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Ich bin dick & sexy – also hört auf mich „niedlich“ zu nennen!

Foto: Alexandra Gavillet.
Da war ich nun: nackt, vor einem Spiegel stehend, mit meinem iPhone in der Hand, verzweifelt auf der Suche nach einem Winkel, der meinen Po möglichst vorteilhaft in Szene setzt. Ein gutes Nacktselfie zu kriegen ist ungefähr so schwer, wie eine Runde Whack-A-Mole. Findet man einen guten Winkel des Allerwertesten, schon blitzt etwas zu viel Brust hervor. Hat man diese wieder gut positioniert, macht das Gesicht eine verkrampfte Grimasse. Entspannt man diese, fehlt plötzlich das linke Bein im Bildausschnitt. So ermüdend es auch war, an diesem Abend wollte ich dieses Ganzkörperselfie aus purer Selbstliebe machen – und es als eine Herausforderung an mich selbst sogar auf Instagram teilen.
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Ich weiß, dass dieses ganze Selfie-Ding für viele Menschen beängstigend ist. Den eigenen Körper zu zeigen, sich zu entblößen, das macht einen in vielerlei Hinsicht verletzlich. Aber ich bin fett. Ich befinde mich mit einer Konfektionsgröße 44/46 vielleicht eher auf dem unteren Ende des Fett-Spektrums, aber ich bin unmissverständlich fett. Eine Plus-Size-Frau, aber keine gut durchtrainierte mit etwas breiteren Hüften und griffigen, vollen Schenkeln. Nein, eher eine, dessen nackter Anblick die Gesichtszüge vieler noch immer entgleisen lassen würde. So ein Selfie, mit all den Gefahren, die das Internet nun einmal birgt, ist für jemanden wie mich um ein Vielfaches gefährlicher als für andere. Aber ich hatte einen sicheren Ort gefunden.
Es war eine geschlossene Facebook-Gruppe, in der ausschließlich Frauen waren. Eine Gruppe von intersektionalen Feministinnen, die unter Anderem auch Make-up, Musik und Mode liebten. Sie tauschten sich über Beziehungen und berufliche Laufbahnen aus. Sie unterstützten einander, gaben sich Rat. Und ja, sie zeigten einander auch ihre Brüste. Nachdem ich das Ganze eine Weile still beobachtet und gemerkt hatte, dass es unter keinem Nacktbild auch nur zu einem einzigen negativen Kommentar kam, fühlte ich mich bereit. Und ich hatte recht. Zum größten Teil.
„Du bist echt niedlich!“, stand in einem Kommentar, und entsprach damit dem allgemeinen Tenor. Kein „Oh. Mein. Gott.“ und auch kein „Yes please!“, keine aneinander gereihten Flammen-Emojis oder irgendetwas, das auch nur ansatzweise an die Fanfaren und Trompeten herankam, die schlanke Frauen genossen. Ein gut gemeintes „Schaut euch dieses Gesicht an!“ war noch dabei. Ja, ich weiß, mein Make-up an diesem Tag war wirklich gut, aber – was ist mit meinem Arsch? Hallo?!
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Was dann folgte, waren Gefühle. Sie brachen nur so aus mir heraus. Klar hatte ich auch Selbstzweifel, keine Frage, aber nicht bezüglich meines Körpers. Das kannte ich ja schon, damit war ich durch. Was machte mich also wütend? Dass ich nicht die Bestätigung bekam, die ich mir erhofft hatte? Vielleicht. Ich finde nichts Schlimmes daran, Komplimente hören zu wollen, hören zu wollen, man sei attraktiv. Und es hatte ja auch niemand behauptet, ich sei unattraktiv. Diese Frauen waren zu Freundinnen geworden und was sie sagten, war durchweg positiv. Vielleicht war das auch eine Überreaktion meinerseits. Ich hatte definitiv nicht den Mumm, etwas zu sagen, aber es wurmte mich noch eine ganze Weile. Sie sagten über meinen Körper andere Dinge als über all die anderen Körper. Das war es, was mich wütend machte.
Foto: Alexandra Gavillet.
Wenn man einen fetten Körper „niedlich“ nennt, klingt das, nun ja, verniedlichend. Es macht meine Sexualität und meine Körperlichkeit zunichte und es macht mich zu etwas anderem. Natürlich gibt es Situationen, da ist „niedlich“ ein treffender Ausdruck, auch für mich. Ich kichere niedlich, ich kann verdammt niedlich gucken. Aber wenn mich jemand dann niedlich nennt, wenn ich mich gerade nackt in Szene setze, dann ist das nicht nur ein Stimmungskiller, es zerstört das gesamte Narrativ der Situation. Wenn Menschen in einem solchen Moment das Wort „niedlich“ benutzen, meinen sie tatsächlich niedlich im Sinne von Babykätzchen und Welpen. Niedlich wie etwas, das nie im Leben mit Sexualität in Verbindung gebracht werden könnte.
Seitdem teile ich regelmäßig Selfies von mir, mal nackt, mal etwas bedeckter, um auf Body-Positivity aufmerksam zu machen und das Bewusstsein für die Diversität von Frauenkörpern zu stärken. Ab und an kriege ich noch ein „niedlich“ zu hören, meist mit eigentlich durchweg nett gemeinte, schließlich aber doch entmündigenden Kommentaren wie „Toll, wie selbstbewusst du bist!“. Und wer sich jetzt fragt, warum mich das stört: Wenn euch der Impuls kommt, das einer Person zu sagen, die keinem konventionellen Schönheitsideal entspricht, fragt euch erstmal, ob ihr das einer schlanken, weißen, blonden, nicht-behinderten, jungen Frau sagen würdet. Würdet ihr einer solchen Frau auch Bewunderung dafür aussprechen, dass sie ein Selfie postet? Höchstwahrscheinlich nicht. Ich verstehe, dass die „Bewunderung“ daher rührt, dass ich damit Mut beweise, ein Bild zu posten, das man nicht gewohnt ist zu sehen. Aber der Fehler liegt genau in diesem Punkt: Wir müssen die Perspektive ändern. Es kann nicht länger sein, dass die Norm ein einziger Typ Frau ist, und alles andere, was sich darum herum ergibt, was zahlentechnisch die Mehrheit ist, als anders und deshalb separat zu kommentieren gilt.

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