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Berlins jüngste Galeristin Anahita Sadighi: „Am Ende sind wir alle Künstler — Lebenskünstler!“

FOTO: PR
Bodentiefe Schaufenster in der Schlüterstrasse 16 in Berlin Charlottenburg gewähren einen großzügigen Blick in die stilvoll eingerichtete Galerie „Anahita Arts of Asia“. Die Besitzerin: Anahita Sadighi, eine temperamentvolle junge Frau aus dem Iran. Ihre Leidenschaft und Berufung: Das Handeln mit asiatischen und islamischen Antiquitäten. Das mag dem ersten Anschein nach nicht ungewöhnlich sein, bis sich Anahita vorstellt und ihr Alter nennt: 27 Jahre. Seit knapp einem Jahr betreibt sie nun die Galerie im Alleingang. Eine Power-Frau, wie sie im Buche steht. Weltgewandt, zielstrebig und erfolgreich. Dabei war der Schritt dahin ziemlich gewagt. Nicht nur, weil die Kunstwelt ein an sich hart umkämpftes Pflaster ist, sondern auch, weil sie sich für einen Kulturraum entschieden hat, der bis heute gesellschaftlich von Männern dominiert wird. Doch für Anahita ist genau das der Reiz — sich behaupten zu müssen: „Ich mache im Moment alles alleine. Obwohl mich eine Assistentin unterstützt, kann ich schwer abgeben. Zum einen, weil ich sehr klare Vorstellungen habe und zum anderen, weil ich die Identität einer Marke etablieren möchte, die unweigerlich mit meiner eigenen Person verknüpft ist,“ und sie fügt hinzu: „Ich habe auch kein Problem damit, mir die Finger schmutzig zu machen. Ich bin ja noch jung, auch wenn ich natürlich darauf bedacht sein muss, was sich in meiner Position ziemt und was nicht.“
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Frau-Sein ist immer noch ein Handicap. Die iranische Gesellschaft ist da noch paradoxer als die hiesige, aber das zu akzeptieren und vielleicht auch als Möglichkeit zu sehen, das ist doch die große Kunst

Anahita Sadighi
Aufgewachsen als Iranerin in Deutschland hat sie früh gelernt sich durchzusetzen. Bereits in der Schule wusste sie, sich zu behaupten, denn ihr war klar: als das fremde Mädchen werde sie es doppelt schwer haben. Aufgewachsen inmitten einer iranischen Großfamilie mit jeder Menge starker Frauenvorbilder bekommt sie zu Hause vorgelebt, was das heißt. Mit fünf Jahren ist sie bereits Jungstudentin im Fach Klavier an der Hochschule für Musik von Hanns Eisler. Ihr damaliger Berufswunsch: Pianistin. Das wünscht sich auch der Vater Hamid Sadighi Neiriz für die Tochter, der zu dem Zeitpunkt einer der gefragtesten Kunsthändler und Galeristen für außereuropäische Kunst in Berlin ist. Seine „Galerie Neiriz“ schließt er 2014, um sich fortan eigenen Arbeiten zu widmen. Da absolviert Anahita bereits ihren Master of Arts in Islamischer Kunst und Architektur an der School of Oriental and African Studies in London. Pianistin will sie jetzt nicht mehr werden, sondern viel mehr in die Fußstapfen des Vaters treten. Doch ihr ist klar: Das geht nur, wenn sie es auf ihre Art macht: „Mein Ziel ist es, die fernöstliche Kultur von ihrem negativen, brisanten Ruf zu befreien und wieder die morgenländische Faszination zu wecken. Ich möchte Vorurteile abbauen und die Kultur in all ihrer Vielseitigkeit zugänglich machen.“ Anahitas großer Vorteil bei diesem Unterfangen: Die Möglichkeiten des Internets sind für sie selbstverständlich. Mit Hilfe von Social Media Kanälen wie Facebook und Instagram schafft sie spielend den Spagat zwischen Tradition und Moderne. Muss sie auch, denn aus dem Schatten ihres Vaters zu treten, ist trotz allem kein leichtes Unterfangen. „Klar, ich bin die zweite Generation, aber ich betreibe diese Galerie, so, wie ich es für richtig halte. Natürlich hat mein Vater mir viele seiner Kontakte vorgestellt, obwohl er von meiner Entscheidung nicht begeistert war. Er hält nichts davon, auf dem Erfolg vorhergehender Generationen aufzubauen. Und gerade in dieser Industrie ist es schwierig, wenn man in zweiter Generation weitermacht. Hier muss man eine Persönlichkeit sein. Ich habe mich von vornherein klar positioniert und hätte mich nicht wie mein Vater der außereuropäischen Kunst widmen können, das ist viel zu universell und weitläufig. Man pflegt zu sagen: Im Kunsthandel kannst Du Dir ein Leben lang einen Ruf aufbauen, aber Du kannst ihn auch an einem Tag verlieren. Das ist ein enormer Druck, dem man täglich ausgesetzt ist.“
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In Zeiten schnelllebiger, zumeist vom Westen geprägter Popkultur überrascht es da doppelt, dass sie sich für den Handel mit traditionsbehafteten Exponaten wie Japanischen Farbholzschnitten, Chinesischen Möbel, Ostasiatischer Keramik, Buddhistischer Kunst und Islamischer Kunst entscheidet, anstatt sich zeitgenössischen Werken zu widmen. „Eigentlich ist es nicht so außergewöhnlich,“ erklärt Anahita mit funkelnden Augen, „ich bin ja quasi damit aufgewachsen und als kleines Kind schon auf diesen Teppichen herumgekrabbelt.“ Vielleicht rührt auch gerade daher ihre Intention, das Genre von seinem staubigen Image zu befreien. Mit einem breiten Angebot will sie es vor allem jungen Menschen zugänglich machen: „Die preiswertesten Exponate kosten so um die 100 Euro, das ist zwar Massenware aber antik. Jeder kann sich das leisten. Top Objekte kosten maximal um die 30.000 Euro. Wir sind ja auch Berlin und nicht London oder Paris, ich will nicht abheben.“ Ein Mädchen wie Anahita, die so voller Tatendrang ist, hegt aber natürlich unlängst auch Pläne für neue Projekte. Eine Galerie für zeitgenössische, asiatische Kunst soll es sein. Nicht weil sie größenwahnsinnig ist, sondern weil es ihr auch hier um die richtigen Synergien geht. Und darum, den Leuten zu zeigen, dass die alten Sachen wunderbar mit den neuen funktionieren. Ein zeitgenößisches Bild mit einem alten Teppich beispielsweise. Überhaupt scheint die junge Frau keineswegs getrieben von monetären Aspekte, sondern von einer tiefen, sinnlichen Leidenschaft für ihre Objekte. „Ich bin tagtäglich umgeben von Dingen, die eine ganz besondere Ausstrahlung und Seele haben. Das Tolle an dem Beruf ist, dass es ein lebenslanges Studium ist. Mit jedem Objekt lernst du wieder etwas dazu. Es geht darum, ein Gefühl für die Dinge zu entwickeln, offen zu sein für die Formen, die Farben die Haptik. Objekte kommen und gehen und mit ihnen neue Energien. Es ist spannend zu sehen, warum sich Menschen für etwas entscheiden.“
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Und wie sieht ihr Alltag als Galeristin aus? „Das kommt ganz darauf an. Die Galerie hat mit 14.00 bis 19.00 ganz klassische Öffnungszeiten. Ich arbeite seit knapp einem Jahr gemeinsam mit einer Freundin noch zusätzlich an einem Start-Up, einer Kunst-Expertise-App für junge Leute, die nächste Generation von Kunstsammlern quasi. Vormittags verbringe ich deswegen viel Zeit mit ihr oder mache Sport. Ich finde es wichtig, Dinge für sich zu tun. Wenn nichts dergleichen auf dem Programm steht, habe ich am Vormittag oft Meetings, weil ich am Nachmittag immer in der Galerie sein möchte.“ Und wieder bleibt nur zu sagen: Eine Power-Frau, wie sie im Buche steht.

