Es ist Samstagabend und ich bin unterwegs zum Pub, um meine Freund:innen zu treffen – ohne zu ahnen, dass ich gleich wieder auf wahnsinnig ernüchternde (wegen Pub, verstehst du?) Weise mit meinem Single-Sein konfrontiert werde. Als ich mich hinsetze, werfe ich einen Blick in die Runde und zähle kurz. Ich bin das 13. Rad am Wagen.
Ich habe mich inzwischen weitestgehend daran gewöhnt, die Single-Freundin in meiner Clique zu sein, obwohl ich auch schon mehrere längere Beziehungen hatte. Im Vergleich zu den anderen scheine ich im Beziehungs-Game aber eher zu verlieren; die meisten meiner Freund:innen sind schon seit über zehn Jahren zusammen.
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Anfangs waren da nur diese Standard-Pärchen, von denen alle wussten, dass sie irgendwann heiraten würden. Sie alle waren schon zu Schulzeiten zusammengekommen und waren in den Jahren seither so stark miteinander verschmolzen, dass sie quasi keine Individuen mehr waren. So wie Salz und Pfeffer.
Und so schön das auch mitanzusehen war, malte ich mir für mich selbst nie denselben Lebensweg aus. Mit 30 Jahren fühle ich mich immer noch wie eine Teenagerin. Kinder? Auf keinen Fall – zumindest nicht, bis nur noch circa drei Eizellen in meinem Körper auf ihren großen Moment warten. Ich habe meine Zwanziger stattdessen damit verbracht, meine Karriere voranzutreiben, meine geistige Gesundheit zu stärken, solo durch die Welt zu reisen und mir an Freitagabenden leckeres Knabberzeug reinzuschaufeln, während ich mir meine Lieblingsfilme in Dauerschleife anschaue.
Nachdem ich also jahrelang an meinen Unsicherheiten gearbeitet habe, habe ich einen Punkt in meinem Leben erreicht, an dem ich mich mit meinem Single-Lifestyle zutiefst wohl fühle. Mir gefällt, dass ich jeden Tag tun kann, was ich will, ohne die Bedürfnisse einer anderen Person berücksichtigen zu müssen. Ich mag das Gefühl, allein an einem neuen Ort zu sein, umgeben von Fremden. Ich genieße es, alleine in Restaurants zu essen und dabei ein Buch zu lesen. Das Single-Leben entspricht für mich in Wahrheit überhaupt nicht dem Albtraum, vor dem ich mich in meinen frühen Zwanzigern gegruselt habe. Inzwischen ist es sogar ein Lifestyle, den ich ungern aufgeben möchte.
Trotzdem wurde ich von meiner Reaktion überrascht, als meine anderen Single-Freund:innen nach und nach ins Pärchen-Team wechselten. Männer, die ich nie in einer Beziehung erlebt hatte, wurden plötzlich zu liebevollen Partnern. Sie zogen mit ihren neuen Freundinnen in gemeinsame Wohnungen, sprachen von Kindern und Ehe. Und dann heirateten sie tatsächlich.
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Es ist ein kompliziertes Gefühl, dich einerseits total über das Glück deiner Freund:innen zu freuen und gleichzeitig ihre Hochzeiten zu betrauern. Jeder Verlobungsring, jede Hochzeitskleid-Anprobe, jeder Junggesell:innenabschied, jedes Brautjungfernkleid war für mich eine Erinnerung daran, dass meine Freund:innen den metaphorischen Sprung vom Brett in ein neues Leben gewagt hatten – und dass ich immer noch am Beckenrand stand, trocken und allein. Es war unmöglich, nicht dauernd zu spüren, dass ich die einzige unverheiratete Frau in meinem Freundeskreis war (und die einzige Single-Frau sowieso!). Ich war die Einzige, die nicht mit einem neuen Partner oder einer neuen Partnerin in eine gemeinsame Wohnung zog; stattdessen lebte ich mit meiner Mama zusammen. Ich hatte seit zwei Jahren nicht mal mehr ein Date (wobei sich das auch irgendwie durch die Pandemie rechtfertigen lässt).
