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Hört auf mir vorzuschreiben, dass ich meinen Körper lieben muss

Foto: Guijarro Castillo.
Vorab: Dieser Artikel darf nicht falsch verstanden werden. Ich bin ein großer Fan und Befürworter von den neuen Strömungen, die vor allem seit der Feminismus-Welle unsere Feeds fluten. Diversity, Body Positivity und Self-Love sind wichtige Bewegungen, die Frauen auf der ganzen Welt helfen, sich in ihrer Haut wohl zu fühlen und ein wunderschönes Gemeinschaftsgefühl haben entstehen lassen. Doch mir fällt es, bei aller Liebe, zuweilen doch sehr schwer, mich zu akzeptieren. Ich rede hier nicht von Schönheitsidealen, denen ich entsprechen möchte. Es gibt einfach Tage, da fühle ich mich nicht wohl. Meine Haut ist fahl und ist da wieder eine neue Falte? Oh mein Gott, ich möchte nicht alt werden! Und überhaupt, was ist mit meinen Haaren los? An solchen Tagen scrollt man durch die Instagramaccounts von Frauen wie Ashley Graham oder Frances Cannon, die in Pionierarbeit Bilder ihrer Cellulite und haarigen Beinen posten. Doch anstatt mich besser zu fühlen, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Warum? Weil ich mich gut fühlen möchte, aber nicht gut fühlen kann. Statt mentalem Support bekomme ich also ein noch schlechteres und ich fühle mich wie jemand, der den Test nicht bestanden hat. Ich gehöre irgendwie weder zum Inner Circle der Braungebrannten Strandschönheiten noch zur Cool Gang mit Achselhaaren und lässiger Bindegewebsschwäche. Ich bin ein Hybrid. Schlank zwar, aber mit Makeln. Ich sehe auf Fotos immer aus wie ein Unfall und denke beim Blick in den Spiegel aber „Geht doch“. Auf Manrepeller stolperte ich gestern über einen Artikel von Romy Oltuski. Sie kritisiert in ihrem Beitrag den Zwang zur Selbstliebe – ein Aha-Erlebnis, da ich zuvor tatsächlich nicht darüber nachgedacht habe.
Ich muss mich nicht lieben. Es ist auch vollkommen in Ordnung, wenn ich mich „nur“ akzeptiere und Teile von mir ganz und gar nicht toll finde. Von der Selbstliebe zur Selbstneutralität. Das klingt erst mal ziemlich ernüchternd und nach Gleichgültigkeit. Doch Extreme sorgen immer für Exzess und übertriebenen Fokus. Wer jeden Tag mit dem Gedanken aufwacht, dass er unbedingt auch heute jede Zelle seines Körpers lieben muss, setzt sich unter unnötigen Druck. Ironisch ist auch, dass mit Bildern von Makeln gegen das System gekämpft wird, welches uns doch körperlichen Attribute überhaupt erst als Makel verkauft hat. Es ist mutig, Cellulite zu posten, obwohl 90 von 100 Frauen damit durch‘s Leben gehen. Keine Körperhaare zu haben ist der unnatürliche Zustand und dennoch applaudieren wir Frauen dafür. Das ist ein bisschen, wie die Sonne dafür zu loben, dass sie scheint. Du musst keine Bilder deiner Dehnungsstreifen posten, um dazuzugehören. Wie wäre es, wenn wir einfach alle Körper akzeptieren, in all ihrer Vielfalt, ohne permanent darüber zu reden? Die Frau da drüber hat unrasierte Beine. Ist sie mutig oder finde ich es unansehnlich? Wie wäre es, wenn sie einfach eine Frau mit unrasierten Beinen ist. Ohne Wertung, ohne Schublade, ohne Applaus und ohne Buhrufe. Wir sind erst am Ziel, wenn die Demokratie in beide Richtungen in unserem Kopf angekommen ist.
Ich werde weiterhin Tage haben, an denen mich diverse Körperteile traurig oder wütend machen. Ich werde aber auch daran denken, dass der Fettgehalt meiner Beine nichts mit meiner Intelligenz zu tun hat und salutiere stumm jeder Frau, die total Zen mit ihrem Körper ist. Meinem Körper zuliebe begegne ich ihm in Zukunft neutraler und mache so ein wenig Platz in meinem Oberstübchen für andere Dinge im Leben.

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