Ich will mit meinen Freundinnen Hand in Hand nach vorne gehen und etwas schaffen und uns das einander gönnen

Anahita Sadighi
Und damit schließt sich dann auch der Kreis, woher Anahitas Faszination für dieses ungewöhnliche Kunstgenre noch rühren muss. Denn die nomadische Kunst ist ausschließlich eine Kunst der Frauen: „Die archaischen Muster der Teppiche werden von Generation zu Generation weitergegeben und funktionieren letztendlich wie eine Art Talisman. Das Wissen um die Motive und Symbolik, die den Stamm beschützen sollen, ist seit jeher in den Händen von Frauen — auf der Grundlage einer matriarchalischen Kultur. Das ist etwas, was dem iranischen Volk sehr eigen ist, hierzulande aber gar nicht wahrgenommen wird. Es waren die Nomadenstämme, die das Land geprägt haben. Das möchte ich in die Welt hinaustragen.“ Vielleicht hat sich Anahita deshalb auch in ihrem Privatleben ein Netzwerk aus starken Frauen geschaffen. Gemeinsam wollen sie Dinge angehen und etwas bewegen. „Das ist etwas, was mir Kraft gibt. Wir veranstalten oft gemeinsam Events hier — Teezeremonien, Poetry Nights, eigentlich alles, was im Rahmen dieser Galerie funktioniert. Ich sehe es als großes Privileg, als Frau meine eigene Galerie führen zu können. Das wäre nicht überall auf der Welt selbstverständlich und ich habe die größte Achtung davor. Was uns jungen Frauen hierzulande oft fehlt, ist, dass wir nicht zusammenhalten. Die Männer tun das so viel besser. Ich will mit meinen Freundinnen Hand in Hand nach vorne gehen und etwas schaffen und uns das einander gönnen. Wenn wir füreinander offen und empfänglich sind und unsere Stärken und Schwächen zulassen, dann können wir gegenseitig voneinander lernen. Machen wir uns nichts vor, Frau-Sein ist immer noch ein Handicap, auch wenn sich bereits viel geändert hat. Die iranische Gesellschaft ist da noch paradoxer als die hiesige, aber das zu akzeptieren und vielleicht auch als Möglichkeit zu sehen, dass ist doch die große Kunst. Am Ende sind wir alle Künstler — Lebenskünstler — und bestimmen jede unseren eigenen Weg.“
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