Über Geld spricht man nicht – oder doch? Besonders in Deutschland ist es wahnsinnig verpönt über das Gehalt zu reden, in anderen Ländern sieht es hingegen ganz anders aus. In den USA gehört es quasi zum guten Ton, über sein Gehalt zu reden, viele Stellenausschreibungen enthalten sogar einen festen Betrag für das Gehalt, was ziemlich praktisch ist, denn so erspart man sich den Eiertanz beim Bewerbungsgespräch. Aber ist es überhaupt verboten über das Gehalt zu sprechen und kann mein*e Arbeitgeber*in mir verbieten, mit meinen Kolleg*innen über unsere Gehälter zu reden?
So sieht's rechtlich aus
Fast alle Arbeitsverträge enthalten eine allgemeine Geheimhaltungspflicht oder Verschwiegenheitsklausel, was einfach ausgedrückt bedeutet, dass keine Firmengeheimnisse an Dritte weitergegeben werden dürfen. In vielen Firmen ist es sogar vertraglich festgelegt, dass man mit den Mitarbeiter*innen nicht über das eigene oder das Gehalt von anderen reden darf. Bis auf wenige Ausnahmen, zum Beispiel in manchen Führungspositionen, ist das allerdings nicht rechtens, denn Arbeitsgerichte haben entschieden, dass diese Klauseln Persönlichkeitsrechte verletzen oder „den im Arbeitsrecht geltenden Gleichbehandlungsgrundsatz“ widersprechen können. Hinzu kommt, dass solche Klauseln oftmals gar nicht nötig sind, denn es baut schon genug sozialen Druck auf, wenn einen die Chefin kumpelhaft zu Seite zieht und einen freundlich bittet, doch bitte nicht mit den anderen über das Gehalt zu sprechen, damit es nicht zu schlechter Stimmung im Büro kommt.
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Wieso viele so ungern über Geld reden
Fragt man die breite Masse, dann ist die Meinung sehr verbreitet, über Gehälter zu reden würde zu schlechter Stimmung im Team führen. Man vergleicht sich ja immer irgendwie mit den anderen und die Unzufriedenheit im Job könnte steigen, wenn die Kolleg*innen mehr Geld als man selbst verdient, denn Geld bedeutet immer auch Hierarchie und einige könnten sich ungerecht behandelt fühlen – was auch sicher in einigen Fällen so ist. Es werden also die negativen Aspekte herangezogen, die auch nicht von der Hand zu weisen sind, jedoch hilft das Schweigen über das Gehalt doch dabei, strukturelle Ungleichheiten zu verschleiern. Gar nicht über das Gehalt oder zumindest über Tendenzen in der Vergütung zu reden, bringen letztlich also hauptsächlich den Arbeitgeber*innen etwas, da diese fröhlich und willkürlich gleiche Arbeit ungleich bezahlen können.
Nicht immer macht ein Vergleich mit Kolleg*innen jedoch Sinn. Das Gehalt hängt von vielen weiteren, unter anderem sehr plausiblen Faktoren wie Berufserfahrung und Qualifikationen ab und es macht wenig Sinn, sich als Berufseinsteiger*in an den Seniors im Unternehmen zu messen. Was man aber machen kann, ist eben jene Seniors zu fragen, mit welchem Gehalt man denn so beim Berufseinstieg rechnen kann. Es ist außerdem sehr hilfreich, vorher zu recherchieren und Leute zu fragen, die diesen Job schon mal gemacht haben, was diese damals so verdient haben. Eventuell kann man auch zukünftige Kolleg*innen fragen, wenn das möglich ist und man bereits zu einer Person im Unternehmen Kontakt hatte – als Erstkontakt ist davon eher abzuraten. Die Frage könnte auch auf Gegenwehr stoßen, da viele einen als Konkurrenz wahrnehmen und sich durch die bloße Auskunft bereits bedroht fühlen.
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Genau das ist mir bereits passiert, sogar in einem Umfeld, das sich tendenziell eher als sensibilisiert gegenüber strukturellen Ungleichheiten und Gehalt bezeichnet. Ich habe eine zukünftige Kollegin gefragt, was ich denn so verlangen könnte, wir hatten exakt den gleichen Job und auch eine sehr ähnliche Berufserfahrung. Die Person, die ich bis zu dem Zeitpunk vollkommen anders eingeschätzt hatte, wollte es mir ums Verrecken nicht sagen, faselte etwas von einem „speziellen Deal“ und schlug mir dann einen Betrag vor, der deutlich niedriger angesetzt war als ihr eigenes Gehalt. Das kann passieren, deswegen sollte man sich niemals auf nur eine Person bei der Recherche verlassen. Natürlich musste mir die Person nicht sagen, was sie verdiente oder in welchem Bereich ich meine Gehaltsvorstellungen ansetzen sollte, jedoch wäre es nett gewesen und hätte dazu beigetragen, dass gleiche Arbeit und Erfahrung gleich bezahlt wird.
Über das eigene Gehalt zu reden ist für viele Leute eng mit dem Ego verbunden, was aber ehrlich gesagt unnötig ist. Die Sache ist nämlich die, dass man selbst nicht plötzlich weniger verdient, nur weil man einer anderen Person geholfen hat, auch einen coolen Deal herauszuschlagen.
