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Diese Fotos zeigen, wie sehr Schönheits-OPs in China gerade boomen

Foto: Yufan Lu.
„Schon lange vor dieser Arbeit ließ mir mein Aussehen keine Ruhe“, sagt die 29-jährige chinesische Fotografin Yufan Lu. Sie spricht über ihr neues Fotoprojekt Make Me Beautiful – ein brutaler und erschütternder Einblick in die Schönheits-OP-Kultur in ihrem Heimatland.
„Die Idee stammt aus beliebten Medien, die wenig Toleranz für alles andere als Schönheit haben, aber auch aus meinen eigenen Erfahrungen. Ich habe im Laufe der Jahre einige wirklich harsche Aussagen in Bezug auf mein Aussehen zu hören bekommen. Darunter waren Dinge wie: ‚Deine Augen sind zu klein‘, oder: ‚Du solltest eine Diät machen‘. Die Meinungen von Fachleuten, die ich in den Kliniken für kosmetische Chirurgie hörte, spiegelten tatsächlich die Kommentare wider, die ich im täglichen Leben erhalten hatte.“ Das war nicht allzu überraschend, sagt sie, denn daran zeigt sich, welche äußeren Merkmale in der chinesischen Gesellschaft im Allgemeinen als Schönheitsideale gelten.
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Lu wuchs in Tianjin auf, einer Industriestadt in der Nähe von Peking. Dort, wo sie herkommt, sagt sie, werden jungen Menschen – und vor allem jungen Frauen – ganz bestimmte Schönheitsideale und Lebensentscheidungen aufgezwungen. „Dort wird angenommen, dass du leichter einen Job bekommst, einen guten Ehemann (oder eine gute Ehefrau) findest und in eine besser gestellte Familie einheiraten kannst, wenn du jung und schön aussiehst. Der große Leistungsdruck in China verstärkt zudem die Ängste der Menschen dort: Wenn du bis zu einem bestimmten Alter nicht eine bestimmte Menge Geld verdienst, wirst du als Verlierer:in angesehen; wenn du über 35 Jahre alt bist, wird es schwierig, einen Job zu finden; wenn du nach deinem 30. Lebensalter noch nicht verheiratet bist, wirst du als ‚übrig gebliebene Frau‘ bezeichnet. All diese ‚sozialen Normen‘ verstärken den Druck auf Frauen, den gesellschaftlichen Schönheitsidealen entsprechen zu müssen.“ Da überrascht es kaum, dass in China jedes Jahr mehr als zehn Millionen kosmetische Operationen durchgeführt werden.
Make Me Beautiful nimmt uns mit in Schönheitskliniken in Städten wie Peking, Tianjin, Hangzhou und Chengdu, aber auch nach Südkorea, wohin viele Chines:innen regelmäßig für Schönheitsoperationen oder medizinische Schönheitseingriffe reisen. In jeder Klinik bat Lu die Berater:innen, die als „Schönheitsdesigner:innen“ bekannt sind, darum, Operationspläne für sie zu erstellen. Das Ergebnis ist eine faszinierende und zugleich erschreckende Reihe von „Diagnosen“, die ihr Äußeres auseinandernehmen: Kopfaufnahmen, die an Reisepassfotos erinnern und mit Abmessungen vollgekritzelt sind – Simulationen davon, wie sie aussehen könnte.
Foto: Yufan Lu.
Foto: Yufan Lu.
Foto: Yufan Lu.
