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Alles, was ich gerne vorher über meine Brustverkleinerung gewusst hätte

Foto: Daantje Bons.
Mein Rücken ist kalt, als ich mich auf die Krankenhausliege lege und darauf warte, meine unproportional großen Brüste von Profihänden abtasten zu lassen. Meine Brüste sind schwer und zerren am Fleisch meiner Schultern. Ich laufe inzwischen mit permanentem Buckel herum und krümme meine Wirbelsäule, um meinen Busen zu verstecken. Ich kann einfach nicht anders.
Die Ärztin kommt und bestätigt all die Gedanken, die mich seit Jahren plagen. Diese Brüste sind zu groß für mich – sie ziehen mich runter, ich brauche sie nicht. Genau genommen habe ich sie nie „gebraucht“, aber wann immer ich anderen von den Schmerzen erzählte – sowohl den körperlichen als auch den mentalen –, die mir mein eigener Körper bescherte, bekam ich darauf oft die gleichen Antworten zu hören: „Andere würden für diese Brüste viel Geld bezahlen!“, oder: „Ich würde sie dir sofort abnehmen!“, als seien sie eine Art T-Shirt, das ich einfach weiterreichen könnte.
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Mein persönlicher Geduldsfaden mit meinen Brüsten riss endgültig, als ich im letzten Sommer heiratete. Vor der Hochzeit musste ich mir ein spezielles Unterkleid anfertigen lassen – von jemandem mit Erfahrung im Flugzeugbau –, das meine Brüste hochhielt. Den Bodysuit, den diese Frau für mich baute, um meinen Busen anzuheben, hätte ich mir vorher nicht mal erträumen können. Er war rückenfrei und brach mit allen Gesetzen der Erdanziehungskraft – ein wahres Kunstwerk. Trotzdem fand ich all das wahnsinnig anstrengend, nicht zuletzt, weil ich an meinem Hochzeitstag sehr viel Zeit dafür verschwenden musste, dieses Konstrukt auszuziehen, um aufs Klo gehen zu gehen. Das war nervig, unbequem und wirklich das Letzte, was ich an diesem Tag eigentlich machen wollte. Während ich mir mein Hochzeitskleid mit großer Mühe wieder anzog, schaute ich in den Spiegel – und beschloss, dass ich die Schnauze voll hatte. Kurz darauf buchte ich mir mein erstes Beratungsgespräch zur Brustverkleinerung.
In den Wochen und Tagen vor meiner OP suchte ich auf TikTok nach Erfahrungsberichten zu einer Brustverkleinerung. Was hatte andere zu dieser Entscheidung bewegt? Wie war ihre Heilung verlaufen? Menschen aus aller Welt teilten ihre Erlebnisse in genau den sozialen Netzwerken, in denen ich und andere schon so viel Bodyshaming und Negativität erfahren hatten. Eine Frau empfahl, auf dem Handy einen Foto-Ordner mit Bildern von „perfekten Brüsten“ anzulegen, weil „kleiner“ sehr subjektiv ist. Mein Blick auf Social Media änderte sich total. Sie können wahnsinnig toxisch sein – und doch hatte ich hier eine kleine, unheimlich befreiende Ecke des Internets entdeckt.
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Auf die Operation bereitete ich mich vor wie auf eine Schlacht. Ich stattete mich komplett neu aus: Ich kaufte neue Pyjamas zum Zuknöpfen, Kompressions-BHs und einen stützenden Keil aus Hartschaum, auf dem ich nachts schlafen konnte. Den Tag der OP und meinen Heilungsprozess dokumentierte ich auf Instagram – zuerst nur beschränkt auf „Enge Freunde“, weil ich Angst vor den Reaktionen hatte. Diese Angst war unbegründet. Freund:innen aus aller Welt schrieben mir, sie hätten selbst schon über den Eingriff nachgedacht, und einige erzählten mir, sie hätten sich der OP sogar schon heimlich unterzogen. Uns alle schien derselbe Wunsch zu verbinden: die Sehnsucht danach, in einem schmerzfreien Körper zu leben. Die 54-jährige Sarah schrieb mir: „Nach der OP waren die Anspannung und Schmerzen in meinem Oberkörper einfach weg.“ Und mir wurde noch etwas klar: wie schwer es ist, die Kosten für eine Brustverkleinerung von der Krankenkasse übernehmen zu lassen.