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Meine einzelgängerische Natur, auf die ich früher immer stolz gewesen war, wurde für mich plötzlich zum Bewältigungsmechanismus. Ich tröstete mich mit dem Wissen, mein Leben völlig alleine bewältigen zu können. Darauf konnte ich doch stolz sein!
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Im Gegensatz zu meiner Emo-Ära war das hier aber nicht „nur eine Phase“, die meine Freund:innen früher oder später hinter sich lassen würden. Schnell wurde meine Außenseiterinnenrolle zum neuen Standard. Bei gemeinsamen Essen zerbrach ich mir den Kopf darüber, wo ich sitzen sollte, damit ich keine Paare auseinanderhielt. Bei Spieleabenden musste ich direkt jemanden darum bitten, mit mir zusammenzuspielen, um nicht als Letzte gewählt zu werden. Sonntagabende in Bars endeten erschreckend früh, weil alle nach Hause wollten, um dort… Pärchendinge (?) zu machen. Meine einzelgängerische Natur, auf die ich früher immer stolz gewesen war, wurde für mich plötzlich zum Bewältigungsmechanismus. Ich tröstete mich mit dem Wissen, mein Leben völlig alleine bewältigen zu können. Darauf konnte ich doch stolz sein! Nur, weil ich mir das immer wieder ins Gedächtnis rief, konnte ich überhaupt noch Zeit mit meinen Freund:innen verbringen, ohne direkt in Selbstzweifel zu verfallen.
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Wenn wir uns aber mal mit der Psychologie hinter Freundschaften auseinandersetzen, ist es nicht schwer zu verstehen, wieso dieses Außen-Vor-Sein in uns Gefühle wie Unsicherheit, Neid oder Groll auslösen kann. „Unsere engsten Freund:innen und die Menschen, mit denen wir die meiste Zeit verbringen, haben einen enormen Einfluss auf unser Selbstbild und unser Empfinden von Beziehungen“, erklärt mir die Psychologin Ash King. „Wir bilden uns unser persönliches Ich-Empfinden durch andere Menschen: durch die Gruppen, zu denen wir gehören, und anhand dessen, was die von uns halten, wie sie uns behandeln und welche Verhaltensformen (oder sozialen Normen) sie präsentieren oder erwarten.“
Diese Vorbildfunktionen unserer Freund:innen und die von ihnen erwarteten sozialen Normen sorgen dafür, dass wir uns ausgestoßen, verloren, neidisch oder missgünstig fühlen, wenn sich die Leben unserer Freund:innen verändern – vor allem, wenn wir die Einzigen sind, die sich nicht dahingehend verändern. „Es ist eine emotionale Herausforderung, uns das Beste für unsere Freund:innen zu wünschen und uns für sie zu freuen, gleichzeitig aber enttäuscht oder verletzt zu sein oder uns sogar genau dasselbe zu wünschen, was sie haben“, erklärt King. Wenn unsere Freund:innen also neue Lebenserfahrungen sammeln und sich an die „soziale Uhr“ halten (so nennen King und andere Psycholog:innen die „kulturell definierte Timeline sozialer Meilensteine“), kann es schnell passieren, dass du dich außen vor oder „abgehängt“ fühlst. Diese Emotionen sind sogar völlig natürlich.
Zu dieser Timeline gehören beispielsweise der Uni-Abschluss, der Hauskauf, das erste Kind, und ja, auch die Hochzeit. King zufolge bekommen die Leute, die diese Punkte auf der gesellschaftlichen „To-Do-Liste“ abhaken, dafür oft Akzeptanz und Anerkennung, wohingegen diejenigen, die noch nicht soweit sind oder diese Timeline bewusst ignorieren, dafür „das Risiko der Ausgrenzung und Verurteilung durch die Gesellschaft eingehen, in der sie leben“. Das wiederum kann zu Ängsten, Depressionen oder einem negativen Selbstwertgefühl führen. Und wow, das hört sich alles sehr vertraut an.
