Während des Lockdowns vermissten viele von uns irgendwann die alltäglichen Seiten des Bürolebens: Der vertraute Geruch von billigem Kaffee, das entfernte Geplauder aus der Küche und die Bürostühle, die unsere Körperkonturen besser kennen als wir selbst, wirkten plötzlich viel verlockender. Und mal ehrlich, virtuelle Afterwork-Events sind einfach nicht mit „echten“ zu vergleichen. Als wir aber langsam wieder ins Büro zurückkehrten und widerwillig unsere Schlabberklamotten gegen gesellschaftsfähige Looks eintauschten, wurde vielen von uns klar, dass wir auf manche Facetten des alten Bürolebens vielleicht doch lieber weiterhin verzichten würden.
Um Angestellten mehr positive Erfahrungen zu ermöglichen oder die nächste Kündigungswelle abzubremsen, fingen viele Firmen daher nach Corona damit an, mehr in ihre Bürokultur zu investieren. Und obwohl diese Firmenkultur natürlich wichtig ist, wenn du einen Job bewertest oder deinen Wunsch hinterfragst, dort eventuell länger zu bleiben, geht einigen Leuten dieses angestrengte „Teambuilding“ schon ordentlich auf den Sack. Schließlich ist das in vielen Fällen nichts anderes als Zwangsbespaßung.
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Wenn du selbst noch nie ein Glas Sekt und eine Zimtschnecke/einen Donut/ein Stück Kuchen in die Hand gedrückt bekommen hast und dann krampfhaft mit deinen Kolleg:innen in der Küche Smalltalk betreiben musstest, bevor es gesellschaftlich „akzeptabel“ war, dich wieder an deinen Schreibtisch zu verdrücken, sind wir neidisch. Irgendwas an diesen Veranstaltungen fühlt sich einfach wahnsinnig unangenehm an, und eine Girlboss-Redakteurin plädiert genau deswegen dafür, diesen Pflicht-Spaß zu canceln.
„Eins, was wir unbedingt abschaffen müssen, ist erzwungener Spaß im Job“, meint Victoria Christie in einem viralen Instagram-Post. „Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn dich deine Arbeitsstelle dazu zwingt, dich mit Greg, dem Mansplainer aus der Buchhaltung, bei einer Runde Kicker anzufreunden. Keine Pizza der Welt kann das wert sein.“
Keine Frage: Ein bisschen Verspieltheit während des Arbeitstags hört sich wie eine willkommene Abwechslung vom stundenlangen E-Mails-Schreiben an. Aber wieso endet das dann häufig so enttäuschend? Das Ding ist: Spaß ergibt sich meistens von allein. Wenn dir dein Arbeitsplatz die Freiheit lässt, mal mit deinen Kolleg:innen rumzualbern oder ganz von selbst Spaß zu haben, ist das viel effektiver: Künstlich erzwungenes „Bonding“ kann mit organisch entstehenden Freundschaften nämlich einfach nicht mithalten.
Wie auch Ethan R. Mollick und Nancy Rothbard in ihrer Studie zur Spielifikation („gamification“) am Arbeitsplatz feststellten, wird die vor allem dann zum Problem, wenn die Angestellten gar nicht selbst mitentscheiden, wie dieser „Spaß“ denn aussehen soll. „Bei der ‚Zwangsbespaßung‘ geht es im Kern darum, die Arbeit angenehmer zu gestalten oder die Angestellten von den unangenehmen oder anstrengenden Aspekten der Arbeit abzulenken“, schreiben sie. „Allerdings müssen die Vorgesetzten dabei entscheiden, was den Angestellten denn gefallen könnte.“
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Benefits und „Zwangsspaß“ sind insbesondere dann kritisch, wenn dir potenzielle neue Arbeitgeber:innen die Firmenkultur als Alternative zu positiven Arbeitsbedingungen andrehen wollen. Bedenke: Wenn dir eine Firma nur Pizza-Partys und Gratisbier am Freitag anbieten kann, nicht aber vernünftige Arbeitszeiten oder ein ordentliches Gehalt, solltest du genauer hinsehen. Hinter all den Kicker-Turnieren und Karaoke-Abenden verbergen sich nämlich womöglich schwelende Spannungen und überarbeitete Angestellte.
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Wenn dir eine Firma nur Pizza-Partys und Gratisbier am Freitag anbieten kann, nicht aber vernünftige Arbeitszeiten oder ein ordentliches Gehalt, solltest du genauer hinsehen.
