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Ich bin asexuell & Partner:innen denken, meine Lust auf Sex „kommt noch“

Ich meldete mich aus demselben Grund wie andere Leute in Dating-Apps an: Ich wollte diese eine Person finden, den Menschen, der mich durch die Höhen und Tiefen des Lebens begleiten würde. Und obwohl Dating-Apps natürlich meist brutal oberflächlich sind, hatten sie für mich einen ganz klaren Vorteil: Sie ließen mich im Voraus ganz direkt ankündigen, was ich mir von einer Beziehung wünschte.
Mein Profil las sich ungefähr so: „Musical-Fan. Disney-Fanatikerin. Asexuell. Auf der Suche nach einer ernsten Beziehung.“
Ich verließ mich darauf, dass dieses Profil als eine Art Litmus-Test funktionieren würde: Wer ein Match mit mir hatte, müsse sich wohl unter „asexuell“ etwas vorstellen können, dachte ich – mindestens mal die Grunddefinition: „kaum bis gar nicht am Sex interessiert“. (Natürlich gibt es hier Ausnahmen. Einige asexuelle Menschen, die sich vielleicht als „ace“ bezeichnen, haben zum Beispiel ihren Partner:innen zuliebe Sex; andere müssen vorher eine emotionale Verbindung aufbauen; andere wiederum haben überhaupt kein Interesse an Sex. Ich selbst falle in die dritte Kategorie: Ich bin nicht an Sex interessiert – ich möchte gar keinen. Ich finde die Vorstellung abstoßend und rede nicht mal gerne darüber.)
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Versteh mich nicht falsch: Ich erwarte nicht von meinen Matches, all diese Details zu kennen – und erst recht nicht zu wissen, wo genau auf diesem Spektrum ich mich selbst sehe. Ich glaubte aber, sie würden zumindest verstehen, dass ich keine Lust auf Sex habe.
Wow, lag ich da falsch.
Die erste Person, mit der ich ein Match hatte, war superlieb. Wir verstanden uns direkt richtig gut, und ich war komplett ehrlich zu ihr. Es ist immer irgendwie peinlich, ein Gespräch in einer Dating-App mit einem „Hi, nur zur Vorwarnung, ich habe kein Interesse an Sex. Wenn das also für dich ein Problem ist, möchte ich nicht deine Zeit verschwenden“ anzustoßen. Genau so leite ich unsere Chats aber ein, weil ich mir dadurch erspare, dieses unangenehme Gespräch erst später zu führen.
Dieses erste Match war neugierig, reagierte aber nicht ablehnend. Ich erklärte meine Situation ein bisschen besser – dass ich zwar Gefühle für jemanden entwickeln konnte, aber eben nicht auf körperlicher Ebene; dass ich mehr an einer emotionalen Beziehung interessiert war. Ein paar Wochen später trafen wir uns dann zu unserem ersten Date. Wir gingen zu einer Drag-Show.
Zu unserem zweiten Date verabredeten wir uns in einem schicken Restaurant. Ich erfuhr mehr von ihr (über ihre Karriere, Familie, Freund:innen) und umgekehrt; das Treffen war sehr angenehm. Wir fühlten uns wohl, und ich hatte den Eindruck, dass wir uns auf emotionaler Ebene näher kamen. Sie schien meine Macken, meine Persönlichkeit, meine Überzeugungen und Sexualität zu verstehen. Nachdem wir auf diese Weise zwei Monate miteinander gequatscht hatten, machten wir es schließlich „Facebook-offiziell“ – mit einem Beziehungsstatus. Das war das erste Mal, dass ich mich auch online outete, und es fühlte sich toll an.
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Ich dachte damals, dass sie unsere Beziehung genau so führen wollte, wie wir besprochen hatten – als romantisch, aber nicht sexuell. Und so lief es auch eine ganze Weile. Wir hielten Händchen und schauten einander tief in die Augen, unterhielten uns über unsere Interessen, verrieten unsere tiefsten Geheimnisse und waren prinzipiell einfach sehr offen miteinander. Ich glaubte, endlich jemanden gefunden zu haben, die mich wirklich für mich mochte.
Eines Tages aber, nachdem wir schon etwa vier Monate zusammen waren, kuschelten wir gerade auf der Couch, als sich all das schlagartig änderte. Sie sah mich an und fragte: „Du wirst also nie mit mir Sex haben?“
Und das war’s dann.
Nach einiger Zeit stürzte ich mich wieder ins Online-Dating. Ich hatte ein paar Matches mit einigen lieben Frauen – glaubte ich zumindest. Meist änderte sich meine Meinung von ihnen, sobald ich meine Asexualität erwähnte. Diesmal schlugen mir nämlich Mobbing und Feindseligkeit entgegen. Scheinbar war ich ein „Freak“ und „keine echte Frau“. Und obwohl ich wusste, dass das ja nur Fremde waren, die sich hinter einem Handydisplay verstecken konnten, tat mir das sehr weh. Ich verstand ja, warum sie aggressiv reagierten – aber sie hätten genauso gut einfach sagen können: „Ich glaube, das mit uns wird dann nicht funktionieren“, anstatt mich zu beleidigen.