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Wie bewältige ich also meine Freundschaften als einzige:r Single?
Natürlich gibt es kein garantiertes Erfolgsrezept, das in allen Szenarien alle Probleme beseitigt. King hat aber doch ein paar gute Ratschläge, die helfen können.
Mach dir bewusst, dass du nicht „kaputt“ oder „mangelhaft“ bist
Als einzige Single-Person in einem komplett vergebenen Freundeskreis kommen dir vielleicht häufig Gedanken wie: „Was stimmt nicht mit mir?“, „Warum habe ich niemanden?“, oder: „Mit mir muss was nicht stimmen, ich verdiene wohl keine Liebe.“ „Es passiert sehr schnell, dass man mental in solche Löcher fällt, vor allem, wenn man sich eigentlich eine Partnerschaft wünscht“, sagt King. „Es kann zwar helfen, dich in Selbstachtsamkeit zu üben und deine Beziehungsmuster besser zu verstehen. Schwere Selbstkritik hingegen ist weniger nützlich. Dadurch fühlst du dich eher nur noch schlechter.“
Gestehe dir ein, dass es einfach beschissen sein kann, sich allein zu fühlen
Wenn deine Situation in dir Trauer, Enttäuschung, Scham oder Neid auslöst, versichert dir King, dass das völlig normale Emotionen sind – vor allem, wenn du den Eindruck hast, der Verhaltens-„Norm“ in deinem Freundeskreis nicht entsprechen zu können. „Wir fühlen uns schnell isoliert, wenn wir nicht genau das tun, was andere tun, und es kann sich sehr einsam anfühlen, Single zu sein – vor allem in sozialen Situationen, in denen alle liebevoll vergeben sind“, sagt sie. „Erinnere dich daran, dass diese Gefühle ganz normal sind.“
Es ist schwer, das Gefühl zu haben, „hinterherzuhinken“
Der Druck, gewisse gesellschaftliche Meilensteine zu erreichen, kann für viele Menschen zu einem echten Trigger werden, meint King. „Obwohl das nicht unüblich ist, kann es schwierig sein, diese Gefühle selbst zu bewältigen. Es kann also helfen, dir mentalen Support zu holen oder dir vielleicht sogar andere soziale Communitys zu suchen, deren derzeitiger Beziehungsstatus oder deren Werte deinen eigenen ähneln.“ Es ist okay, dich verglichen mit anderen ein bisschen „abgehängt“ zu fühlen. Es ist aber auch genauso okay, diese Meilensteine komplett überspringen zu wollen. Es kann Wunder wirken, dich mit Leuten zu umgeben, die genauso denken wie du und ähnliche Prioritäten verfolgen.
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Du musst dir nicht wünschen, was alle haben (und wenn doch, ist das völlig okay)
„Es ist schwierig, wenn du feststellst, dass du dir von deinem Leben andere Dinge vorstellst, als gesellschaftlich von dir erwartet wird – und wenn du einsiehst, dass du das nicht willst, was sich andere um dich herum wünschen“, meint King. „Die Chancen stehen gut, dass sich andere genau dasselbe wünschen wir du! Und das Internet ist ein cooler Ort, um diese Menschen zu finden.“ Wenn du dir andererseits doch genau die gesellschaftlich erwarteten Meilensteine wünschst, ist das genauso okay. King findet es sehr wichtig, nie die Hoffnung darauf zu verlieren, eine:n Partner:in zu finden oder eine Familie zu gründen, wenn es das ist, was du dir wünschst. Schenke dir ein bisschen mehr Geduld. Bleib neugierig – und sei gut zu dir selbst.
Obwohl ich weiß, dass ich mich wohl nie plötzlich damit abfinden werde, quasi das schwarze Schaf in meinem Freundeskreis zu sein, ist es vielleicht wichtiger zu wissen, dass es da draußen noch so viele andere Leute gibt, die genau dieselben komplexen Emotionen durchleben. Vielleicht wäre es an der Zeit, einen virtuellen Filmclub mit anderen Single-Ladys zu gründen. Na, Bock?
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