Die Corona-Krise hat auch Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Arbeitnehmer:innen auf der ganzen Welt verlassen ihre alten oder wenig erfüllenden Jobs und weigern sich, zu dem Leben zurückzukehren, das sie vor COVID hatten. Sie kündigen in Massen, um etwas Besseres zu finden – sei es, um ihre Träume zu verwirklichen, einen guten Zweck zu unterstützen, der ihnen am Herzen liegt, oder um eine bessere Work-Life-Balance zu finden. Arbeitsmärkte weltweit ändern sich im Moment.
Auch die Art und Weise, wie wir uns um eine Stelle bewerben, hat sich verändert, denn die meisten Vorstellungsgespräche finden derzeit immer noch online statt. Das hat offensichtliche Vorteile. Manche Leute meinen aber, dass es so schwieriger sei, eine Beziehung zu jemandem aufzubauen, was den gesamten Ablauf für Arbeitgeber:innen und Bewerber:innen schwieriger macht.
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Um dem entgegenzuwirken, verschärfen viele Firmen nun die Voraussetzungen, um eine Stelle zu bekommen, und fordern Kandidat:innen dazu auf, eine Aufgabe (oder mehrere) während des Bewerbungsprozesses zu erledigen. Diese können unterschiedlich schwer ausfallen: Einige sind relativ einfach und können schnell fertiggestellt werden. Andere hingegen können sehr arbeitsintensiv sein und viel Zeit erfordern, weil stundenlange Recherchearbeit und ein hohes Maß an Kreativität zur Umsetzung nötig sind.
Sobald eine Aufgabe eingereicht wurde, kann ein Unternehmen im Prinzip deine Ideen verwenden oder umsetzen, es sei denn, es wurde ausdrücklich anders vereinbart. Wenn du also eine Aufgabe erledigst, arbeitest du im Grunde umsonst: Du investierst Zeit, Energie und deine kreative Leistung, um einen Job an Land zu ziehen, den du am Ende vielleicht gar nicht kriegst. Natürlich sollten Arbeitgeber:innen die Möglichkeit haben, herauszufinden, ob wir für die Stelle, um die wir uns bewerben, qualifiziert sind. So können wir unter Beweis stellen, dass wir die richtige Person für den Job in Frage sind. Was ist aber, wenn die Arbeit, die du während des Bewerbungsprozesses leistest, ohne dein Wissen und ohne dafür bezahlt zu werden, verwendet wird?
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Es war unglaublich frustrierend zu sehen, dass meine Arbeit offensichtlich für gut genug gehalten wurde, um sie zu verwenden, aber nicht gut genug, um mir die Stelle zu geben oder mich für meine Arbeit zu bezahlen.
Joanna
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Vor Kurzem bewarb ich mich um eine Stelle, für die ich einen Artikel einreichen musste. Ich war hellauf begeistert von dem Job und wollte deshalb einen möglichst guten Eindruck machen. Ich verbrachte Stunden mit der Aufgabe, denn ich wollte nichts abgeben, was mittelmäßig gewesen wäre und auf das ich nicht stolz hätte sein können. Als ich erfuhr, dass meine Bewerbung nicht erfolgreich war, war ich enttäuscht, zumal ich so viel Zeit und Mühe investiert hatte. Als ich einige Wochen später einen Blick auf die Website des Unternehmens warf, war ich schockiert, als ich dort meinen Artikel erblickte – ohne meinen Namen zu erwähnen oder für meine Mühe bezahlt worden zu sein. Verärgert darüber, dass meine Arbeit ohne mein Wissen und ohne Bezahlung verwendet worden war, beschloss ich, dem Unternehmen meine Arbeitszeit in Rechnung zu stellen. Verlegen bezahlten sie mir die Summe, die ich gefordert hatte.
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Joanna, eine 28-jährige Social-Media-Managerin, widerfuhr etwas Ähnliches. „Seit der Pandemie habe ich mich um viele Stellen beworben“, erklärt sie. „Meine letzten Bewerbungen lagen eine Weile zurück. Deshalb war ich etwas überrascht darüber, wie sehr sich der Bewerbungsprozess in der Zwischenzeit verändert hat; bei jeder Stelle, selbst bei denen, für die ich überqualifiziert war, wurde von mir verlangt, dass ich eine Aufgabe erledige. Einmal musste ich Inhalte für die Social-Media-Kanäle des Unternehmens schreiben.“ Joanna bekam die Stelle am Ende nicht, entdeckte ein paar Wochen später beim Scrollen durch Instagram aber, dass ihre Ideen genau so umgesetzt wurden, wie sie es dem Unternehmen während des Bewerbungsprozesses vorgeschlagen hatte.
