Konzept des immersiven Lesens ist noch mal einen ganzen Zacken schärfer geworden und ich bin bereit dafür. Es hat mir ehrlich gesagt nie Spaß gemacht, etwas auf meinem Smartphone zu lesen. Aber wenn du in eine Geschichte hineingezogen wirst, die erst dadurch entsteht, dass du sie liest, ist es schwer, sich ihr zu entziehen – du musst dann einfach weiterlesen und herausfinden, wie es weitergeht.
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Hinweis: Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt – er bezieht sich auf die Erfahrungen einer R29-Autorin aus London. In Deutschland scheint Breathe noch nicht ganz so gut zu funktionieren (der Standort wird beispielsweise nicht erkannt). Sobald es Ambient Literature auch im deutschsprachigen Raum gibt, aktulalisieren wir den Artikel für dich!
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