In Deutschland muss die Brust dafür mindestens zwei Prozent des Körpergewichts ausmachen und Schmerzen am Brustansatz auslösen. Wer diese Bedingungen nicht erfüllt, muss selbst zahlen – und diese Kosten belaufen sich in Deutschland auf rund 5.000 bis 8.000 Euro. Der plastische Chirurg Dr. Omar Tillo sagt dazu: „Das ist eine nicht-ideale Situation. Diejenigen, die sich die Operation nicht leisten können, haben keine andere Option, als zu leiden.“ Für mich war die Brustverkleinerung eine lebensverbessernde OP. Die sollte kein Luxus sein. Sie eine Notwendigkeit, um ein schmerzfreies Leben in einem Körper führen zu können, der sich wie deiner anfühlt – wie zuhause. 
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Am Abend vor der Operation empfand ich viel Trauer. Ich und meine Brüste hatten bis dahin alles zusammen durchgestanden. Ich erinnere mich noch daran, wie sie während meiner Pubertät auftauchten – quasi über Nacht, klobig und schwer. Meine Schuluniform kam mit dem Druck nicht klar. Das erste Mal, als mir ein Knopf von der Bluse sprang, hüpfte er quer durchs Klassenzimmer und kam vibrierend unter dem Lehrertisch zum Stillstand. Von da an trug ich immer Pullover über meiner Bluse, aus Angst, einen weiteren Knopf zu verlieren. Seitdem bestand mein Kleidungsstil aus lockeren Oberteilen und Schals, um von meiner Oberweite abzulenken. Nach der OP wollte ich diese ganzen Klamotten verbrennen, um meinen neuen Körper zu zelebrieren – einen, in dem ich endlich so leben konnte, wie ich es wollte.
Als ich am Tag der Operation mein Krankenhaushemdchen anhatte, lief ich selbst zum OP-Saal. Meine Gummisohlen-Socken quietschten, als ich mich auf die OP-Liege legte. Um mich vom Stechen der Nadel abzulenken, die mir in eine Vene gepikst wurde, schloss ich meine Faust um einen Kamm. Nach gefühlt nur wenigen Sekunden kam ich im Aufwachraum wieder zu Bewusstsein – und spürte direkt, dass mir wortwörtlich eine riesige Last von den Schultern gefallen war. Erst, als ich wieder in meinem Zimmer war, sah ich mir meine neuen Brüste genauer an. Die zwei tiefen, auberginefarbenen Narben sind heute Teil meines neuen Ichs. Aus meinen alten Nippeln wurden neue geformt. Ich habe mehrere Kilogramm an Gewebe verloren. Meine neue Brust ist wunderschön, perfekt.
Als ich wieder zu Hause war, begann der Heilungsprozess, und der lief weniger perfekt. Nässende Wunden bluteten durch mein T-Shirt, während ich im Café auf meinen Kaffee wartete – ein Blutfleck auf einem naiv ausgewählten weißen Top. Entzündungen rissen meine Haut wieder auf und öffneten ein Fenster zu den darunterliegenden Muskeln. Jeden Tag dokumentierte ich privat die Fortschritte meines Körpers. Eine Kontrolluntersuchung folgte der anderen, während die Medikamente meinen rebellierenden Körper unter Kontrolle brachten.
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Es dauert eine ganze Weile, aber irgendwann ist auch all das vorbei. Schwellungen lassen nach, Narben beruhigen sich. Das Ergebnis: Meine Brüste tragen nun nicht mehr eine Körbchengröße G, sondern eine B. Ich habe meine Operation keine Sekunde lang bereut. Stattdessen bereue ich es, meinen Instinkten nicht schon vor Jahren vertraut zu haben. Meine Schmerzen waren nicht normal – und definitiv nichts, was ich jemals hätte akzeptieren sollen.
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