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Kann eine Hypnose meine Flugangst heilen? Ich habe es getestet

Foto: Anna Jay.
Obwohl ich zwar nicht sagen würde, dass ich eine extreme Angst vorm Fliegen habe (und mich zum Beispiel weigern würde, auch nur einen Fuß in ein Flugzeug zu setzen), war die Kabine eines Flugzeugs für mich schon immer ein Albtraum-Setting, an dem meine Nervosität völlig aus dem Ruder läuft. Ganz egal, wie sehr ich den fettigen Flughafen-Burger vor dem Flug genieße: Sobald ich mich dem Gate auch nur nähere, beiße ich verkrampft die Zähne zusammen, und in meinem Kopf beginnt ein Katastrophenfilm – mit mir als Hauptfigur.
Manchmal fange ich vor Stress an zu weinen. Auf einem Flug war mein Geheule sogar so schlimm, dass ich meine Sitznachbarin mit meiner Panik ansteckte. Daraus entstand dann eine Art Kettenreaktion der Angst in meiner Sitzreihe. Meine Flugangst zeigt sich aber nicht nur in der Realität: Zu besonders stressigen Zeiten träume ich oft davon, in einem Flieger zu sitzen, der rückwärts aus dem Himmel fällt.
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Allein schon beim Gedanken an sowas schnürt sich etwas in meiner Brust zusammen, obwohl jeder meiner Flüge bisher total problemlos ablief. Dieses irgendwie irrationale Gefühl der drohenden Katastrophe kenne aber nicht nur ich: Laut einer YouGov-Umfrage von 2022 hat fast ein Viertel der 4.000 Befragten irgendeine Form von Flugangst (ob nun bei Turbulenzen, nur beim Starten und Landen oder während des gesamten Fluges). Weil diese Phobie demnach ziemlich weit verbreitet ist, habe ich mich auch schon oft mit anderen darüber unterhalten – und unter anderem auch darüber, meine Flugangst zu „überwinden“. Mir wurde schon von vielen Leuten empfohlen, mir vor dem Abflug einen starken Drink zu gönnen oder während des Flugs eine Schlaftablette zu schlucken.
Weil ich aber dazu neige, nach dem Alkoholkonsum erstmal tagelang verkatert rumzuliegen, schlug mir eine Freundin vor, mich doch mal mit Hypnotherapie zu beschäftigen. Wenn du, wie ich, beim Wort „Hypnose“ erstmal an die Schlange aus Das Dschungelbuch und ihre psychedelisch-bunten Augen denkst, siehst du das Ganze vielleicht etwas skeptisch. Genau deswegen habe ich diese Behandlungsform auch selbst nie als sinnvolle Option gegen meine Flugangst betrachtet. Weil mich meine persönliche Methode – das panische Festkrallen an den Sitzlehnen im Flieger – dem stressfreien Fliegen aber bisher keinen Schritt näher gebracht hat, hatte ich das Gefühl, mal was Neues ausprobieren zu müssen.
Es stellt sich raus, dass das „Sieh mir in die Augen“-Klischee mit der kognitiven Hypnotherapie tatsächlich nur wenig zu tun hat. Die reale Behandlungsmethode versucht, eine langfristige Veränderung hinsichtlich deiner Ängste, Süchte und negativer Gedankenmuster zu bewirken, indem sie deine Nervenbahnen „umlenkt“. Die Hypnose lässt dich nicht in einen festen Schlaf fallen, sondern in eine tiefe Entspannung. Mithilfe von Musik und leisem Zureden lässt du dein bewusstes Denken sanft hinter dir und tauchst in dein Unterbewusstsein ein, das für Veränderungen offen ist.
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Laut der klinischen Hypnotherapeutin und Gründerin der London Clinic of Hypnotherapy, Lydia Johnson, kann der Prozess bei der Bewältigung von Flugangst sehr hilfreich sein. „Wenn du eine Flug-Phobie überwinden willst, versuchst du bewusst vielleicht alles dagegen zu tun. Die überwältigende Angst bleibt aber bestehen, solange sie im Unterbewusstsein erhalten ist“, erklärt sie Refinery29. „Hypnotherapie kann deine tiefsitzenden, irrationalen Ängste verändern, sodass du das Fliegen als angenehm, vielleicht sogar schön empfindest und keinen Grund mehr zur Panik hast.“
Ganz nach dem (für mich untypischen) Motto „Probieren kann man’s ja mal“ buchte ich demnach einen Termin zur intensiven Hypnotherapie, die mir dabei helfen sollte, mich von konstantem Stress zu lösen. Laut Lydia erwartete mich dabei zuerst eine tiefgründige Sitzung, in der wir meine individuellen Bedürfnisse untersuchen würden, gefolgt von der Hypnotherapie, bei der ich einen trance-ähnlichen Zustand erreichen sollte (genannt „Theta-Zustand“), während dessen mir Ideen, Konzepte und Lifestyle-Veränderungen suggeriert würden.
