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Mein Körper galt immer als attraktiv – bis ich im Rollstuhl saß

Während meiner 31 bisherigen Lebensjahre haben Ableismus und Fetischisierung einen großen Teil meiner Beziehungen geprägt. Ich bin eine queere Latina und wurde aufgrund meiner Wurzeln schon als „spicy“ bezeichnet, während viele meine Bisexualität so deuteten, als sei ich sexuell für alle verfügbar. Diese Stereotypen sind unwahr, unfreundlich und gefährlich. Trotzdem gaben sie mir immer das Gefühl, begehrenswert zu sein – wenn auch aus echt problematischen Gründen. Ich hätte demnach nie damit gerechnet, wie sehr sich das alles änderte, als mich meine Behinderung dazu zwang, zumindest teilweise einen elektrischen Rollstuhl zu benutzen.
Während meiner Kindheit und Jugend hatte ich ein starkes Selbstbewusstsein. Das war quasi unvermeidbar, weil mir mein puertoricanischer Vater immer wieder eintrichterte, dass ich als Lausell auf zwei Dinge zählen konnte: auf mein gutes Aussehen und das Talent, mich mit allen anzufreunden. Mit anderen Eltern hätte ich mich selbst von Kindesbeinen an vielleicht nicht in so einem positiven Licht betrachtet. Ich wurde mit Spina bifida (auch „offener Rücken“ genannt) geboren, ein Neuralrohrdefekt, der die Wirbelsäule beeinträchtigt und eine teilweise Lähmung der Füße und Beine bewirken kann. Manche Betroffene haben daher Schwierigkeiten mit dem Laufen, Stehen oder dem freien Herumbewegen.
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Während ich lernte, meine Behinderung zu bewältigen, vermittelte mir mein Vater: Meine Identität war nicht nur bestimmt von meiner Familienabstammung, sondern auch von meiner Spina bifida. Wir zelebrierten meine medizinische Geschichte und die Schönheit meiner Narben. Tatsächlich schämte ich mich daher auch nie dafür, meine Narben zu zeigen oder zu Dates oder Verabredungen mit Freund:innen mit einem Gehstock aufzutauchen. Ich wusste immer, dass ich eine tolle Frau mit einer Behinderung war.

Ich schämte mich nie dafür, meine Narben zu zeigen oder zu Dates oder Verabredungen mit Freund:innen mit einem Gehstock aufzutauchen. Ich wusste immer, dass ich eine tolle Frau mit einer Behinderung war.

Als ich anfing, Freundschaften zu knüpfen und auf Dates zu gehen, war mir mein eigener Wert demnach bewusst, und ich konnte diese Situationen ganz entspannt und selbstbewusst angehen. Ob nun in der Liebe oder in Freundschaften: Ich fühlte mich gewollt. Beim Dating merkte ich, dass mich andere begehrten, obwohl sie mich manchmal wegen meiner kulturellen Identität und Queerness fetischisierten und meine Behinderung ignorierten, als sei sie von mir getrennt. Sie nannten mich „spicy Latina“ oder dachten, ich sei „leicht zu haben“, weil ich allen Genders gegenüber offen war. Vielleicht, um sich diese Fantasie zu bewahren, versuchten sie gar nicht erst, meine Behinderung irgendwie zu kategorisieren.
Manchmal passierte aber auch das Gegenteil. Manche schienen gar nichts außer meiner Behinderung zu sehen und sagten mir, es sei ihnen zu viel. Nichts anderes an mir schien für sie zu zählen. Sie betrachteten mich als „defekt“, und das war alles, was sie interessierte.
Solche Erfahrungen machte ich sowohl innerhalb der queeren als auch in der lateinamerikanischen Dating-Szene. Beide dieser Communitys haben bis heute ein großes Problem damit, Behinderungen zu akzeptieren, und nehmen sich nur selten die Zeit, uns zu verstehen. Was das Ganze noch schwerer macht, ist, dass solche Communitys häufig an Orten zusammenfinden, die für uns körperlich schlichtweg nicht zugänglich sind – und uns damit ausgrenzen.
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Ich hatte mit der Zeit gelernt, mein individuelles Sozial- und Liebesleben zu meistern. Dann aber kam der Rollstuhl in mein Leben, und alles stand plötzlich Kopf.

Freundschaften waren oft genauso schwierig. Manche Menschen in meinem Umfeld hatten eine Art Helfersyndrom und freundeten sich nur mit mir an, um sich selbst gut zu fühlen, weil sie mit einer Person mit Behinderung befreundet sind. Wann immer sie dann aber mit der Realität dessen konfrontiert wurden, was es wirklich bedeutet, mit mir befreundet zu sein – und beispielsweise keinen Zugang zu einem Gebäude zu haben, oder mich spontan ins Krankenhaus bringen zu müssen –, verliefen diese Freundschaften dann doch schnell im Sand.
Obwohl ich solche Enttäuschungen in romantischen und platonischen Beziehungen erlebte, machte ich doch nicht nur negative Erfahrungen. Ich war schon mit Leuten zusammen oder befreundet, die mich und all meine intersektionalen Identitäten respektierten; das kam aber leider nicht so oft vor, wie ich es vielleicht verdient hätte. Trotzdem war das damals eben meine Realität, und ich hatte mit der Zeit gelernt, mein individuelles Sozial- und Liebesleben zu meistern. Dann aber kam der Rollstuhl in mein Leben, und alles stand plötzlich Kopf.
Merkwürdigerweise wurde ich unsichtbarer, als ich anfing, den Stuhl zu benutzen. Meine Freund:innen mit Behinderung, die rund um die Uhr im Rollstuhl sitzen, hatten mich davor bereits gewarnt. Sie erklärten mir, dass mir der elektrische Rollstuhl zwar mehr Freiheiten eröffnen würde, mich aber auch isolieren und anstrengen würde, weil mich andere daraufhin anders behandelten. Sie sagten, es würde eine riesige Umstellung für mich bedeuten, von der Teilzeit-Gehstock-Nutzerin zur Teilzeit-Rollstuhl-Fahrerin überzugehen. Und sie hatten tatsächlich Recht.

