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Von Stonewall bis Pride 50: Die Geschichte der Pride Parade

Photo: Rick Maiman/Sygma/Getty Images.
Vor genau 51 Jahren kam es zum weltverändernden Stonewall-Aufstand, in dem Trans- und Homosexuelle sich gegen die willkürlichen Verhaftungen der New Yorker Polizei bei einer Razzia im Stonewall Inn, einer LGBTQ+-Bar, widersetzten. Dieses Ereignis wird oft als die Geburtsstunde der modernen LGBTQ+-Bewegung angesehen. Die erste Pride Parade fand ein Jahr nach Stonewall statt, was bedeutet, dass wir dieses Jahr die 50. Pride feiern werden.
Die erste Parade fand am 28. Juni 1970 statt. Damals bekannt als “Marsch zum Befreiungstag in der Christopher Street“ – benannt nach der Straße, auf der sich das Stonewall Inn befindet – liefen die Teilnehmer*innen vom Washington Place zwischen dem Sheridan Square und der Sixth Avenue, über die Sixth Avenue bis zum Central Park.
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Dieser Marsch erscheint für uns heute irgendwie selbstverständlich. Aber damals war allein der Gedanke, LGBTQ+-Menschen laufen gemeinsam durch die Straßen von New York City und zelebrieren ihre Existenz, ihren Stolz und ihre Liebe, wirklich revolutionär. „Es brauchte ein neues Gefühl der Courage, um diesen Riesenschritt auf die Straßen von Midtown Manhattan zu wagen“, schrieb Fred Sargeant, einer der Organisator*innen des ersten Marsches, 2010 in einem Essay für die Village Voice.
Damals war die größte LGBTQ+-Kundgebung eine jährliche stille Mahnwache namens “The Annual Reminder“ (Die jährliche Erinnerung), die in Philadelphia abgehalten wurde. Diese Veranstaltung war eine ernste und streng reglementierte Angelegenheit. Normalerweise traf sich „eine kleine, höfliche Gruppe von Schwulen und Lesben und demonstrierte vor der Liberty Hall“, so Sargeant. „Sie liefen gemeinsam schweigend durch die Straßen. Für Männer waren Jacken und Krawatten vorgeschrieben, für Frauen Kleider. Wir sollten unbedrohlich wirken.“ Die Veranstaltung wurde von einer Schwulenbewegung namens “Mattachine Society“ inszeniert. Sie wurde schon 1950 gegründet und war eine der ersten Gruppen in den Vereinigten Staaten, die sich für LGBTQ+-Rechte einsetzte. Fred Sargeants Lebensgefährte Craig Rodwell war Mitglied der “Mattachine Society“. Ihre erste Mahnwache fand 1965 statt und sollte „das amerikanische Volk daran erinnern, dass einer beträchtlichen Anzahl amerikanischer Bürger*innen die Rechte auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück verweigert wurden“, heißt es in einem Beitrag der LGBTQ+-Organisation Philly Pride aus Philadelphia.
Nach den Stonewall-Unruhen sprachen Rodwell und Sargeant darüber, die Mahnwache nach New York zu verlegen, aber sie erkannten bald, dass sie dort eine ganz neue Veranstaltung brauchen. Rodwell nahm am Annual Reminder 1969 in Philadelphia teil, der nur wenige Tage nach den Aufständen in Stonewall stattfand. Er war empört, als einer der Organisator*innen zwei Frauen, die sich an den Händen hielten, sagte, sie sollten auseinander brechen. „Dieser physische Akt bestätigte Craig, dass wir etwas viel Größeres und Mutigeres brauchten als die ‘Mattachine Society‘“, erinnert sich Sargeant in seinem Essay. Und aus diesem Gedanken heraus, entwickelte sich die Pride Parade.
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Photo: Spencer Grant/Getty Images.
Dem History Channel zufolge nahmen fünf Monate nach Stonewall Sargeant, Rodwell und die Aktivist*innen Ellen Brody und Linda Rhodes an der Eastern Regional Conference of Homophile Organizations (ERCHO) teil, einer Konferenz für LGBTQ+-Organisationen in Philadelphia. Dort schlugen sie eine Resolution vor: einen jährlichen Marsch am letzten Sonntag im Juni in New York City zum Gedenken an Stonewall. Los Angeles, San Francisco und Chicago planten gleichzeitig stattfindende Märsche.
