Ich kenne einige ziemlich clevere, witzige und tolle Frauen, die sich momentan durch den modernen Dating-Dschungel schlagen müssen. Drei von ihnen berichteten mir neulich, dass es sie in den Wahnsinn treibt, wenn Männer mit hässlichen Schuhen zum Date kommen. Ich fand das erstmal irgendwie oberflächlich. Aber als ich so drüber nachdachte, konnte ich es ehrlich gesagt ziemlich gut nachvollziehen: Viele Frauen verbringen Stunden damit, sich auf ein Treffen vorzubereiten, indem sie waxen, zupfen, peelen und cremen. Ist es da echt zu viel verlangt, dass dein Date nicht mit spitz zulaufenden, seltsam glänzenden Lederschuhen aufkreuzt?
Meine Freundinnen erzählten mir noch von anderen Dealbreakern und No-Gos beim Dating; hässliche Schuhe waren bei weitem nicht die größte Überraschung. Gut, einige konnte ich verstehen: Kinderhass, Bindungsangst, Trump-Support. Andere wiederum waren an der Grenze zur Oberflächlichkeit. „Komische Waden, kleines Kinn und seltsame Gesichtsfarbe. Und wenn er an seinem Essen riecht, bevor er es probiert“, sagte zum Beispiel eine Bekannte von mir. Aber nicht nur Singles, auch Menschen in Beziehungen haben so ihre Regeln. Eine Freundin, die gerade geheiratet hat, erzählte mir von ihrem Hauptausschlusskriterium: „Wenn er eine Xbox hat und erwartet, dass ich ihm beim Spielen zuschaue.“ Ich kann jetzt nur annehmen, dass ihr frischangetrauter Ehemann das nicht macht. Ansonsten wäre das ein sehr deutliches Zeichen dafür, dass nach ihrer Hochzeit auch der letzte Rest rosaroter Brille ziemlich rasant in passiv-aggressives Verhalten umgeschlagen war.
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Sind wir zu kritisch bei der Partner*innenwahl?
Mein guter Freund Paul ist ein aufgeklärter Mensch und so überraschte es mich nicht, dass er das Leugnen des Klimawandels als absolutes No-Go angab. Da er aber auch ein Ästhet ist, fügte er schnell hinzu, dass hässliche Schuhe direkt dahinter auf Platz zwei kämen. Nadia, eine weitere Freundin von mir, sagte, dass sie keine Frauen daten könnte, denen ihr Aussehen „ein bisschen zu wichtig“ sei. Auch lange, künstliche Fingernägel seien ein Dealbreaker. Eine ehemalige Kollegin erzählte mir mal von einer sehr spezifischen Sorte Mann, die sie sofort auf den Mond schießen würde: „Den Schlaue-Artikel-Langweiler“. Sobald ihr Gegenüber Sätze wie „Das habe ich neulich im Handelsblatt gelesen“ oder „Hast du schon einen Blick in die letzte Ausgabe des New Yorker geworfen?“ von sich gibt, ergreift sie schneller das Weite, als er den Spiegel aufschlagen kann. „Das ist mir einfach zu angebermäßig, zu pseudo-intellektuell. Bilde dir doch einfach mal deine eigene Meinung, bevor du irgendwelche Gedanken zitierst, von denen landläufig angenommen wird, dass sie wohl schon clever sein werden…“
Was mir bei meiner Recherche durch meinen gesamten Freundes- und Bekanntenkreis auffiel: Einige hatten in ihrem Kopf schon eine ganze Liste von Kriterien, während andere nur einen einzigen, extrem schwerwiegenden Grund zum sofortigen Abschuss nennen konnten. Meine drei Top-Antworten hier waren: „fährt kein Ski“ von einer Freundin, die sechs Monate im Jahr in den Bergen verbringt, „eine Frau, die nur unten liegen will“ von meinem Kumpel Charles und „klein“ von einer ehrlich gesagt selbst nicht besonders großen Bekannten.
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Viele meiner heterosexuellen, cis-männlichen Freunde konnten mir keine besonders ausgereiften Antworten geben. Am häufigsten hörte ich „heiß“ oder (immerhin) „nicht dumm“. Wobei ich nicht sicher bin, ob der in der Tat auffallend spezifische Anforderungskatalog, den ein Freund mir präsentierte, wirklich besser war: „Sie sollte skifahren, segeln und reiten können“. Suchte er eine Fünfkampfpartnerin oder eine Freundin?