Obwohl ich zwar nicht davon ausging, mir während dieser Sitzung Flugsicherheitsvideos in Dauerschleife anzugucken, war ich doch überrascht, wie wenig es dabei um das tatsächliche Fliegen ging. Stattdessen sprachen wir darüber, wie mein Leben generell so aussah, wie ich meine Schulzeit erlebt hatte, ob ich mich in meinem Job erfüllt fühlte, und natürlich auch über meine Erziehung. Das Ganze war eine anfangs ruhige, dann plötzliche Analyse meiner allgemeineren Ängste und dessen, wie sie sich in meinem Alltag zeigen. Über die dreistündige Session hinweg sprachen wir kaum über Flugzeuge und konzentrieren uns stattdessen auf meinen generellen Wunsch, alles kontrollieren zu können, und auf meine Tendenz, in jedem Lebensbereich sofort von Worst-Case-Szenarien auszugehen.
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Nach dieser Sitzung war mir sehr klar, wie sehr sich meine generelle Angst auf mein Leben ausgewirkt und wie wenig ich tatsächlich unternommen hatte, um aktiv dagegen vorzugehen. Die Gefühle, die nur so aus mir rausströmten, waren ziemlich überwältigend. Gleichzeitig war es seltsam tröstlich, von jemandem erklärt zu bekommen, dass meine Angst mich nicht definierte – sondern dass ich lediglich ein Mensch mit ängstlichen Gedanken war. Während wir daran arbeiteten, mein Denken dahingehend in gesündere Bahnen zu lenken, ging dann die tatsächliche Hypnose los. Lydia bat mich, mich auf die grüne Samt-Couch zu legen, und begann dann einen beruhigenden Monolog.
Untermalt vom Meeresrauschen sprach Lydia davon, wie ich mich selbst von meinen ängstlichen Gedanken lösen könnte, und ermutigte mich dazu, meine Identität von dieser Angst zu trennen. Sie nahm ihre Stimme dabei auf und erstellte mir so mein persönliches Hypnose-Tape, das ich mir nach der Sitzung jeden Abend, 21 Tage lang, anhören sollte.
Über die nächsten drei Wochen hinweg tat ich also genau das und fügte zusätzlich noch Yoga und kalte Duschen zu meiner Tagesroutine hinzu (die mir Lydia empfohlen hatte, weil sie nachweislich das Nervensystem beruhigen). Daraufhin spürte ich eine eindeutige Veränderung hinsichtlich meiner mentalen Gesundheit: Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, tatsächlich mal eine Pause von den andauernden negativen Gedanken einlegen zu können. Es war eine merkwürdige, schöne Erkenntnis, mein Bewusstsein selbst kontrollieren zu können. Das hatte ich vorher nie für möglich gehalten.
Aber obwohl ich zwar den Eindruck hatte, meine generelle Angst immer besser im Griff zu haben, waren wir gegen mein spezifisches Flugproblem bisher nicht vorgegangen. Vor meinem Sommerurlaub schaute ich also nochmal in der Praxis vorbei. Lydia und ich sprachen über meine Fortschritte und planten eine neue Hypnose-Aufnahme, um die Flug-Phobie diesmal ganz direkt anzugehen. Also unterhielten wir uns über meine Tendenz zur Schwarzmalerei und meine körperliche Panikreaktion. Lydia erklärte mir, wie wichtig es sei, mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, mich auf die Sicherheit einer Situation zu verlassen (trotz meiner fehlenden Kontrolle), und wie ich negative Gedanken aktiv erkenne und loslasse, sobald sie mir im Flieger durch den Kopf gehen.
