Wer heutzutage die Karriereleiter hochklettern will, hat viele Herausforderungen zu bewältigen. Der Weg zum Erfolg ist zickzackförmiger als je zuvor. Auch die Arbeitsumstände haben sich verändert. Wenn dann noch eine Pandemie zu all diesen Faktoren hinzukommt, ist es kaum zu glauben, dass wir trotz Zwangsurlaube, Freisetzungen und Heimarbeit überhaupt zurechtkommen. Deshalb könnten wir alle ohne Frage ein wenig Unterstützung von Cate Sevilla, Autorin des praktischen Guides How To Work Without Losing Your Mind, gebrauchen. Diese Woche bietet die Expertin zusätzliche Hilfeleistung, indem sie folgende Frage beantwortet und erklärt, wie du dich in dieser herausfordernden Situation am besten verhalten solltest:
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Bei der Arbeit gebe ich immer 100 Prozent und lass mich von nichts und niemandem ablenken. Warum bekommen aber immer die lautstarkeren, arbeitsscheueren Kollegen all die Aufmerksamkeit?
„Eigentlich bin ich sehr mit meinem Können und meiner Arbeit zufrieden, bin aber nicht unbedingt der kontaktfreudigste Mensch. So sehr ich meinen Job auch schätze, finde ich es frustrierend, dass sich ein Großteil meiner Branche (ich bin in den Medien tätig, vermute aber, dass das auch für viele andere Gewerbe gilt) durch große Persönlichkeiten auszeichnet, die sich wohl dabei fühlen, mit ihren Leistungen zu prahlen. Es macht mich echt traurig, dass Dinge wie Gehaltserhöhungen und Anerkennung nur dann ins Spiel zu kommen scheinen, wenn man Anspruch auf sie erhebt. Was ist aber, wenn das einfach nicht Teil deines Charakters ist? Ich mache meinen Job doch trotzdem gut! Ich kenne andere Personen, die bei der Arbeit ebenfalls Vollgas geben, aber wie ich introvertiert sind, und für gewöhnlich übersehen werden, wenn es um Karrierechancen geht. Es ergeht also nicht nur mir so. Meine Frage ist deshalb: Zahlt sich harte Arbeit überhaupt aus, wenn man sich im Gegenzug nicht selbst groß für die eigenen Anstrengungen macht? (Oder Erfolge auf Instagram postet?!)“
Cate: Das ist so ein komplexes (und interessantes) Thema. Außerdem ist es für viele von uns relevant – egal, ob wir als Angestellte in Voll- oder Teilzeit arbeiten oder selbstständig sind. Selbst wenn du arbeitslos bist und gerade nach Arbeit suchst, können diese unangenehmen Gefühle, die du gerade angesprochen hast, hochkommen. Liegt der eigentliche Grund dafür, dass so viele von uns ungern ihre Lebensläufe, LinkedIn-Profile und persönlichen Websites aktualisieren, nicht darin, dass wir uns gezwungen fühlen, unsere Leistungen öffentlich darzulegen und über sie zu sprechen?
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Schüchtern oder introvertiert zu sein oder einem anderen Persönlichkeitstyp anzugehören als der Alpha-Karrierefrau, die sich scheinbar nicht dafür schämt, offen über ihre Leistungen zu sprechen und gegebenenfalls in Eigenlob zu schwimmen, kann sich wirklich einschüchternd anfühlen und ausgrenzend wirken. Abgesehen vom Updaten deines CVs stellen Jahresgespräche, Beförderungen und das Ansuchen um eine Gehaltserhöhung weitere Herausforderungen dar, die es anzugehen gilt. Ein großer Teil dieser Angstgefühle wird durch unsere derzeitigen Arbeitssysteme und -strukturen geschürt. Diese scheinen bei der Leistungsbeurteilung nur extrovertierte Personen und stereotypisch männliche Kommunikationsstile anzuerkennen und zu belohnen. Manager:innen müssen sich für so viel verantworten, denn wirklich nur jenen Mitarbeiter:innen Aufmerksamkeit zu schenken oder jene zu belohnen, die am lautesten ein Loblied auf sich selbst singen, zeugt einfach nur von Faulheit. Nur weil sich jemand in Meetings immer zu Wort meldet, heißt das noch lange nicht, dass er oder sie auch alle beruflichen Ziele erreicht.