Bestimmte „Gesichtstypen“ seien am beliebtesten, sagt Lu und zählt sie aus dem Gedächtnis auf. „Es gibt den ‚unschuldigen und reinen Look‘ (der auch als ‚leicht zu verheiratender Look‘ bezeichnen könnte), den Look von Internet-Berühmtheiten, den High-Level-Look (das ist das Gesicht, das Topmodels normalerweise haben), den Anego-Look (was ‚starke Frau‘ bedeutet) und den Look von Popstars.“ Lu sagt, dass sie merkte, wie eingeschränkt die Möglichkeiten waren, als sie während Beratungsgesprächen gefragt wurde, welche Art von Gesicht sie haben wollte. Und so begann sie, verschiedene Kliniken – wie bei einem Experiment – mit unterschiedlichen Zielen zu besuchen. „Als ich sagte, dass ich das Gesicht eines Internet-Promis haben wollte, sagten mir einige Behandelnde, dass die Umsetzung schwierig sei, weil es die natürliche Beschaffenheit meines Gesichts nicht ermögliche.“ Das liegt daran, dass „diese Art von Gesicht“, wie sie erklärt, ein Gesicht mit großen Augen und breiten, doppelten Augenlidern ist – „auch als europäische Augen bekannt, weil sie als charakteristisch für weiße Menschen gelten, zusammen mit einer kleinen Nase und einem spitzen Kinn“, sagt sie. Andere Kliniken sagten wiederum, sie könnten alles machen, solange sie nur das Geld für den Eingriff aufbringen könne.
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Foto: Yufan Lu.
Foto: Yufan Lu.
Foto: Yufan Lu.
Als sie anfing, Arztpraxen zu besuchen, war Lu überrascht, wie einfach es ist, eine neue Gesichtsform auszuwählen – wie Kleidung in einem Einkaufszentrum. Diese Erfahrung führte ihr außerdem die tatsächlichen Gegebenheiten und Ungerechtigkeiten der Branche deutlich vor Augen. „Ich weiß jetzt, dass die Leute, die mich berieten, eher Verkäufer:innen als medizinische Fachkräfte sind. Sie stellen eine Reihe von Fragen und anhand der Antworten können sie einschätzen, wie es um deine finanzielle Lage bestellt ist. Dementsprechend machen sie dann Vorschläge. Für reichere Leute, die eine größere Nase haben wollen, schlagen sie zum Beispiel eine Nasenkorrektur mit einem eingeführten Nasenimplantat vor, das qualitativ hochwertiger und teurer ist, während sie Patient:innen bzw. Kund:innen mit weniger Geld Hyaluronsäure-Injektionen anbieten.“
Die Praxen auf Lus Bildern sind unheimlich leer und steril, dabei aber oft ausgesprochen weiblich, was ihnen die seltsame Eigenschaft verleiht, gleichzeitig klinisch und kommerziell zu wirken. In einigen Kliniken, sagt sie, „sieht man Spitzen- und Blumenmuster auf den Sofas und elegante, strahlend weiße Möbel im ‚Rokoko-Stil‘, die an das Wohnzimmer einer Frau erinnern“. Zu sehen ist aber auch das kühle Silber von Vergrößerungsspiegeln und Maschinen, mit denen sich Unvollkommenheiten der Patient:innen ausmessen lasen. Auf einem bestimmten Foto verschwindet eine Reihe beleuchteter weißer Stufen in einem Loch in der Decke – wie in einem Science-Fiction-Film. Lu erzählt, dass der:die Behandelnde an diesem Ort den Spitznamen „Zeittunnel“ dafür verwendete. Einige Kliniken legen Wert darauf, dieses futuristische Gefühl zu erzeugen, sagt sie, „zum einen, um zu zeigen, dass sie über die modernsten Geräte verfügen, und zum anderen, um zu suggerieren, dass Menschen hier schön und wieder jung werden können – so, als ob sie in eine Zeitmaschine gestiegen wären“.
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Foto: Yufan Lu.
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Die bizarrste Diagnoseerfahrung, an die sich Lu erinnert, machte sie in einer Klinik in Peking. „Ich ging mit dem Ziel dorthin, mich verschönern zu lassen, um heiraten zu können. Irgendwann wurde ich zum Direktor der Klinik gebracht. Zu meiner Überraschung begann er, meine Physiognomie zu analysieren: ‚Ihre Schläfen sind eingesunken. Das bedeutet Unglück in der Liebe.‘ Er sagte auch, dass ich grimmig aussehe, wodurch ich so wirkte, als hätte ich schlechte Laune. Die Art und Weise, wie er sprach, kam so rüber, als ob er sich wirklich um mein psychisches Wohlbefinden sorgte, und um ehrlich zu sein, war ich sogar gerührt“, sagt sie. „Bis er zu dem Schluss kam, dass ich einen Fetttransfer im Gesicht bräuchte“, fügt sie hinzu und lacht – nur halb.
