Angefangen hat alles mit Über-Diät-Queen Gwyneth Paltrow, die von den vielen Vorteilen einer basischen Ernährung sprach. Der körpereigene pH-Wert werde stabilisiert mit weitreichenden Beautyfolgen in Form strahlender Haut, glänzender Haare und straffer Figur. Es folgte Victoria Beckham mit einer Schockbotschaft via Facebook: Sie hat ein Lieblingsbuch. Ein Kochbuch. Sie kocht! Und eigenen Angaben zufolge isst sie sogar die Leckereien, die sie sich aus „Vegetarisch basisch gut“ zaubert, der Küchenbibel, wenn es um pH-Wert-getreues Kochen geht, geschrieben von den Londoner pH-Wert-Gurus Vicky Edgson und Natasha Corrett. Letztere ist übrigens die Stiefschwester von Sienna Miller, die selbstverständlich auch allein dank ihrer basischen Ernährungsweise so gut aussieht. Alle Basen-Promis an dieser Stelle aufzulisten würde den Rahmen sprengen. Also gehen wir direkt ans Eingemachte: Was hat es mit der ominösen, basischen Ernährung für den perfekten pH-Wert auf sich. Und was bringt sie überhaupt?
Zunächst einmal gilt zu klären, was der pH-Wert eigentlich ist – nur für den Fall, dass die eine oder andere im Chemieunterricht nicht aufgepasst haben sollte. PH steht für Potentia Hydrogenii. Ich weiß, Latein war auch nicht gerade eine der prickelndsten Veranstaltungen. Also: die Kraft des Wasserstoffs. Die kann in Form verschiedener Ionen vorliegen, die wiederum – ohne jetzt ins chemische Nano-Detail gehen zu wollen – sauer oder basisch in der Flüssigkeit wirken. Also auch in unserem Körper. Die pH-Skala reicht von 0 (sehr sauer) über 7 (neutral) bis 14 (sehr basisch). Jedes Körperorgan hat seinen eigenen pH-Wert, bei dem es optimal funktioniert. Im Magen zum Beispiel herrscht ein sehr saures Milieu mit einem pH-Wert von 1,2 bis 3. Der Dünndarm hingegen ist recht basisch mit 7,5, das Blut hat einen pH-Wert von 7,365. Dieser Mittelwert ist es, den wir mit unserer Ernährung anstreben sollen – die Feinjustierung übernimmt der Körper selbst.
Ernährt man sich nun überwiegend basisch, soll man rank, schlank, schön und faltenfrei werden. So zumindest die Theorie der Basen-Diäten. Bevor ich Euch jetzt länger auf die Folter spanne: Ja, es funktioniert. Natürlich funktioniert es! Um das zu verstehen, muss man sich nur mal angucken, welche Lebensmittel in die Kategorie basisch fallen: frisches Obst und Gemüse, vorzugsweise aus Bio-Landwirtschaft. Dazu Salate und Sprossen, Nüsse und Getreide, das ebenfalls gekeimt sein sollte. Stark säurebildend hingegen sind alle tierischen Produkte wie Fleisch, Milch und Eier, Getränke wie Kaffee und Cola, Genussgifte wie Alkohol und Nikotin sowie stark verarbeitete Nahrungsmittel aus der Verpackung. Dass man abnimmt, wenn man Letztere aus der Küche verbannt und sich stattdessen in erster Linie mit frischen Zutaten aus der Natur ernährt, nun, das ist keine Atomphysik.
Die Ernährung ist aber nur ein Teil der Geschichte. Bewegungs-, Licht- und Schlafmangel, Ärger mit Freunden oder in der Familie, Stress im Job, Umweltgifte, Chemikalien und Medikamente können ebenfalls zu einer verstärkten Säurebildung im Körper führen. Ernährt man sich dann basisch mit viel Obst und Gemüse, balanciert man das zwar etwas aus, aber eben nur etwas. Den Rest muss der Körper machen. Und dafür tut er alles. Würde der pH-Wert nämlich zu stark sinken, würden wir sterben. Also werden alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen …
Zuerst wird verstärkt Magensäure produziert. Klingt paradox? Nein, sobald Magensäure freigesetzt wird, wird gleichzeitig auch Natriumhydrogencarbonat, eine Base, gebildet, um die Magenschleimhaut zu schützen. Umgekehrt kann der Körper aber auch Natriumhydrogencarbonat produzieren, wenn er es anderweitig im Körper braucht, um Säuren auszugleichen. Aber: Dabei entsteht wiederum auch Magensäure. Die Folge: Sodbrennen bis hin zu Magenschleimhautentzündungen.
Eine weitere Schutzmaßnahme besteht darin, dass basische Mineralstoffe aus den Körperdepots gezogen werden, um die Säuren auszugleichen. Also aus allen Körperbereichen, die nicht ganz so wichtig, zumindest nicht überlebenswichtig sind: Haarkanäle, Nagelbett, Haut und Knochen – die Binsenweisheit Milch würde starke Knochen machen ist also aus naturheilkundlicher und auch aus basischer Sicht längst überholt. Zugleich können die Säuren als Notfallprogramm im Körper zwischengelagert werden. Ebenfalls in den Haarfolikeln zum Beispiel, die sie dann verstopfen, wodurch wichtige Nährstoffe kaum noch zur Haarwurzel vordringe können, die Haare werden dünn, brüchig und fallen aus. Die Haut wird unrein und faltig, Cellulite entsteht, weil gerade die Regionen um Hüften und Po, fernab lebenswichtiger Organe, beliebte Säurendeponien sind. Dort werden die Säuren obendrein mit Wasser verdünnt, um weniger schädlich zu sein. Und dann sind sie da, die Dellen.
Grundsätzlich sind all diese Notfallmaßnahmen des Körpers erst einmal nicht schlimm. Er kann sich ganz hervorragend regulieren. Wenn man nun aber täglich, über einen langen Zeitraum und fast ausschließlich säurebildende Nahrungsmittel zu sich nimmt, obendrein vielleicht noch raucht oder regelmäßig Alkohol trinkt, kaum zur Ruhe findet, sich nicht oder nur wenig an der frischen Luft bewegt und industrielle Kosmetik mit vielen chemischen Zusatzstoffen verwendet, dann hat der Körper keine Chance, seine Säuredeponien zu leeren.
Nein, man muss sich nicht alles verbieten. Als Faustregel gilt: Wer sich zu 80 Prozent basisch ernährt, auf genügend Entspannung, frische Luft sowie regelmäßige Bewegung achtet und im Idealfall anfängt, seine konventionelle Kosmetik gegen Naturprodukte auszutauschen, der kann sich auch mal Currywurst mit Pommes und Bier gönnen. Allein davon wird man abnehmen. Aber mehr noch: Der Körper wird straffer und geschmeidiger, die Haare glänzen, die Nägel werden fest. Kurzum: Wir werden gesund und schützen uns vor Krankheiten, die sich vielleicht erst in einigen Jahrzehnten zeigen, wie Osteoporose zum Beispiel. Ob man nun dafür eine Diätbuch braucht? Ich bezweifle es – es sei denn, man möchte sich von den leckeren Rezepten inspirieren lassen. Dann langweilig ist die basische Ernährung ganz sicher nicht.
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