„Ich war am Boden zerstört“, fährt sie fort. „Ich hatte wirklich hart an dieser Aufgabe gearbeitet. Es war unglaublich frustrierend zu sehen, dass meine Arbeit offensichtlich für gut genug gehalten wurde, um sie zu verwenden, aber nicht gut genug, um mir die Stelle zu geben oder mich für meine Arbeit zu bezahlen. Das hat meine Einstellung zu Aufgaben während des Bewerbungsprozesses sehr zum Negativen verändert. Dieser Erfahrung machte mich zynisch und ich hatte auf einmal die Befürchtung, dass alle anderen Unternehmen, bei denen ich mich bewarb, ebenfalls meine Ideen ohne mein Wissen oder jegliche Bezahlung übernehmen würden.“
So frustrierend solch ein Erlebnis auch sein kann: Aufgaben zu erledigen, ist ein wertvoller und aussagekräftiger Teil des Bewerbungsprozesses. Ann-Evelyn Clark, eine Recruitment- und Talent-Spezialistin, erklärt: „Solche Aufgaben stellen eine gute Möglichkeit für Unternehmen dar, dein Potenzial zu erkennen. Natürlich kann sich das sehr einseitig anfühlen. Es ist aber zu hoffen, dass Bewerber:innen Spaß daran haben, ihre Arbeit zu präsentieren, wenn sie tatsächlich an einer Stelle in einem Unternehmen interessiert sind.“
Im Falle der Bewerber:innen sind die Dinge nicht ganz so klar. „Es ist keineswegs ethisch vertretbar, wenn dir ein Unternehmen einen Auftrag erteilt und die von dir erstellte Arbeit am Ende ohne deine Zustimmung verwendet“, erklärt Ann. „Wenn du Bedenken hast und wissen möchtest, was damit passieren wird, solltest du diese Frage klären, bevor du zusagst, die Aufgabe zu erledigen.“
Im Falle der Bewerber:innen sind die Dinge nicht ganz so klar. „Es ist keineswegs ethisch vertretbar, wenn dir ein Unternehmen einen Auftrag erteilt und die von dir erstellte Arbeit am Ende ohne deine Zustimmung verwendet“, erklärt Ann. „Wenn du Bedenken hast und wissen möchtest, was damit passieren wird, solltest du diese Frage klären, bevor du zusagst, die Aufgabe zu erledigen.“
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Selbst wenn klar erklärt wird, wie deine Arbeit verwendet werden wird, lässt sich nicht leugnen, dass das Erledigen solcher Aufgaben unglaublich zeitaufwendig sein kann. Viele Bewerber:innen haben das Gefühl, umsonst zu arbeiten – was sich noch schlimmer anfühlt, wenn sie die Stelle letzten Endes nicht bekommen.
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Es ist keineswegs ethisch vertretbar, wenn dir ein Unternehmen einen Auftrag erteilt und die von dir erstellte Arbeit am Ende ohne deine Zustimmung verwendet.
Ann-Evelyn Clark, Recruitment- und Talent-Spezialistin
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Napala Pratini, Mitbegründerin und leitende Geschäftsführerin von Habitual, findet deshalb, dass alle Kandidat:innen für ihre Zeit und Mühe bezahlt werden sollten – etwas, das in ihrem Unternehmen gang und gäbe ist. „Wir schätzen den Beitrag jedes einzelnen Teammitglieds zu dem, was wir gerade aufbauen“, erklärt sie, „daher gibt es meiner Meinung nach keinen Grund, warum das nicht auch für potenzielle Teammitglieder gelten sollte. Mir ist auch bewusst, dass es nicht einfach ist, Aufgaben neben der normalen Arbeitszeit zu erledigen. Daher finde ich es nur fair, Bewerber:innen eine Entschädigung für ihre wertvolle Zeit anzubieten.“
Pawan Saunya, Mitbegründer des Zero Waste Clubs, ist ähnlicher Meinung. „Unser Einstellungsverfahren umfasst einen zwei- bis dreistündigen Workshop, für dessen Teilnahme alle Kandidat:innen etwa 120 Euro erhalten – unabhängig davon, ob sie am Ende eingestellt werden oder nicht“, erklärt Pawan. „Wir entschädigen sie dafür, dass sie uns außerhalb ihrer Arbeitszeit Zeit schenken, die sie normalerweise zum Entspannen und mit ihren Freund:innen, ihrer Familie oder ihren Haustieren verbringen würden. Schließlich handelt es sich dabei um Zeit, die sie nicht zurückbekommen. Außerdem wollen wir so verhindern, dass Bewerber:innen, die nicht ausgewählt werden, sehr enttäuscht darüber sind, dass sie drei wertvolle Stunden ihres Lebens für eine Bewerbungsaufgabe investiert haben.“