Dieses Problem bringt ein weiteres unangenehmes Element mit sich: Wenn du für ein internationales Unternehmen arbeitest, das in einem anderen westlichen Land, wie z. B. den USA, gegründet wurde, scheinen die Rahmenbedingungen und der Überprüfungsprozess in Zusammenhang mit Beförderungen nur auf einen Persönlichkeitstyp ausgerichtet zu sein – in der Regel ist das der eines kontaktfreudigen und gesprächigen Tech-Bros. Kulturellen Unterschieden oder Nuancen werden keine Beachtung geschenkt. In manchen Kulturkreisen ist es nicht üblich, offen über sich selbst zu sprechen. Jahresrückblicke bieten auch nicht wirklich eine gute Gelegenheit, um selbstkritischen Humor an den Tag zu legen. Manchmal sind diese Prozesse für Mitarbeiter:innen mit anderen kulturellen Hintergründen als der dominanten Unternehmenskultur tatsächlich unangenehm und verstoßen gegen die ihnen bekannten kulturspezifischen Normen. Dadurch probieren es viele von ihnen es gar nicht erst, extrovertierte Sprachhürden zu überspringen, um überhaupt das Thema einer Beförderung oder Gehaltserhöhung anzuschneiden.
Abgesehen von schlechtem Management und einem System, das gegen uns arbeitet, gibt es aber ein Element, an dem wir aktiv arbeiten können, um es zu ändern. Traditionell wird Frauen und jungen Mädchen nicht beigebracht, wie sie auf für sie angenehme Weise über ihre Leistungen sprechen können – obwohl dieses Problem nicht ausschließlich geschlechtsspezifisch ist. Uns wird beigebracht, keinen Platz einzunehmen (im übertragenen Sinne oder physisch). Außerdem wurden die meisten von uns in dem Glauben erzogen, dass wir nicht prahlen oder übermäßig selbstbewusst auftreten sollten. Sonst würden wir ja überheblich rüberkommen. Kulturgeschichtlich haben unser Erfolg und unsere Ambitionen bisher immer eine Gefahr dargestellt – eine Bedrohung für Männer und Gleichaltrige. Deshalb ist es also am besten, sich still zu verhalten und nur dann zu sprechen, wenn es auch tatsächlich unbedingt notwendig ist. Du willst meine Meinung zu diesem Thema hören? Ganz ehrlich? Scheiß drauf! Du brauchst nicht die Sprechweise, das Auftreten oder die Körpersprache einer amerikanischen Boss Bitch annehmen, um deine wohlverdiente Gehaltserhöhung zu bekommen. Du kannst einfach du selbst sein. Was du aber auf keinen Fall länger tun solltest, ist, dich kleiner zu machen. Übersehen zu werden fühlt sich absolut ätzend an. Es liegt aber in deinen Händen, das zu ändern und deine Stimme zu erheben, wenn es darauf ankommt.
Sei stolz auf deine Erfolge, so wie es Elizabeth Day auf der Plattform Allbright empfiehlt, die sich für einen Wandel im Interesse aller Frauen in der Businesswelt stark macht. Beanspruche ruhig so viel Platz, wie du brauchst. Halte mit deinen Leistungen nicht länger hinterm Berg. Wenn eine Begründung erforderlich ist, um befördert werden zu können, du deine Arbeit selbst bewerten oder auch nur deinen letzten Job im Lebenslauf beschreiben musst, rate ich zu Folgendem: Wirf deine Scham und Verlegenheit über Bord. Schreib über dich selbst in der dritten Person, wenn es dir diese Aufgabe erleichtert. Wie würdest du deine Beiträge, deine Errungenschaften, die Auszeichnungen, die du dir hart erarbeitet hast, beschreiben, wenn du nicht so viel Angst davor hättest, was andere Leute denken oder wie du wirkst? Wir brauchen nicht noch mehr Alphas (oder Pseudo-Alphas, die es einfach mit der Schauspielerei übertreiben) am Arbeitsplatz. Was wir tatsächlich brauchen, sind mehr Menschen, die sich in ihrer eigenen Haut wohlfühlen und – ganz wichtig – ihre Persönlichkeit akzeptieren, die dann auch bereit sind, offen und sachlich darüber zu sprechen, was sie erreicht und wie sie es geschafft haben. Du kannst bei der Arbeit gern weiterhin in dich gehen und deinen Kopf einziehen, wenn du so am besten arbeiten kannst. Achte aber darauf, dabei keine Gelegenheiten zu verpassen, dir Geltung zu verschaffen, auch wenn es dir vielleicht ein wenig unangenehm ist. Weiterentwicklung ist üblicherweise kein Spaziergang – vor allem, wenn es um unsere Karriere und Selbstentfaltung geht.
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