Anstatt meinen Rollstuhl dafür zu lieben, dass er mir so viel Freiheit schenkte, hasste ich ihn dafür, dass er mein Leben so drastisch verändert hatte.

Leute hörten auf, in der Öffentlichkeit mit mir zu reden. Wenn ich mit Freund:innen unterwegs war, wurden sie von Fremden über mich angesprochen. Wenn ich „Verzeihung“ sagte, um andere zu bitten, mir den Weg freizumachen, ignorierten sie mich. Und es war auch nicht viel besser, wenn sie dann doch mit mir sprachen. Manche kamen auf mich zu, um mir zu sagen, wie „mutig“ es doch von mir sei, mich so in der Öffentlichkeit zu zeigen. Ohne dass ich sie darum gebeten hätte, fügten sie häufig noch etwas hinzu – zum Beispiel, dass sie ja niemals jemanden wie mich daten könnten, wegen meines Rollstuhls. Und obwohl es für mich natürlich nichts Neues war, gesagt zu bekommen, ich sei aufgrund meiner Behinderung „undatebar“, taten solche Kommentare doch jedes Mal weh. Dabei hatte sich ja an mir eigentlich gar nichts geändert, abgesehen davon, dass ich jetzt sitzend durch die Gegend fuhr. Ich war immer noch dieselbe tolle Andrea, nur eben mit ein paar neuen Reifen.
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Obwohl ich mir Mühe gab, mich auf diese Veränderungen einzustellen, hätte ich vorher nicht gedacht, dass sie mich auch mental verändern würden. Die Isolation, die ich plötzlich in der Dating-Welt und in meinem Freundeskreis, sowie in meinen queeren und lateinamerikanischen Communitys zu spüren bekam, überforderte mich total. Ich hatte plötzlich nicht mehr das Gefühl, irgendwo dazuzugehören. Mein Selbstwert, meine Attraktivität, meine Identitäten – alles war zu viel. Ich fing an, mein Aussehen selbst überkritisch zu betrachten. Ich fixierte mich darauf, wie ich mit meinem Umfeld sprechen sollte, damit sich alle in meiner Nähe wohl fühlten. Ich bemerkte, dass ich meine Behinderung langsam zu hassen begann, weil sie dafür sorgte, dass sich andere nicht für mich interessierten. Anstatt meinen Rollstuhl dafür zu lieben, dass er mir so viel Freiheit schenkte, hasste ich ihn dafür, dass er mein Leben so drastisch verändert hatte. Mir ging es furchtbar, weil mich andere so behandelten. Zum ersten Mal hatte ich nicht das Gefühl, mich problemlos mit anderen anfreunden zu können. Plötzlich hatte ich beide Lausell-Garantien, die mir mein Vater versprochen hatte, scheinbar verloren.

Wir verdienen es, uns begehrenswert und als Teil der Community zu fühlen.

Ich benutze meinen elektrischen Rollstuhl jetzt seit fast einem Jahr, und manche meiner Lebensbereiche haben sich seitdem wieder verbessert: Ich war auf Dates und habe neue Freundschaften geknüpft, in denen mir andere klar machten, dass ich nicht „zu viel“ bin – weder mit noch ohne Rollstuhl. Es gab viele Abende, an denen ich bis spät mit Freund:innen zusammensaß und mit ihnen heulte, oder auch allein. Ich habe aktiv daran gearbeitet, mir selbst mehr Verständnis und Nachsicht entgegenzubringen und mich zu begehren, selbst wenn es andere nicht tun. Ich habe mich enorm darum bemüht, mein Selbstbewusstsein wiederzuerlangen.
Meine Erfahrungen mit meiner dynamischen Behinderung und neuen Mobilitätshilfe sind kein Einzelfall. Tatsächlich haben viele andere Menschen mit Behinderung schon Ähnliches durchgemacht.
Ich hoffe, dass Menschen ohne Behinderung von uns lernen und sich selbst auch mal fragen, wieso sie sich eigentlich mit Behinderungen und unserer Community so unwohl fühlen. Wenn Menschen ohne Behinderung aktiv versuchen, ihre Vorurteile abzulegen, hilft das Menschen mit Behinderung, einen Platz in der Gesellschaft einzunehmen, ohne sich darüber den Kopf zerbrechen zu müssen, ob sie ihn sich auch verdient haben. Wir verdienen es, uns begehrenswert und als Teil der Community zu fühlen. Wir und unsere Mobilitätshilfen sollten mehr wertgeschätzt werden. Wir haben ein Recht darauf, unsere Behinderung auch ganz offen zu präsentieren. Ja, mein Rollstuhl hat meine Attraktivität als queere Latina mit Behinderung verändert, und ja, es war eine schwierige Veränderung. Aber er hat auch verändert, wie ich heute mit anderen in Kontakt trete und mich selbst betrachte – und hat mir damit noch tiefere Bindungen eröffnet. Dafür bin ich meinem Rollstuhl dankbar. Genau wie für die Freiheit, die er mir in dieser Welt ermöglicht.

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