Frauen, die im Scheinwerferlicht stehen, haben zwei Möglichkeiten: Sie können „würdevoll“ altern – und damit meine ich natürlich so wie Jennifer Lopez oder Cindy Crawford, die einfach gar nicht zu altern scheinen – oder in der Versenkung zu verschwinden. Wenn sie sich nicht daran halten, müssen sie sich dem hohen Gericht der öffentlichen Meinung stellen. Und leider steht genau diese Öffentlichkeit Frauen über 35 nicht gerade sehr gnädig gegenüber.
Frag einfach mal Sarah Jessica Parker. Bei der diesjährigen Met Gala erregte sie ganz schön viel Aufmerksamkeit – und zwar nicht nur wegen des von einer Kathedrale inspirierten Outfits inklusive einer vergoldeten Krippenszene, die auf ihrem Kopf thronte. Wenn man den Kommentaren auf verschiedenen Medien Glauben schenkt, ist der gewagteste Detail SJPs Gesicht – weil sie gar nicht erst versucht hat, ihr Alter zu vertuschen. „Falls sie noch nichts machen lassen hat, dann sollte sie es jetzt auf alle Fälle dringend nachholen“ oder „Wann ist SJP 900 Jahre alt geworden?“ Das waren nur zwei der vielen abschätzigen Facebook-Kommentare. Bei sichtbaren Schönheits-OPs geraten vor allem Prominente immer wieder unter Beschuss, zeigt man dann aber sein Alter, wird auch das negativ kommentiert.
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Wenn du nicht gerade J.Los Gene hast (jetzt mal im Ernst: Wie macht sie das?), kannst du dich entweder mit deinen Falten und grauen Haaren anfreunden oder versuchen, dem Zahn der Zeit – wie Meg Ryan und Renee Zellweger – künstlich entgegenzuwirken. Wenn du dich für die zweite Option entscheidest, solltest du dich aber schon mal darauf einstellen, genauso verspottet zu werden. So erging es beispielsweise Meg Ryan, deren Gesicht 2016 das Trendthema Nummer 1 auf Facebook war – und das, obwohl nur ein Tag davor 49 Menschen bei einem Massaker in Orlando getötet wurden. In was für einer traurigen Welt leben wir eigentlich?
Eine Frau, die wir natürlich nicht vergessen dürfen, wenn es um das Altern in der Öffentlichkeit geht, ist Madonna. Sie weigert sich, die veralteten Vorstellungen zu akzeptieren und verhält sich bewusst nicht so, wie es ein Großteil der Gesellschaft von einer 59-Jährigen erwarten würde. Das löst jedoch bei vielen Wut oder sogar Ekel aus. Kennt ihr Carpool Karaoke? Da fährt der englische Komiker James Corden mit internationalen Musikgrößen durch die Gegend, singt mit ihnen zusammen ihre Songs und unterhält sich mit ihnen. Madonna fuhr 2016 bei ihm mit und twerkte auf dem Beifahrersitz. Am nächsten Morgen reagierte der Moderator Piers Morgan in der Fernsehshow „Good Morning Britain“ darauf: Er tat so, als würde er sich in einem Eimer übergeben. Pierce Morgan leistet sich zwar regelmäßig Kommentare, die man nur mit Kopfschütteln und Augenverdrehen kommentieren kann. Doch seine Reaktion hier spricht für mehr als nur einen eingeschränkten, mittelalten Briten, der es zu seinem Steckenpferd gemacht hat, flach zu provozieren: Mit ihren Outfits, Operationen und Männern wendet sich Madonna von dem ab, was von einer Frau, die auf die 60 zugeht, erwartet wird – und das kotzt scheinbar viele ganz schön an.