Anders als bei der Mahnwache sollte es bei diesen Märschen keine formelle, geschlechtsnormative Kleiderordnung geben. Stattdessen ermutigten die Organisator*innen die Teilnehmer*innen dazu, sie selbst zu sein und sich so auch zu zeigen. Dazu erklärt die Autorin Katherine McFarland Bruce in ihrem 2016 erschienenen Buch Pride Parades: How A Parade Changed The World: Die meisten Marschteilnehmer*innen nahmen in ihrer Alltagskleidung teil, aber einige trugen „extravagante Kostüme“ wie Umhänge, andere kamen sogar in Drag. Viele hielten bunte Banner oder Schilder mit der Aufschrift Gay Pride! in die Luft. „Aus Aktivist*innenkreisen kommend, blieben Organisator*innen und Demonstrant*innen bei dem, was sie kannten, und präsentierten sich durch ihre Schilder, Sprechchöre und Zeichen der Zuneigung als stolze queere Menschen“, schreibt Bruce. In dem 2019 erschienenen Buch We Are Everywhere: Protest, Power, and Pride in the History of Queer Liberation schreiben die Autor*innen Matthew Reimer und Leighton Brown, dass die Stonewall-Veteranin Sylvia Rivera „jubelnd und heiser die sechzig Blocks entlang ging“.
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Doch bevor diese Dinge passierten, musste die Parade erst einmal geplant werden – und das war keine leichte Aufgabe. Sargeant erinnert sich, dass es „fast ein Jahr der Bewusstseinsbildung im Stil der 1960er Jahre“ und „Monate der Planung und internen Kontroversen“ gedauert habe. Mehr als ein Dutzend LGBTQ+-Gruppen waren an der Planung beteiligt, darunter die lesbisch-feministische Gruppe “Lavender Menace“, die als Reaktion auf den Ausschluss von Lesben durch den Mainstream-Feminismus gegründet wurde, die “Gay Liberation Front“, die nach der Stonewall gegründet wurde, die lesbische Bürgerrechtsorganisation “Daughters of Bilitis“, die Trans-Organisation “Queens Liberation Front“ und verschiedene Student*innengruppen. Brenda Howard, die Bürgerrechtsaktivistin und Gründerin des “New York Area Bisexual Network“, die manchmal auch als “Mutter der Pride“ bezeichnet wird, koordinierte eine Woche lang Events rund um den Tag der Pride – darunter auch einen Tanzabend. „Howards Stimme blieb eine der lautesten, kraftvollsten und produktivsten der damaligen Zeit. Es sind ihre Bemühungen, die queeren Aktivist*innen dabei halfen, den Grundstein für die Pride zu legen“, schreibt das LGBTQ+-Magazin Queerty.
In ihrem Buchladen “Oscar Wilde“, der ersten LGBTQ+-Buchhandlung in den USA, versuchten Sargeant und Rodwell durch Sendung von Briefen an ihre Kund*innen Spenden zu sammeln und die Nachricht zu verbreiten. (Man bedenke, dass man 1970 nicht einfach einen Gruppentext oder eine Facebook-Einladung verschicken konnte; man musste Briefe verschicken.) Viele der Planungstreffen fanden auch in der Buchhandlung statt.
Nachdem die Parade geplant war, mussten sie noch die Details ausarbeiten. Nach Uneinigkeit darüber, wer die Parade anführen sollte, beschlossen die Organisator*innen, dass jeweils ein Mitglied aus jeder Gruppe als Vertreter*in an der Spitze des Marsches sein sollte. Und nach langen Diskussionen einigten sie sich außerdem auf folgenden Sprechgesang: „Say it clear, say it loud. Gay is good, gay is proud“ (Sagt es deutlich, sagt es laut. Schwul ist gut, schwul ist stolz). Aktivist L. Craig Schoonmaker war derjenige, der Stolz anstelle von Macht vorgeschlagen hatte. In einem Interview mit dem Podcast Allusionist im Jahr 2015 erklärte er seinen Vorschlag folgendermaßen: „Nur wenige Menschen können Macht haben. Damals hatten die Menschen keine Macht; auch heute haben wir sie nicht wirklich. Aber jeder kann auf sich selbst stolz sein, und das macht den Menschen glücklicher und bringt die Bewegung voran, sodass Veränderungen in der Gesellschaft geschehen“.
Am Tag der Parade waren um die 5.000 Menschen anwesend – fünfmal mehr, als die Organisator*innen erwartet hatten. Die allererste Pride Parade war also ein Erfolg. „Erst nach dem Marsch erkannten wir, was noch alles möglich war“, meint Sargeant. „Natürlich konnten wir damals noch nicht ahnen, dass unsere Bemühungen irgendwann Hunderte von Millionen Menschen auf der ganzen Welt zusammenbringen würden. Von Jahr zu Jahr kamen mehr und mehr Städte hinzu. Im Laufe der Zeit, wurde die Pride Parade zu einem festlichen Umzug. Die Pride-Flagge, die von Gilbert Baker entworfen wurde, wehte erstmals 1978 in San Francisco.
In diesem Jahr wird die große Pride Parade auf der Straße wegen der Pandemie leider in vielen Ländern verschoben oder sogar komplett abgesagt. Aber das Erbe der ersten Pride bleibt unvergessen. Und sobald das Leben wieder “wie gewohnt“ weitergehen kann, werden die Menschen sicher auch wieder gemeinsam für LGBTQ+-Rechte stolz durch die Straßen ziehen.
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