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Versteh uns nicht falsch: Es ist immer löblich, die eigenen Angestellten im Job glücklicher machen zu wollen, vor allem, da glückliche Angestellte meist auch besser arbeiten als unzufriedene. Diese krampfhaften Bemühungen um „geregelten“ Spaß zielen aber meist nicht auf das ab, was Angestellten wirklich wichtig ist. Christie erklärt: „Das hilft nicht wirklich dabei, die Moral zu steigern. Stattdessen hält es die Leute vom Arbeiten ab und nimmt ihnen das, was sie wirklich gern hätten: bessere Bezahlung, bessere Boni, bessere Work-Life-Balance, mehr Flexibilität, und so weiter.“
Bei der jährlichen Angestellten-Umfrage der Consulting-Firma Gallup (befragt wurden über 2,7 Millionen Arbeitnehmer:innen aus über 100.000 Teams weltweit) gaben 87 Prozent der Teilnehmer:innen an, sich bei der Arbeit nicht wirklich zu engagieren. Das heißt: Sie sind weder produktiv, noch glücklich, noch innovativ. Und auch eine kürzliche Umfrage von Deloitte zeigte, dass insbesondere Frauen gestresster sind denn je, weil sie meist auch dafür verantwortlich sind, diese Veranstaltungen zu organisieren. Aber was wollen Angestellte eigentlich wirklich? Flexibilität. Die macht einen größeren Unterschied als alles andere, wenn nach der Job-Zufriedenheit gefragt wird, und ist vielen sogar wichtiger als das Gehalt.
Erzwungener Spaß hingegen kann uns sogar zurückhalten. Viele von uns wurden durch die Pandemie dazu gezwungen, uns mehr mit unserem Leben außerhalb der Arbeitszeiten zu beschäftigen und zu hinterfragen, was uns eigentlich wirklich glücklich macht. In der burnout-geplagten Post-Girlboss-Kultur ist es uns daher umso wichtiger geworden, unsere Arbeit von unserer Identität zu lösen. In anderen Worten: An manchen Tagen wollen wir unsere Arbeit einfach so schnell wie möglich abhaken, um früh nach Hause fahren zu können – zu unserem echten Leben. Und wie auch eine Studie der Harvard Business School beweist, kann es zu einer gesteigerten Zufriedenheit führen, die Arbeit ohne Unterbrechungen zu Ende führen zu können. Bei der Umfrage von 2016 gaben Angestellte an, sich an den Tagen am glücklichsten zu fühlen, an denen sie sich ungestört auf eine wichtige Aufgabe konzentrieren und darin gut vorankommen konnten.
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Wir verstehen natürlich, dass die Arbeitgeber:innen-Perspektive schwierig sein kann. Viele von ihnen tun alles, was sie können, um ihre Mitarbeiter:innen zu behalten. Da lässt es sich oft nicht allen recht machen. Wie könnte also eine Lösung aussehen? An der Firmenkultur lässt sich auch arbeiten, ohne es zu erzwingen. Christie meint: „Bonding am Arbeitsplatz muss nicht zwangsläufig ‚Bowling jeden Donnerstag‘ bedeuten.“ Entscheidend ist vor allem, den Angestellten die Zügel in die Hand zu geben.
Angestelltengeführte Initiativen
Ideen, die die Mitarbeiter:innen selbst umsetzen können, sind ideal. Das kann zum Beispiel ein Buchclub sein, ein gemeinsamer Filmabend oder sogar kleine Dinge wie interessenspezifische Slack-Channels. Ohne den Druck eines formellen Events sorgen solche kleinen Veranstaltungen für flexibleres Teambuilding.
Feedback einholen – aber anonym
Wenn eine Firma tatsächlich daran interessiert ist, die Mitarbeiter:innen bei der Arbeit glücklich zu machen, muss man ihnen zuhören. Bei Firmen-Umfragen trauen sich viele Angestellten aber häufig nicht, ihre ehrliche Meinung zu sagen. Vorschlagsbriefkästen oder anonyme Online-Befragungen sind daher die beste Möglichkeit, die Interessen der Angestellten zu erfahren.
Manchmal hilft auch Geld
Geschenke und Gutscheine können viel ausmachen! Anstatt alle zu einem gemeinsamen Barbesuch zu zwingen, empfiehlt sich zum Beispiel ein Lunch-Gutschein. Wer zusammen essen möchte, kann es tun – wer nicht, geht alleine. So bleibt der Zwang aus.
Bitte die Arbeitszeiten beachten
Während vielbeschäftigter Arbeitszeiten will kaum jemand den eigenen Schreibtisch verlassen, um sich ein Tischtennisturnier anzuschauen – und daraufhin unter Zeitdruck zu stehen. Veranstaltungen außerhalb der Arbeitszeiten schränken aber wiederum ein, wer teilnehmen kann.
Angestellte mit Kindern oder anderen Verpflichtungen zu Hause haben nicht immer die Zeit, um auch im Feierabend mit ihren Kolleg:innen zusammenzusitzen. Wer mit Deadlines arbeitet, braucht aber womöglich den ganzen Arbeitstag, um die Aufgaben zu erledigen. Keine Frage: So oder so wird es immer jemanden geben, der oder die nicht teilnehmen kann. Wenn die Aktivitäten aber während der Arbeitszeit stattfinden, lohnt sich das eher für die meisten Angestellten. Vorausgesetzt, man sieht ihnen ein kleines Produktivitätstief während dieser Aktivitäten nach.
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Letztlich ist es völlig okay, deinen Job lediglich als das anzusehen, was du eben für Geld tun musst. Vor allem bei anstrengender Arbeit ist es schön, von den Vorgesetzten auch mal anerkennende Worte oder ein ehrliches Lächeln zu bekommen – aber ziehen wir das gelegentliche Büro-Bier wirklich besseren Arbeitsbedingungen vor? Natürlich nicht.
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