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„Menschen machen mich runter oder machen mir das Leben schwer, nur weil ich jüngere Männer date oder Dinge mache, die vermeintlich nur jüngere Frauen machen ‚dürfen’ – das ist Diskriminierung älterer Menschen“, erzählt Madonna The Cut im April. „Wer hat diese Regeln aufgestellt? Wer bestimmt sie?“
„Durch ihren offenen Umgang mit Sexualität ist Madonna schon oft angeeckt, aber nun, da sie fast 60 ist, erschreckt sie viele noch mehr“, so Dr. Carolyn Adams-Price, eine Professorin der Mississippi State University, deren Spezialgebiet die Psychologie des Alterns ist. Aber was genau finden einige Menschen an ihrem Verhalten so abstoßend?
„Ein Beispiel: Als ich meinen Studierenden erzählte, dass die meisten verheirateten Paare mit 60 mindestens ein Mal im Monat Sex haben (was wirklich stimmt), schockierte sie das mehr als alles, was ich ihnen bisher erzählt hatte.”
Vielleicht lautet die Antwort auf die Frage, welches Problem viele mit in der Öffentlichkeit alternden Frauen haben, Sex? Natürlich haben auch ältere Frauen und Männer Lust auf Sex. Und niemand scheint ein Problem damit zu haben, wenn Brad Pitt (54) oder George Clooney (57) die Hauptrolle in einem romantischen Film spielen.
„Einige Evolutionspsycholog*innen sagen, dass Männer Frauen während des Höhepunkts der fruchtbaren Jahre am attraktivsten finden“, erklärt Dr. Adams-Price. „Je älter Männer werden, desto mehr bevorzugen sie Frauen, die jünger sind als sie“. Ekelhaft. Ob Frauen aber auch Männer wollen, die viele Jahre älter sind, scheint komplett unbedeutend. Ungleichheit zwischen Schauspielerinnen und Schauspielern hat in Hollywood Tradition. Schauspielerinnen erreichen ihren professionellen Höhepunkt in ihren Zwanzigern. Statistiken zeigen, dass es für Frauen über 30 schon deutlich weniger Rollen gibt und mit 40 fallen ihre Schauspielchancen um etwa zwei Drittel. Gleichzeitig haben ihre männlichen Kollegen immer noch Zugang zu 80 Prozent der Hauptrollen – wie die Karriere des 56-jährigen Tom Cruise zum Beispiel beweist. Im Film Barry Seal: Only in America (2017) wird seine Ehefrau von Sarah Wright gespielt – einer Schauspielerin, die mehr als 20 Jahre jünger ist als Cruise. Offensichtlich ist es vollkommen in Ordnung, dass die Hauptdarsteller älter werden, aber dessen Angebetete dürfen es natürlich nicht.
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Der Grund dafür ist, dass die Filmindustrie immer noch von Männern dominiert wird: Bei den 250 erfolgreichsten US-Filmen des letzten Jahres waren nur 18 % der Director, Producer, Executive Producers, Autor*innen, Redakteure und Kameraleute Frauen.
Doch so langsam findet ein lang ersehnter Wandel statt. Frauen über 40 beweisen ohne jeden Zweifel, dass auch sie Geschichten haben, die erzählt werden müssen. Bei den diesjährigen Academy Awards waren alle Nominierten für den Titel „Beste Nebenrolle“ über 40 – genauso wie drei der Anwärterinnen für „Beste Hauptdarstellerin“. Allison Janney (58) gewann „Beste Nebenrolle“ für I, Tonya und die 60-jährige Frances McDormand staubte den Preis „Beste Hauptdarstellerin“ für ihre Rolle in Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ab.
Diese kleine, aber feine Entwicklung zeigt sich auch in der Kosmetikbranche, in der ebenfalls Schritte in Richtung Altersinklusion gemacht werden. Diese haben wir zum einen älteren Markenbotschafterinnen wie Helen Mirren und Charlotte Rampling und zum anderen der Ablehnung des Begriffes „Anti-Aging“ zu verdanken. Hoffentlich heißt das, dass wir es eines Tages tatsächlich ernst meinen, wenn wir zu Frauen sagen, dass sie in Würde altern sollen.
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