Kandidat:innen für ihre Zeit zu bezahlen, hat große Vorteile. Es hilft potenziellen Mitarbeiter:innen, sich geschätzt und respektiert zu fühlen – zwei Faktoren, die unglaublich wichtig sind. Respekt ist auch für Napala von Bedeutung: „Wir versuchen, alle Bewerber:innen wie ein Mitglied des Teams zu behandeln, denn einige von ihnen werden es schließlich eines Tages sein.“ Pawan stimmt dem zu: „Wenn Kandidat:innen nach einem Workshop eingestellt werden, haben sie auf diese Weise einen positiven Start im Unternehmen, da sie für ihre harte Arbeit während des Bewerbungsprozesses entschädigt wurden.“
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Wenn dich ein Unternehmen für deine Aufgabe nicht bezahlt, solltest du das jedoch nicht unbedingt als etwas Verächtliches ansehen. Anita ist Personalvermittlerin für eine Damenbekleidungsmarke und kann Kandidat:innen für die Aufgaben, die sie im Rahmen des Bewerbungsprozesses erledigen, nicht bezahlen. Sie erklärt das folgendermaßen: „Wir sind ein kleines Unternehmen und führen viele Vorstellungsgespräche. Wir haben nicht das nötige Geld, um jede:n Bewerber:in zu entschädigen. Wir stellen aber im Vorhinein klar, dass wir über keine Rechte auf die erstellte Arbeit verfügen. Wir bemühen uns, wirklich detailliertes Feedback zu jeder eingereichten Aufgabe zu geben, und sicherzustellen, dass diese nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt.“
Wenn du für deine Arbeit nicht bezahlt wirst, ist es wichtig, wie lange du brauchst, um eine Aufgabe zu erledigen. Wenn etwas zu viel deiner Zeit in Anspruch nimmt, solltest du dir möglicherweise überlegen, ob die Stelle wirklich etwas für dich ist. Es könnte sein, dass das Unternehmen zu viel von dir verlangt oder die Stelle nicht ganz zu dir passt. Ann glaubt jedoch, dass sich die Dinge langsam ändern. „Ich habe den Eindruck, dass immer mehr Unternehmen die Vorteile erkennen, die darin liegen, Bewerber:innen für ihre Zeit und Mühe zu vergüten. Unternehmen müssen in der gegenwärtigen Arbeitssituation sehr vorsichtig sein, wenn es um ihre Anforderungen an Bewerber:innen geht. Wenn Firmen nämlich unrealistische Aufgaben stellen, die von den Kandidat:innen erbrachte Arbeit verwenden und sie nicht dafür bezahlen, werden sich Bewerber:innen einfach woanders umsehen.“
„Es ist also eine gute Idee, im Vorhinein mit der Person, die dir eine Aufgabe gestellt hat, zu sprechen und deine Bedenken zu äußern, denn es könnte eine Möglichkeit geben, dieses Problem zu umgehen.“
„Es ist also eine gute Idee, im Vorhinein mit der Person, die dir eine Aufgabe gestellt hat, zu sprechen und deine Bedenken zu äußern, denn es könnte eine Möglichkeit geben, dieses Problem zu umgehen.“
Wenn uns die letzten Jahre etwas gelehrt haben, dann, dass sich die Welt verändert, vor allem, wenn es um unsere Arbeitsweise geht. Immer mehr von uns sind auf der Suche nach sinnvollen Tätigkeiten und wollen für Unternehmen arbeiten, deren Überzeugungen und ethische Grundsätze mit unseren eigenen übereinstimmen. Aufgaben, die im Laufe des Bewerbungsprozesses anfallen, zu vergüten, ist ein wirksames Mittel für Arbeitgeber:innen, um sich auf dem wettbewerbsorientierten Arbeitsmarkt zu profilieren. Sich als Bewerber:in wertgeschätzt zu fühlen, ist aber ebenso wichtig. Für viele hat die Pandemie zu längeren Arbeitszeiten, einer verschwommenen Grenze zwischen Privat- und Berufsleben, Angst um den Job und Kündigungen geführt. Deshalb fühlen wir uns in Karrierefragen gerade oft desillusioniert und frustriert.
Während wir also Bewerbungsaufgaben erledigen und uns an neue Umstände beim Bewerben anpassen, ist es unglaublich wichtig, dass sich Unternehmen unterstützend geben und die harte Arbeit, die du im Rahmen deiner Bewerbung investierst, zu schätzen wissen. „Es geht einfach um Respekt, darum, zu zeigen, dass du wertsgeschätzt wirst, und darüber nachzudenken, was für eine Art von Welt wir schaffen wollen“, sagt Pawan. „Meine eigenen Erfahrungen führen mir vor Augen, wie anders die Arbeitswelt sein könnte, wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen und Bewerber:innen ein wenig mehr zu schätzen wüssten.“
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