Lasst uns über den Gender Pay Gap sprechen
Mir wurden bei einem Vorstellungsgespräch 5.000 Euro weniger Jahresgehalt angeboten als einem männlichen Kollegen in einer gleichwertigen Position. Ich habe zum Glück gelernt, gut zu verhandeln und habe mich mit diesem Angebot nicht abspeisen lassen und mehr verlangt – und den Job bekommen. Natürlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie viel mein männlicher Kollege verdient, aber ich hatte vorher gründlich recherchiert und der mir vorgeschlagene Betrag kam mir wirklich sehr niedrig angesetzt vor. Obwohl ich nicht ja und Amen zu diesem unverschämten Angebot sagte, verhandelte und dann das gleiche Gehalt wie die Männer verdiente, bekam ich den Job.
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Das ist ja eine große Angst, die gerade Frauen* hemmt, dass da gleich 100 billigere Arbeitskräfte auf den Job lauern, den man sich gerade mit einer (fairen) Gehaltsvorstellung versaut hat. In den meisten Fällen ist das aber unbegründet, denn gute Arbeitskräfte zu finden ist nicht leicht und bei der Auswahl der Bewerber*innen zählen sehr viel mehr Faktoren als nur die Gehaltsvorstellungen. Ich hatte verhandelt und es hat geklappt, trotzdem verdiente ich nur das Gleiche wie mein Kollege, denn ich verfügte zu diesem Zeitpunkt bereits über mehrere Jahre Berufserfahrung, für ihn war es der erste Job. Dieses hippe, ach so tolle Start-up hatte also massiv versucht, mich im Gehalt zu drücken. Ich fand das nur heraus, weil ich mit meinen Kolleg*innen über mein und ihr Gehalt redete. Wir halfen so auch einer anderen Kollegin bei den Nachverhandlungen, denn sie verdiente anfangs wirklich lächerlich wenig.
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Über das Gehalt zu reden kann man als politischen Akt verstehen, denn so werden Ungleichheiten aufgedeckt, die sonst unbemerkt im Verborgenen vor sich hin existieren würden.
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Es ist ja so, dass (cis) Frauen* generell in Vorstellungsgesprächen weniger Gehalt verlangen, da sie ihren Wert grundsätzlich geringer einschätzen als (cis) Männer*. Schon kleinen Mädchen wird vermittelt, sie sollen bitte gütig und bescheiden sein, nicht zu fordernd auftreten und bitte immer erst nach dem Wohl der anderen schauen, um anderen nicht auf den Schlips zu treten, Schlips kann hier durchaus wörtlich genommen werden, denn noch viel zu oft sind Chefs Männer, die ehrgeizige und forsche Frauen* als tendenziell unangenehm empfinden. Männer*, die selbstbewusst auftreten und ein viel zu hohes Gehalt im Vorstellungsgespräch verlangen, werden hingegen als ehrgeizig und kompetent wahrgenommen und man(n) ist viel eher bereit, ihnen mehr Geld und auch mehr Kompetenz für gleiche Arbeit zuzusprechen. Dass Frauen weniger verdienen, ist eine belegte Realität. Um das zu ändern, müssen Gehälter offengelegt werden. Über Geld zu reden kann man durchaus als politischen Akt verstehen, denn so werden Ungleichheiten aufgedeckt, die sonst unbemerkt im Verborgenen vor sich hin existieren würden. Wer sich also sonst nicht traut, sonst in irgendeiner Art und Weise politisch aktiv zu werden, kann es ja mal damit probieren.
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Über Gehalt reden ja, aber richtig
Wie also über Geld reden, ohne in ein Fettnäpfchen zu treten? Wichtig ist, dass überhaupt darüber geredet wird. Klar, man wird immer wieder Leute vor den Kopf stoßen und sich nicht nur Freund*innen damit machen, aber für die größere Sache – nämlich strukturelle und tatsächliche Ungleichheiten zu bekämpfen und Leuten dabei zu helfen, dass ihre Arbeit richtig entlohnt wird – lohnt es sich wieder. Man selbst kann mit gutem Beispiel vorangehen und offen über das eigene Gehalt reden und den anderen so die Hemmschwelle vor dem Thema nehmen. Vielleicht sollte man sein Jahreseinkommen jetzt nicht laut auf dem Flur rumbrüllen, aber in einer passenden Situation kann eine Andeutung schon ganz hilfreich sein. Selbstständige können offen mit anderen Selbstständigen über Tagessätze und Leistungen reden. Aber vor allem ist es wirklich äußerst wichtig, die Kolleg*innen nicht als Konkurrenz zu sehen.
Natürlich kann man nicht jede*m blind vertrauen, denn nicht jede*r meint es gut mit einem, aber es kann nicht schaden, sich zumindest vorsichtig umzuhören. Besondern unter Freund*innen sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass man sich gegenseitig hilft. Wer etwas mehr Berufserfahrung hat, kann Jüngeren helfen, den richtigen Weg einzuschlagen. Auch die jungen Wilden sind keine Konkurrenz, sie sind die Zukunft. Nichts ist bestärkender, als für alle Transparenz zu schaffen. Dadurch hat man die Möglichkeit, sich selbstbewusst mit seinem Wert auf dem Markt zu behaupten. Darüber hinaus sind Offenheit und Sichtbarkeit das A und O bei der Entmachtung patriarchaler Strukturen. Außerdem würden dann tatsächlich Leistung und Qualifikation zählen und nicht mehr nur Verhandlungsfähigkeit und ein zeitweise unangemessen großes Ego.
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