Diese Beobachtung bestätigte mir die Datingexpertin Lydia Davies, die bei der Partnervermittlung Mutual Attraction arbeitet: Während Frauen in der Regel sehr lange und ausgesprochen detaillierte Anforderungslisten führten, wären die Kriterien bei heterosexuellen Männern normalerweise nicht so tiefgreifend. „Aussehen und Alter“, erklärt sie nüchtern. Ja, manchmal ist es einfacher, als man denkt. Und was ist mit Frauen, die sich ausführlich mit den Kardashians auseinandersetzen, beim Essen schmatzen oder Star Wars hassen? Tja. Ich frage sie, ob sie Männer oberflächlich findet, weil sie so stumpfe Kriterien angeben. „Viel oberflächlicher, klar. Aber wenn man drüber nachdenkt, hat das Alter einer Frau auch oft direkt mit einem Kinderwunsch zu tun. Oder jedenfalls behaupten das viele…“
Mir wurde bewusst, dass No-Gos und Dealbreaker komplizierter sind, als man annehmen könnte. Viele von ihnen wirken erstmal oberflächlich und trivial, aber enthalten auf den zweiten Blick wichtige Entscheidungen, die direkte Auswirkungen auf das Leben der Leute haben. Lydia Davies’ Beobachtungen über Männer, die sich Kinder wünschen und deswegen jüngere Frauen bevorzugen, kann auch die Beziehungsexpertin Jo Barnett bestätigen. Sie stellt jedoch klar, dass nicht nur Männer oberflächlich sind. Wie hoch das Einkommen eine*r potenziellen Partner*in ist, ist für heterosexuelle Frauen ebenfalls ein nicht zu unterschätzender Faktor. Vor allem cis-Frauen würden „schon sehr früh darauf konditioniert, nach einem [männlichen] Partner Ausschau zu halten, der sie finanziell versorgen und ihr ein stabiles Zuhause bieten kann. Klar haben sich die Zeiten mittlerweile geändert, aber die Auffassung, dass der Mann der Versorger zu sein hat, ist nach wie vor weiter verbreitet, als man glauben könnte.“
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Sowohl Barnett wie auch Davies nennen aber auch noch einen anderen wichtigen Einflussfaktor auf unsere Wahrnehmung: Social Media. Unter #couplegoals sehen wir Tag für Tag, wie das vermeintlich perfekte Paar miteinander auszusehen hat. Wie unsere Beziehung von außen wirkt, gewinnt in einer Welt, in der wir uns selbst immer häufiger durch die Instagram-Perspektive beobachten, stark an Bedeutung. „Unsere Kultur ist von der Zurschaustellung von gutem Aussehen und Erfolg nahezu besessen. Die Menschen erwarten mittlerweile Perfektion und dass alle ihre Idealvorstellungen in eine*r Partner*in zusammenkommen. Das ist ihnen wichtiger, als jemanden zu finden, mit dem oder der sie gemeinsam wachsen und lernen können, Kompromisse einzugehen“, sagt Davies. Diese Suche nach Perfektion wird durch Dating-Apps noch auf die Spitze getrieben. Lydia Davies glaubt, dass Singles durch die immer wieder neu erscheinenden Menschen auf ihrem Handyscreen den Eindruck bekommen, da draußen würden unendlich viele potenziellen Partner*innen auf sie warten. „Deswegen sind sie überkritisch, wenn es darum geht zu entscheiden, wer überhaupt eine Chance bekommt.“
Aber was sind denn nun die Anforderungen, auf die es wirklich ankommt? Bei mir persönlich sind es Bücher. Ein Mann, der gerne liest und neugierig auf die Welt da draußen ist, ist für mich sofort attraktiv. Mit meinem aktuellen Freund saß ich nur einige Minuten beim ersten Date, da hatte ich ihm schon die Frage gestellt, welches Buch er als letztes gelesen hatte. Macht mich das zu einem intellektuellen Snob? Zu einem oberflächlichen Lesewurm? Möglich. Aber für mich zeigt das an, ob ich mit einem Menschen auf einer Wellenlänge bin. Und ist das am Ende nicht, was in einer Beziehung zählt? Jo Barnett findet, ja. „Dealbreaker und Anforderungen sind wichtig. Wenn du aus Erfahrung weißt, was für dich passt und was nicht, kannst du klare Entscheidungen treffen und eine Beziehung führen, die zu dir passt. Die Grundwerte zweier Menschen müssen übereinstimmen, damit eine Partnerschaft erfolgreich sein kann. Mein Ratschlag für alle Singles da draußen ist deshalb, nach jemandem Ausschau zu halten, der oder die eine ähnliche Auffassung vom Leben hat und die gleichen Werte vertritt.“
Ich möchte dem noch eine Kleinigkeit hinzufügen: Du musst einen Menschen, der zum ersten Date mit Birkenstocks auftaucht, nicht sofort in den Wind schießen. Du solltest ihn aber vielleicht fragen, wo er sich in fünf Jahren sieht. Sollte die Antwort darauf „Immer noch in Birkenstocks“ lauten, kannst du dir die Sache ruhig nochmal überlegen.
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