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#DirtyThirty: Erwachsenwerden – was ist das eigentlich & muss ich das?

DirtyThirty: Maren Aline Merken ist 30 Jahre alt, Wahlberlinerin mit Herz für die Hauptstadt und dennoch ständig unterwegs. Ob auf Recherchereise im kunterbunten Indien, auf der Suche nach den neusten Foodtrends im lebhaften Johannesburg oder beim leicht chaotischen Familien-Kaffeeklatsch in ihrer Geburtsstadt Düsseldorf – sie ist neugierig, begeisterungsfähig, wortverliebt und gar nicht mal so spießig, wie sie sich Ü30-Frauen als Teenager vorgestellt hat. Immer hungrig auf Neues feiert sie das Leben mit der 3 vorne – und versteht bis heute nicht, wie man Angst vor dem 30. haben kann.
Wenn ich mich so umblicke, dann gehen die Vorstellungen vom „Erwachsensein“ weit auseinander: In meiner Heimat meint man, ich solle langsam aufhören mit der Feierei, mich binden, heiraten, Kinder kriegen. Der ein oder andere Kollege findet, es sei nicht sehr erwachsen, unter der Woche auszugehen, in einer WG zu wohnen oder schlichtweg ein anderes Leben zu führen, als die teilweise Gesellschaft es landläufig voraussetzt. In Berlin aber, da gelte ich unter vielen meiner Freunde als mächtig erwachsen, obwohl ich feiere, meine Wohnung aktuell mit einer Mitbewohnerin teile und kinder- und ringlos bin; weil ich nämlich einem Beruf nachgehe (und das schon ziemlich lange), meine Steuern mache und zahle und auch sonst eigentlich alles ziemlich gut gebacken bekomme.
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30-Jährige, das waren für mich Menschen aus einer anderen Welt. Solche, die (freiwillig, also nicht weil es ein Unfall war) Kinder bekommen, heiraten, Häuser bauen. Die nicht mehr unvernünftig sind.

Aber was heißt das eigentlich, erwachsen? Und wer bestimmt, ob ich es bin und wann?
Als ich zehn war, bin ich aufs Gymnasium gekommen. Im Hof hing an einer Stelle immer der Vertretungsplan aus, auf dem man sehen konnte, welche Stunde wann ausfiel oder ob ein anderer Lehrer sie übernahm. Wenn da die Oberstufenschüler standen, dann bin ich voller Ehrfurcht zur Seite gerückt, weil ich dachte: Mann, das sind richtige Erwachsene! Wenn ich heute an meiner alten Schule vorbeilaufe und draußen ein Pärchen um die 17/18 knutschen sehe, muss ich schmunzeln – denn heute wirken sie auf mich alles andere als erwachsen.
Mit Anfang 20, da habe ich studiert und mir lag gefühlt die Welt zu Füßen: Ich konnte machen, was ich wollte. Trotz Studium und Jobs hielten sich die Verpflichtungen und Verantwortungen in Grenzen und ich hatte das Gefühl, ich kann alles schaffen, wenn ich es will. Auch bis neun Uhr durchfeiern und von da aus gleich in die Uni gehen. 30-Jährige, das waren für mich Menschen aus einer anderen Welt. Solche, die (freiwillig, also nicht, weil es ein Unfall war) Kinder bekommen, heiraten, Häuser bauen. Die nicht mehr unvernünftig sind. Heute meine ich zu wissen, das genau dieses Wort das Problem bei der Definition von erwachsen ist. Vernunft.
Ich habe seit jeher, seit Kindesbeinen an, Erwachsensein mit Vernunft in Verbindung gebracht. Dazu gehörte für mich auch, dass man keine Dinge mehr macht, die spontan sind und vielleicht nicht die klügste Entscheidung für Zeitmanagement, Geldbeutel oder Zukunft sind. Weil man dafür einfach zu vernünftig geworden ist. Heute, mit bald 31, halte ich diese Definition für ziemlichen Blödsinn. Sicher, ich bin erfahrener, weiß mehr um Konsequenzen meines Handelns und auch darum, was mir gut tut und was eben nicht. Aber das hält mich noch lange nicht davon ab, zeitweise wissentlich und mit offenen Augen in mein kleines Verderben zu rennen – und das ist vielleicht noch weniger vernünftig, als mit Anfang 20 oder als Teenager, Dingen aufzusitzen, weil man es schlichtweg nicht besser weiß.
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Erwachsensein hat für viele auch etwas mit Realismus zu tun: Für viele bedeutet es, von Idealen und Ideen loszulassen, die man eigentlich eh nicht realisieren kann. Und das finde ich wiederrum sehr schade: Denn auch als „Erwachsener“ darf man Ideale und Ideen haben, die andere vielleicht als Hirngespinste abtun. Erwachsensein ist immer auch eine gesellschaftliche Definition: In vielen Kulturen werden Mädchen als erwachsen angesehen, wenn sie die Periode das erste Mal bekommen, was per Definition bei uns eigentlich nichts damit zu tun hat, auch wenn sich der ein oder andere dazu hingerissen fühlt, „Du bist jetzt eine richtige Frau“ zu statuieren. Erwachsensein ist also auch soziales Konstrukt, erbaut von der Gesellschaft, in der wir leben. Und die kann – wie ich an meinen Freunden in unterschiedlichen Städten Deutschlands sehe – schon von Stadt zu Stadt oder Region zu Region verschieden sein.