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Wir sprachen darüber, das Fliegen zu romantisieren, über meine positiven Assoziationen mit dem Reisen und meiner tatsächlichen Liebe für das Entdecken neuer Orte. Das Ganze war eine weitere Lektion darin, meine eigenen Gedanken zu kontrollieren. Ich lernte, dass ich durch mein Immer-wieder-Abspielen von negativen Gedanken aktiv dafür sorgte, dass in meinem Körper das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet wurde, das mich in eine Stressspirale schubste. Während ich mir also in der darauffolgenden Woche immer wieder Lydias Aufnahme über meine bevorstehende Reise anhörte, versuchte ich mich selbst daran zu erinnern, wie schön es sich anfühlen würde, im Flieger ganz ruhig zu sein – und dass ich selbst die Macht dazu hatte, mir das zu ermöglichen.
Auf Lydias Rat hin zog ich mir am Tag der Reise ein schönes Outfit an, gönnte mir am Flughafen etwas Nettes zu essen, schlenderte durch die Shops und gestaltete den ganzen Aufenthalt da so angenehm wie möglich. Tatsächlich war der Flughafen selbst aber ja nie mein Problem. Dann war es an der Zeit, mich in den Flieger zu setzen. Leider hatte der Flug letztlich über eine Stunde Verspätung, während der wir einfach auf dem Rollfeld rumsaßen und mir immer heißer wurde, weil mich die zahlreichen schreienden Babys vor und hinter mir komplett überstimulierten. Es war schwer, meinen Geist zu fokussieren. Mit der Hilfe meiner Noise-Cancelling-Kopfhörer, meiner speziell für diesen Flug zusammengestellten Playlist, einer klopfenden Bewegung auf mein Schlüsselbein und tiefes Ein- und Ausatmen während des Starts blieb ich aber doch relativ ruhig.
Gegen Ende des vierstündigen Flugs kamen dann allerdings die ersten Turbulenzen – und für mich wurde es immer unangenehmer. Weil ich mich so sehr auf den Start konzentriert und quasi damit gerechnet hatte, dass der Stress einfach verpuffen würde, sobald die Anschnallzeichen ausgingen, hatte ich ganz vergessen, dass Turbulenzen ein großer Teil meiner Flugangst sind. Obwohl ich es geschafft hatte, mich für den Großteil des Flugs mit Lesen abzulenken, stürzten mich diese Luftlöcher dann doch in den Panik-Modus. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, meine Kampf-oder-Flucht-Reaktion unter Kontrolle zu haben. 
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Obwohl mein Freund, der neben mir gesessen hatte, danach zwar zu mir meinte, ich habe das „sehr gut“ gemacht, war ich doch enttäuscht von mir selbst, weil ich es nicht geschafft hatte, meine Angst zu „heilen“. Laut der Psychotherapeutin Natasha Crowe vermeidet man in der Hypnotherapie-Praxis jedoch den Begriff „heilen“. Stattdessen geht es darum, die Angst zu bewältigen. „Wir können nicht kontrollieren, was während des Flugs selbst passiert. Wir können uns nur darauf konzentrieren, was wir sehr wohl kontrollieren können – und das sind wir selbst, unsere Gedanken und unser Verhalten“, erklärt sie.
In besonders stressigen Momenten empfiehlt sie daher, die Nervosität als Aufregung umzuinterpretieren, dein Ziel zu visualisieren und dir auszumalen, wie schön es sich anfühlen wird, deine Angst zu überwinden. Zusätzlich rät sie dazu, Alkohol zu vermeiden, Wasser zu trinken, um das Nervensystem zur Ruhe und Verdauung zu bewegen, dich mit einem Film abzulenken, um dir das Gefühl von Kontrolle und Sicherheit zu geben – und vor allem: immer wieder bewusst auf deinen Atem zu achten.
Obwohl ich zwar immer noch nicht das Gefühl habe, ein Flugzeug voller Freude zu betreten, betrachte ich es doch als echten Meilenstein, dass ich heute zugebe, ein Problem zu haben, und mit professioneller Hilfe aktiv dagegen vorgehe. Als jemand, die so oft davon ausging, diese Angst sei einfach ein unvermeidbarer Teil von mir selbst, bin ich stolz darauf, heute auch nur daran glauben zu können, dass das in Zukunft vielleicht anders sein könnte.
Im November erwartet mich ein 13-stündiger Flug. Bis dahin werde ich versuchen, mein Mindset mithilfe der Hypnose-Aufnahmen so gut wie möglich darauf vorzubereiten. Ich weiß heute, dass ich es verdiene, mir selbst so gut wie nur möglich zu helfen – und mehr können wir schließlich alle nicht tun.
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