Foto: Yufan Lu.
Obwohl sie der Meinung ist, dass unsere Gesellschaft vielfältigere Schönheitsstandards haben sollte, sagt Lu auch, dass ihr dieses Fotoprojekt geholfen hat, echtes Mitgefühl und Verständnis für jene Menschen zu entwickeln, die sich einer Schönheitsoperation unterziehen. „Ich sehe keinen Unterschied zwischen ihnen und meiner Erfahrung damit, verschiedene Kliniken aufzusuchen und verzweifelt zu versuchen, einen Weg zu finden, mich von meinen eigenen Unsicherheiten zu befreien“, sagt sie. „Ich weiß, wie hilflos sich jemand fühlt, der:die die gesellschaftlichen Schönheitsnormen verinnerlicht hat. Ich finde Menschen, die sich einer Operation unterziehen, mutig.“ Insgesamt, so sagt sie, geht es nicht darum, ob es richtig oder falsch ist, sich unters Messer zu legen, sondern darum, was getan werden kann und sollte, um verschiedene Arten von Schönheit zu tolerieren, damit sich eine Operation nicht immer als die einzige verbleibende Option anzufühlen braucht.
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Sie findet auch, dass die Branche strenger kontrolliert werden sollte, um Menschen zu schützen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen. „Jemand, der:die sich an eine Schönheitsklinik wendet, befindet sich in einer verwundbaren Situation. Deshalb besteht das Risiko, sich leicht durch die verbalen Tricks des Personals verleiten zu lassen. Einige Personen, die ich kenne, wurden dazu aufgefordert, unmittelbar vor dem Betreten des Operationssaals einen Vertrag zu unterschreiben, sodass sie kaum Zeit oder Gelegenheit hatten, die Bedingungen genau zu überprüfen. Ganz zu schweigen davon, dass es illegale Kliniken für kosmetische Chirurgie gibt, die nicht einmal einen festen Standort haben, sondern einfach in China umherziehen, um einen Ort zu finden, an dem sie sich für einen oder zwei Tage aufhalten, um nach Vereinbarung Operationen durchzuführen, bevor sie wieder ihre Zelt abreißen. Obwohl Behandlungen dort sogar noch riskanter sind, gibt es eine Nachfrage, da sie einfach billig sind.“
Foto: Yufan Lu.
Foto: Yufan Lu.
Foto: Yufan Lu.
Das Bild, das Lu am meisten im Gedächtnis geblieben ist, ist das einer 18-Jährigen, die sie nur drei Tage nach einer Schönheitsoperation fotografiert hat. Auf dem Porträt starrt das Mädchen in die Linse, die Lichter der Stadt verschwimmen hinter ihr, die Haut um ihre Augen glänzt und ist leicht geprellt. „Sie hatte gerade ihren Schulabschluss gemacht und sagte, dass ihre Eltern und Freund:innen ihre Entscheidung, sich operieren zu lassen, unterstützten“, erzählt Lu. „Sie sagte mir auch, dass sie eine Internetberühmtheit werden und damit Geld verdienen wollte. Durch diese OP würde sich ihr die Welt öffnen, und alle um sie herum stimmten ihr zu. Denn Schönheit ist eine Währung. Nicht nur in China, sondern überall. „Auf Social-Media-Plattformen wie TikTok sind Filter gang und gäbe“, sagt Lu. „Es ist, als hätten wir uns so sehr an diese bearbeiteten Versionen von uns gewöhnt, dass wir immer weniger tolerieren, wie wir in Wirklichkeit aussehen.“
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In der Zwischenzeit, so Lu, war sie in der Lage, die lähmenden Ängste zu überwinden, die sie in Bezug auf ihr eigenes Selbstbild hatte. „Ich begann die Arbeit an diesem Projekt aus Neugier wie ein Experiment an mir selbst, aber aus irgendeinem Grund wurde es schließlich zu einer Form von Therapie für mich.“ Durch das aufmerksame Betrachten und Angeschaut-Werden, sagt sie, konnte sie auf einmal dem Blick der Außenwelt widerstehen und sich stattdessen für das schätzen, was sie ist.
Foto: Yufan Lu.
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