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Solltest du Freund:innen jemals Geld leihen? Das meinen die Expertinnen

Illustration: Mallory Heyer
Wenn du Google fragst, ob du einem Freund oder einer Freundin Geld leihen solltest, ist sich die Internet-Finanzwelt ziemlich einig: Nein, nein, nein. Das kann für peinliche Situationen sorgen, das Geld siehst du womöglich nicht wieder, und in den meisten Fällen ist es das nicht wert, dafür eine Freundschaft zu zerstören. Das Dilemma dabei: Die Basis einer jeden Freundschaft ist gegenseitige Unterstützung – manchmal in Form von Geld. Gerade in Zeiten gruselig hoher Mietpreise (von der Pandemie mal ganz zu schweigen) gehört zu modernen Freundschaften eben oft auch, dass man einander mal finanziell unter die Arme greift. Trotzdem solltest du davor einiges bedenken, um zu garantieren, dass dieser Freundschaftskredit keinen Keil zwischen euch treibt.
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Die 26-jährige Ngoni Chikwenengere, Gründerin des Modelabels We Are KIN, lieh einer engen Freundin vor ein paar Monaten rund 1.100 Euro, als die ihre Miete nicht bezahlen konnte. „Sie hat es mir noch nicht zurückgezahlt. Wenn ich ihr schreibe, antwortet sie nicht – und das Thema Geld ist mir ohnehin immer schon unangenehm. Ich mag es nicht, meinem Geld hinterherrennen zu müssen“, sagt Ngoni und ergänzt, dass diese Freundschaft jetzt wohl beendet ist. Ngonis Situation zeigt, wie leicht es in engen Freundschaften dazu kommen kann, dass du dich dazu verpflichtet oder unter Druck gesetzt fühlst, deinen Freund:innen aus schwierigen Situationen herauszuhelfen – insbesondere, wenn die wissen, wie viel du verdienst oder angespart hast
In Anbetracht der doch recht großen Summe, die sie ihrer Freundin borgte, war Ngoni schon vorher etwas skeptisch. Ihre Freundin steckte aber eben in einer schwierigen Situation und konnte nicht auf die Hilfe ihrer Familie setzen. „Ich hatte genug Geld auf dem Konto, also war das für mich kein großer Einschnitt, aber es verunsichert mich trotzdem. So eine große Summe willst du auf jeden Fall zurückhaben – vor allem, wenn du selbstständig bist. Schließlich willst du immer gut was auf dem Konto haben.“ Trotzdem: Während weniger nachsichtige Leute damit vielleicht vors Bagatellgericht gezogen wären, möchte Ngoni das Ganze „lieber als Lektion betrachten – es ist bloß Geld“.
Früher hat Ngoni ihren Freund:innen immer gern Geld geliehen; die meisten davon sind ebenfalls selbstständig und leiden darunter, wenn ihre Klient:innen zu spät zahlen. Durch diese neue, negative Erfahrung ist Ngoni jetzt aber vorsichtig geworden. „Heute hängt das davon an, wer fragt. Wenn es um eine Summe geht, ohne die ich problemlos zeitweise leben oder ganz verschenken kann, ist das eine Sache. Bei größeren Summen lege ich aber einen fixen Rückzahlungstermin fest.“
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Gute Idee, denn: Selbst, wenn ihr von Anfang an offen und ehrlich zueinander seid, können Freundschaften darunter leiden, wenn ihr keine Deadline festlegt. „Vor ein paar Jahren jammerte eine Freundin rund um Weihnachten darüber, wie pleite sie sei“, erinnert sich die 38-jährige Raumgestalterin Elena* und ergänzt, dass diese Freundin schon vorher für ihre Schusseligkeit bekannt gewesen sei. „Ich bot ihr an, ihr Geld zu borgen, und sie meinte, das würde ihr wirklich helfen. Ich stellte aber direkt klar: ‚Ich leihe dir das und du kannst es mir nach und nach zurückzahlen, solange du aber immer daran denkst.‘“ 
Direkt überwies Elena ihrer Freundin rund 580 Euro, sagte ihr Bescheid und hielt in einer E-Mail ihre Rückzahlungsbedingungen und eigenen Kontodaten fest. „Ich bekam nicht mal ein Dankeschön.“ Sechs Monate vergingen – und Elena hatte noch immer keinen Cent wiederbekommen, obwohl ihre Freundin während dieser Zeit arbeitete. Also beschloss Elena, es anzusprechen. „Sie reagierte ziemlich gleichgültig und meinte: ‚Oh, schick mir doch bitte nochmal deine Daten.‘ Ich dachte mir: Warum muss ich jetzt ihr hinterherrennen? Es schien sie überhaupt nicht zu kümmern, wohingegen es mich verrückt machte. Ich befürchtete, das Geld für immer verloren zu haben.“
Das Thema Geld ist mit vielen starken Gefühlen verbunden – und wird zum Glück immer offener diskutiert. Elenas Groll beschränkte sich aber nicht nur auf die Gleichgültigkeit ihrer Freundin. „Sie kommt schließlich aus einer guten, mittelständischen Familie. Ich weiß, dass ich mich dabei unsympathisch anhöre, aber das ging mir direkt durch den Kopf. Ich hatte mir das Geld hart erarbeitet.“ Anderthalb Jahre später sprach Elena das Thema erneut an, weil sie glaubte, das Geld sonst nie wiederzusehen. „Ich meinte: ‚Ich mache mir Sorgen, dass du mir das nie zurückzahlst.‘ Also lieh sie sich Geld von ihren Eltern und gab es mir. Kein ‚Entschuldige‘, kein ‚Dankeschön‘.“
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Trotzdem hat diese Erfahrung Elena nicht davon abgeschreckt, anderen Freund:innen Geld zu leihen. In den letzten paar Wochen hat sie 230 und 115 Euro von zwei Leuten zurückbekommen. