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Wer ist wichtiger – Die Freunde oder der Partner?

Photographed by Renell Medrano.
„Also, was denkst du?“ Diese Frage ist eine echte Zerreißprobe für jede Freundschaft, egal ob es sich um einen Haarschnitt, einen Jobwechsel oder eine*n neue*n Partner*in handelt. Insbesondere die letzte Variante ist oftmals problematisch. Denn wenn die ehrliche Antwort auf diese Frage alles andere als ein Begeisterungssturm ist, wird die Sache schnell so richtig schwierig.
Ist es jemals okay, einem Freund oder einer Freundin zu sagen, dass du seine oder ihre neue*n Freund*in nicht magst? In den Anfängen einer Beziehung, wenn sogar ein Naserümpfen ein deutliches Veto bedeutet, solltest du besonders vorsichtig mit deinem Urteil sein. Denn du willst deinen Freund*innen schließlich nicht ihr junges Glück kaputt machen. Wenn die ganze Sache aber über die Zeit immer schlimmer wird und du merkst, dass du die oder den neuen Partner*in einfach echt gar nicht abkannst, stellt sich die Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit der Wahrheit rauszurücken?
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Spätestens seit die Spice Girls Ende der Neunziger in Wannabe sangen: „If you wanna be my lover, you gotta get with my friends”, ist klar: Freundschaft geht vor Beziehung. Die Generation unserer Mütter wurde noch dazu erzogen, sich einen Mann zu suchen, den sie dann zum Mittelpunkt ihres Lebens machen sollten. Nachdem aber die Girl Power propagiert wurde, sah das anders aus. Freundschaften bleiben bestehen, wo Beziehungen kommen und gehen. Diese vermeintliche Weisheit haben wir mittlerweile verinnerlicht.
Der oder die neue Partner*in muss zu unserem Leben passen, nicht umgekehrt. Und da Freund*innen in der heutigen Zeit für viele sowas wie die Ersatzfamilie geworden sind, muss sich der oder die Freund*in eben auch mit den wichtigsten Menschen in unserem Leben verstehen. Das wussten übrigens nicht nur die Spice Girls, sondern auch die Freunde in Friends und Bridget Jones. Anders geht es nicht. Oder?
Was sich in der Theorie wie eine wasserdichte Wahrheit anhört, ist gar nicht mal so leicht in der Praxis umzusetzen. Jedenfalls nicht ohne ein paar Vorbehalte. Großartige Freundschaften über mittelmäßige Beziehungen zu stellen, darauf können wir uns sicher alle einigen. Und auch ein stabiles soziales Umfeld außerhalb der Beziehung aufzubauen, ist eine gute Idee. Das kann sogar die Paarbeziehung stärken, wie eine Studie aus den Neunzigern bewies. Die Voraussetzung dafür ist aber natürlich, dass die Freundesgruppe den oder die Partner*in akzeptiert.
Aber wie wichtig ist es tatsächlich, dass alle, die du liebst, auch deine*n Partner*in lieben? Und können sich nicht auch Freunde vertun?
Wenn man die 28-jährige Louisa fragt, dann passiert das auf jeden Fall. Ihre besten Freunde konnten ihren neuen Freund von Anfang an nicht leiden. „Sie haben nie direkt über ihn hergezogen, aber wenn ich über ihn sprach, haben sie schon mal eine Augenbraue hochgezogen oder demonstrativ geschwiegen. Er ist eher schüchtern und sie haben sich nie die Mühe gemacht, ihn richtig kennenzulernen. Stattdessen haben sie ständig gesagt, was für ein seltsames Paar wir abgeben würden. Lange Zeit habe ich gedacht, dass ich einen riesigen Fehler mache, indem ich mit ihm zusammen bin.“ Heute sind ihre Freunde längst Geschichte. „Es tat mir weh, dass sie nicht versucht haben, den Menschen, den ich liebe, besser kennenzulernen. Unsere Freundschaft hat das schlussendlich nicht ausgehalten.“ Und ihr Freund? Der ist mittlerweile ihr Ehemann.