Ich mag einen teuren Tisch haben und deswegen neuerdings Glasuntersetzer nutzen, schaffe es meine Steuern zu zahlen und mir regelmäßig einen Stempel beim Zahnarzt zu holen. Dennoch ändert das nichts an dem Fakt, dass ich manchmal ungeplant an einem Dienstag Abend volltrunken in irgendeine schäbige Bar stolpere.

Erwachsen ist für mich ein etwa gleichbedeutend mit lebenstüchtig. Denn irgendwie will ich nicht erwachsen sein, zumindest nicht so, wie es in vielerlei Köpfen definiert wird. Lebenstüchtig aber will ich sein und bin ich. Ich lebe mein Leben, finanziere mich selbst, weiß, dass mich das Leben etwas angeht und ich Verantwortung trage, nicht nur für die schönen und tollen Dinge im Leben, sondern auch für die Dinge, die nicht so angenehm sind. Ich mag einen teuren Tisch haben und deswegen neuerdings Glasuntersetzer benutzen (das wäre mir früher auf jeden Fall zu spießig und erwachsen gewesen), schaffe es, meine Steuern zu zahlen und mir regelmäßig einen Stempel beim Zahnarzt zu holen. Dennoch ändert das nichts an dem Fakt, dass ich manchmal ungeplant an einem Dienstagabend volltrunken in irgendeine schäbige Bar stolpere, dass mir das Herz stehenbleibt, wenn Post vom Vermieter oder dem Finanzamt ins Haus flattert oder ich meine Eltern anrufen muss, weil ich nicht weiß, was ich tun muss, wenn ich jemandem den Spiegel abgefahren habe. Meine Mutter sagt, so richtig erwachsen wird man sowieso erst, wenn man selbst Kinder hat. Und selbst das halte ich heute für ein Gerücht.
Vielleicht müssen wir im 21. Jahrhundert einfach die angestaubte Definition des Erwachsenseins ein wenig ändern: Auch Erwachsene können ihren Job kündigen, weil sie einfach keine Lust mehr haben und lieber reisen wollen, sie können sich auch mit über 30 noch tätowieren lassen, die Haare färben und sich einen Nasenring stechen lassen, und ja sie dürfen in WGs wohnen und dienstags feiern gehen (mittwochs auch). Weil sie nämlich ihren Lebensstil selbst finanzieren, die Konsequenzen ihres Handelns kennen und wissen, dass die Wäsche sich nicht von allein wäscht. Auch der Müll bringt sich nicht selber raus. Und von feuchten Gläsern weiß man, dass sie schlimme Flecken auf teuren Holztischen machen, weswegen man Glasuntersetzer benutzt, verdammt. #nevergrowingup
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