Nach ein paar dieser schmerzhaften Monate lernte ich schließlich Reid* kennen. Ich hatte direkt das Gefühl, dass wir uns gut verstehen würden, nachdem ich seine Fotos gesehen und seine kitschigen Anmachsprüche gelesen hatte. Wir schienen denselben cleveren, zynischen Sinn für Humor zu haben. Ich verriet ihm, dass ich asexuell bin, indem ich „Zwei Wahrheiten und eine Lüge“ mit ihm spielte. Wie die meisten anderen hielt er „Ich bin asexuell“ für die Lüge. In der Vergangenheit schienen mich viele Leute auf meine Asexualität zu reduzieren; sie konnten mit mir quasi über nichts anderes mehr reden. Für Reid war ich aber einfach Casey – der Disney- und Michael-Bublé-Fan. Wir verstanden und respektierten einander. Alles wirkte perfekt.
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Zumindest solange, bis wir eines Tages vor der Frage standen, wie wir uns unsere Zukunft vorstellten. Für ihn hieß „Zukunft“: eine Frau, eine Familie, ein Haus… und, na klar, Sex. Ich erinnerte ihn daran, dass ich asexuell bin, und dann wurde es kompliziert. Er schien geglaubt zu haben, dass ich es mir schon irgendwann anders überlegen oder mit ihm schlafen wollen würde, wenn er sich als „der Richtige“ herausstellte.
Ich war frustriert und verletzt, und wir trennten uns.
Anfangs war ich traurig, weil ich dachte, das Ganze sei meine Schuld – dass irgendwas mit mir nicht stimmte. Bevor ich mit dem Dating angefangen hatte, hatte ich nie ein Problem mit meiner Asexualität gehabt. Die wurde erst zum Problem, als ich meine ersten Beziehungen hatte. Ich fragte mich: Warum will ich nicht wie alle anderen Sex? Warum reizt mich etwas so gar nicht, was sich alle so sehr wünschen? Bin ich hier die Böse? Genau diese Gefühle quälten mich dann auch vor sieben Jahren, als ich mir zum ersten Mal eingestand, dass ich womöglich asexuell war. Es hatte mich ohnehin schon genug Mut gekostet, um überhaupt mit dem Dating anzufangen. Jetzt dann auch noch diese Ablehnung zu spüren, vor der ich mich schon vor Jahren gefürchtet hatte, tat extrem weh.
Rückblickend weiß ich, dass ich nicht viel hätte anders machen können. Ich war immer ganz ehrlich mit meiner Asexualität umgegangen. Das Letzte, was ich wollte, war, jemandem falsche Hoffnungen zu machen. Ich wollte niemandem das Herz brechen – ich wollte bloß meine eigene Wahrheit leben.
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Diese Einsicht war aber mitunter das Frustrierendste daran. Immerhin haben sehr viele Leute gewisse „No-Gos“ in Sachen Dating; vielleicht wollen sie (keine) Kinder, wollen (nicht) heiraten, wollen hier und dort (nicht) wohnen. Und mein No-Go ist eben Sex.
Mir ist klar, dass diese bestimmte Grenze für viele Menschen schwer nachvollziehbar sein kann. Aber wenn sich jemand unsicher ist, was genau ich mit „asexuell“ meine, kann er:sie jederzeit gerne nachfragen. Es hat aber niemand das Recht, meine Identität zu missachten. Merkwürdigerweise fühlte ich mich sogar noch einsamer, wenn ich Leute datete, die mich und meine Sexualität nicht respektierten, als wenn ich einfach Single war.
Deswegen habe ich beschlossen, erstmal nicht zu daten – keine Apps, keine Chats, nichts. Heute bin ich absichtlich Single und könnte nicht glücklicher sein; bis es soweit war, brauchte es aber viel Zeit und eine Therapie, in der ich begriff, dass Dating jetzt gerade vielleicht nichts für mich ist. Das heißt nicht, dass ich eine Beziehung nicht verdienen würde – die Gesellschaft, in der wir heute leben, schreibt dem Sex aber meist eine größere Bedeutung zu als quasi allem anderen. In dieser Welt würde das für mich nur noch mehr Schmerz bedeuten. Bis ich endlich lerne, mich selbst so weit zu akzeptieren, dass mich die negativen Meinungen anderer Leute weitestgehend kalt lassen, ist es für mich das Beste, Single zu bleiben.
Meine letzten Datingversuche liegen jetzt zwei Jahre zurück, und ich kann ehrlich sagen, dass meine Beziehung zu mir selbst heute gesünder ist denn je. Ich bin meine eigene engste Verbündete. Indem ich mich dem Herzschmerz aktiv entziehe, kümmere ich mich um mich selbst – das ist die ultimative Form von Selfcare. Und obwohl ich natürlich manchmal einsam bin, lerne ich, mich mit dem Alleinsein wohl zu fühlen. Es ist irgendwie beruhigend, zu wissen, dass du selbst für dich da sein kannst – genau so, wie du es gerade brauchst. Das gibt mir ein Gefühl von Sicherheit, für das ich niemanden sonst brauche.
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Single zu sein, ist außerdem ein Zeichen des Selbstrespekts. Ich respektiere mich selbst genug, um keine Energie auf Menschen zu verschwenden, die meine Identität nicht verstehen wollen und/oder können.
Es ist unfair, dass ich kein „normales“ Liebesleben führen kann, wie es andere tun – aber so ist es nun mal. Eventuell habe ich irgendwann keine Lust mehr auf meine eigene Gesellschaft. Aber dann gehe ich einfach in eine Bar und lerne auf die „altmodische Art“ neue Leute kennen. Und vielleicht ist es genau das, was ich dann brauche.
*Name wurde von der Redaktion geändert.

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