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Doch es gibt auch den umgekehrten Fall. Freund*innen, die deine*n Partner*in für perfekt halten, können genauso schwierig sein. Denn das führt oft dazu, dass du beginnst, an deinen eigenen Instinkten zu zweifeln. Genauso erging es der 33 Jahre alten Rachel. „Alle haben Alan vergöttert. Ich habe ihn auch geliebt, aber mit der Zeit wurde er besitzergreifend und eifersüchtig – allerdings nur hinter verschlossener Türe, wenn wir allein waren. Er machte gehässige Kommentare über meine Kleidung oder beschwerte sich darüber, dass ich ausgehe.“ Ihre Freunde waren aber derart auf Alans Seite, dass sie sein Benehmen als normales Beziehungsverhalten abtaten. „Als ich ihnen davon erzählte, sagten viele von ihnen, dass das aber komisch sei, und fragten sofort, ob es Alan gut ginge. Damals war der Begriff Gaslighting noch unbekannt, aber genau das war, was hier passierte.“
Auch die Beziehung von Daisy und ihrem Ex war unzertrennlich mit ihrem Freundeskreis verknüpft. Was ihre Freunde an ihm liebten, war genau das, was für sie zum Problem wurde: „Er war der Mittelpunkt jeder Party, und es machte wahnsinnig viel Spaß, mit ihm zu feiern. Nur war ich dann diejenige, die ihn sturzbetrunken nach Hause schleppen musste. Sie haben den Spaß bekommen, ich musste mich um das Nachspiel kümmern.“ Daisy blieb länger in der Beziehung, als sie wollte, weil sie Angst hatte, auch ihren Freundeskreis zu verlieren. Als sie dann doch den Schritt wagte, dreht besonders ein Freund durch. Sie hat daraus gelernt: „Ich trenne Beziehungen und Freundschaften mittlerweile ziemlich strikt. Ich bin vorsichtiger und hinterfrage, wenn Freund*innen mir einen Beziehungstipp geben.“
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Seine Freundschaften so rigoros von der Beziehung zu trennen, ist natürlich krass. Was wir uns schließlich alle wünschen, ist, dass alle sich so gut verstehen, dass wir unsere*n Partner*in im besten Falle sogar allein mit unseren Freund*innen losziehen lassen können. Ach, wenn es doch immer so unkompliziert wäre. Was die ganze Sache nur leider nochmal vielschichtiger macht, ist, dass auch unsere Freunde in ihren 20ern und 30ern emotionale Höhen und Tiefen durchleben. Für andere kann sich deshalb jede Entscheidung, die wir für uns selber fällen, anfühlen, als würden wir damit ihr Leben kommentieren. Wo der freundschaftliche Rat anfängt und wo die Unsicherheiten unseres Gegenübers anfangen, ist dabei manchmal gar nicht so einfach auszumachen.
Und selbst, wenn wir manchmal tief in unserem Inneren wissen, dass unsere Freund*innen recht haben, macht das die Wahrheit nicht unbedingt einfacher zu verkraften. Georgia verbrachte fünf Jahre in einer On-Off-Beziehung mit einem Mann, den ihre Freunde alle nicht leiden konnten. „Ich wusste, dass sie recht hatten und das führte zu Spannungen zwischen uns. Nicht, dass ich ihrem Urteil nicht vertraut hätte, aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Es ging so weit, dass ich ihnen gar nichts mehr aus unserem gemeinsamen Leben erzählte.“
Eine Studie aus dem Jahr 2015 untersuchte, wie junge erwachsene Frauen an ihren Beziehungen arbeiten. Heraus kam, dass sie den positivsten Einfluss auf ihre Beziehung dann fühlten, wenn sie ihre Beziehungsprobleme direkt mit ihrem Partner besprachen. Sich von seinem Partner hingegen abzuwenden und die Probleme stattdessen lieber mit Freunden zu diskutieren, führt in der Regel zu einer Instabilität innerhalb der Beziehung. Es ist also auf lange Sicht gesünder, in einer Beziehung ehrlich miteinander zu sein, als ewig auf Mondschein und Kerzenlicht zu machen und hinter seinem oder ihrem Rücken über den oder die Partner*in lästern. Seine Freunde zu sehr in seine Beziehung zu involvieren, ist hingegen kontraproduktiv. Eigentlich logisch, oder?
Trotzdem ist das in der Realität nicht immer so leicht zu befolgen. Manche Probleme besprechen wir vielleicht erstmal mit einer guten Freundin oder einem Vertrauten, bevor wir den Mut aufbringen, unsere*n Partner*in anzusprechen. Aber wir wollen unsere Freund*innen natürlich auch nicht gegen unseren Freund oder unsere Freundin aufbringen. Das Horrorszenario ist sicherlich immer noch, sich vorzustellen, wie unsere Freunde am Tage unserer goldenen Hochzeit mit uns anstoßen und so bei sich denken: „Ob Sam wohl immer noch seine abgeknipsten Zehennägel im Bett liegen lässt?“ Seinen Freundeskreis und die oder den Partner*in aber zu strikt zu trennen, kann auf lange Sicht nur zu einer Entfremdung führen. Georgie jedenfalls ist sich sicher: „Ab jetzt werde ich immer auf meine Freunde und meine Familie hören. Mir ist wichtig, dass sie den Menschen, den ich liebe, auch mögen. Wenn mir das nächste Mal Warnleuchten entgegenblinken, werde ich sie nicht ignorieren.“
Die Girl Power-Message der Spice Girls, dass Freunde immer wichtiger als eine romantische Beziehung sind, war also wahrscheinlich gar nicht so falsch. Sie war nur etwas zu vereinfacht ausgedrückt. Wir sollten uns nicht zwischen Freundschaften und unserem Partner oder unserer Partnerin entscheiden müssen. Wir sollten uns nur überlegen, wessen Rat wir uns wann zu Herzen nehmen – und wieso. Tief im Inneren kennen wir die Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen eh schon alle selbst.
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