Ich stehe in der Umkleide eines eher exklusiven Fitnessstudios für Frauen und bespreche mit meiner Freundin meinen „dicken Hintern“. Als mir auffällt, was ich da gerade von mir gebe, ist es schon zu spät, denn wir sind schon gute 15 Minuten dabei, uns gegenseitig darin zu überbieten, wer denn bitte den ekelhafteren Körper hat. Ich schäme mich, denn ich begreife mich durchaus als Feministin und bin der Meinung, dass man – zumindest in der Öffentlichkeit – nicht so negativ über seinen eigenen Körper reden sollte. Wir sind nicht allein, um uns herum sind diverse Frauen*, die garantiert alle ähnlich negative Gedanken über ihre Körper haben und ich befeuere mit meinem Rant über meinen hässlichen Körper diese Selbstzweifel.
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Frauen* neigen ja in der Regel dazu, ihre Körper als nicht schön zu empfinden oder sie sogar zu hassen. Das liegt zum einen an den wirklich aberwitzigen Schönheitsidealen, die so spezifisch sind, dass kaum eine*r ihnen entsprechen kann. Da reicht schon ein Zentimeter zu viel irgendwo, eine Delle an der falschen Stelle, die Beschaffenheit von Bindegewebe, die Pigmentierung der Haut oder Haare, nicht zu vergessen Harre an der falschen Stelle, um nicht mehr ins Schönheitsideal zu passen. Das ist nicht nur frustrierend, sondern auch Ausdruck eines zutiefst sexistischen Systems, in dem Frauen* strukturell unterdrückt und zum Objekt gemacht werden, und der weibliche Körper Normierungen unterworfen und somit schon mal mangelhaft ist, weil er eben nicht männlich ist. Natürlich gibt es auch Schönheitsideale beim Mann, aber die sind weitaus lockerer gefasst und gehen nicht mit strukturellem Sexismus einher.
Das ist erschreckend und zeigt, wie schlimm es um das Selbstbild der meisten Frauen* bestimmt ist. Frauenkörper scheinen ein Allgemeingut zu sein, das jeder fröhlich kommentieren und kritisieren darf. Das fällt besonders auf, wenn ein Körper nicht der Norm entspricht. Diese Körper ziehen Blicke auf sich und werden beurteilt. Wenn Fünfjährige bereits auf Diät sind und junge Mädchen in dem Glauben aufwachsen, sie seien hässlich, dann läuft etwas falsch.
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Ich frage mich allerdings, ob es sinnvoll ist, ein autoritäres System durch ein anderes auszutauschen.
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Die Body-Positivity-Bewegung, an deren Spitze Feministinnen und Prominente wie zum Beispiel Ashley Graham stehen, wollen dem konstanten Hass von innen und außen jetzt die absolute Selbstliebe entgegensetzen. Sie meinen, alle Körper seien schön, und wenn man sich das wie ein Mantra jeden Tag selbst sagt, glaube man das auch irgendwann. Nicht nur wir selbst würden es glauben, auch alle um uns herum. Wenn ich mir also jeden Tag sage, dass ich und andere schön sind, so wie sie sind, werden diese per Definition als schön empfunden. Die Aktivist*innen zeigen also ihre Körper, die nicht dem bisher gängigen Schönheitsideal entsprechen und brüllen in die Welt und ins Internet hinaus, dass sie schön seien und dass das bitte jetzt auch jede*r so sehen soll. Man wird nicht automatisch schön, weil man sich selbst schön findet. Schönheit ist kulturell geprägt und ständigen Veränderungen unterworfen. Schönheit ist somit ein kompliziertes Konstrukt, das von außen definiert wird und das bedeutet leider, dass ich so laut ich bin schön brüllen kann, wie ich will, wenn die anderen das nicht so sehen, werde ich auch nicht schöner. Außerdem ist Schönheit kein Grundrecht, das jedem zusteht, wie zum Beispiel Nahrung. Und ich frage mich vor allem, ob es sinnvoll ist, ein autoritäres System („Nur dünne, große Frauen sind schön!“) durch ein anderes („Alle sind schön!“) auszutauschen.
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Selbstliebe um jeden Preis ist nämlich alles andere als eine entspannte Haltung zu sich und anderen. Außerdem bleibt es für mich fraglich, ob es tatsächlich etwas an gängigen Schönheitsidealen ändert, wenn jetzt ganz viele Menschen das Schönsein für sich beanspruchen, die vorher nicht so gelesen wurden. Ich persönlich empfinde die Body-Positivity-Bewegung als sehr starres System, das hauptsächlich einer intellektuellen Elite zugänglich ist und viel mit Schuldzuweisungen argumentiert, aber das hilft dem Großteil der Frauen* und Mädchen* nicht dabei, ihre Körper nicht mehr zu hassen. Es ist, mal ganz ehrlich gesagt, total belastend, wenn jetzt jede*r von uns auch noch schön sein muss. Denn ein System, das von bedingungsloser Selbstliebe geprägt ist, in dem alle immer total super sind, ist nichts für mich. Ich will mich auch mal doof finden dürfen. Ein kritischer Umgang mit sich selbst und anderen ist essentiell, um irgendwie auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben.
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Wenn wir nicht alle plötzlich krass schön sein müssen, sondern in einer Welt leben könnten, in der es genauso okay ist, nicht schön zu sein.
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Aber wie, wenn sich jede*r von uns an die eigene Nase fasst und nicht nur den Umgang mit sich selbst, sondern auch mit anderen grundlegend überdenkt. Wenn wir eine neue Normalität etablieren, in der Frauen* und Mädchen* nicht mehr durch ihre Körper definiert werden, sondern durch ihren Geist. Wenn wir vielleicht nicht alle plötzlich krass schön sein müssen, sondern in einer Welt leben könnten, in der es genauso okay ist, nicht schön zu sein. Wenn wir zumindest nicht negieren, dass es Tage gibt, an denen man sich einfach doof fühlt, weil man PMS hat, oder einen Pickel, der weh tut, oder schmerzende Beine.
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Schön, wenn ich schön bin, aber das ist kein Ziel, das ich mir jeden Tag setze. Stattdessen möchte ich netter zu mir und anderen sein, nicht mehr so schnell urteilen, nicht mehr über mich oder andere schlecht reden oder denken. Es ist okay, wenn mir das Aussehen einer anderen Person nicht gefällt. Es ist nicht okay, wenn ich dieser Person deswegen vorschreibe, wie sie*er sich zu kleiden hat. Es ist nicht okay, dieser Person ungefragt zu sagen, dass ich sie nicht schön finde. Genauso ist es nicht okay, wenn ich in der Umkleide meines Fitnessstudios stehe und mich nicht traue, dort die Duschen zu benutzen, weil die anderen meinen hässlichen Körper sehen könnten. Es ist okay, wenn man nicht will, dass fremde Menschen einen nackt sehen, aber sich selbst ekelhaft zu finden, ist kein Grund, der okay ist. Es ist okay, auch mal einen schlechten Tag zu haben. Es ist auch okay, keine Zeitschriften mehr mit retuschierten Frauen mehr zu kaufen. Es sollte eh immer okay sein, Kindern weibliche Vorbilder zu geben, die mehr als nur schön sind. Oder die einfach nicht schön sind.
Eine Sache muss ich der Body-Positivity-Bewegung allerdings lassen: Sich selbst jeden Tag zu sagen, dass man schön sei, ist auf jeden Fall gut fürs Selbstbewusstsein. Und Selbstbewusstsein ist immer schön.
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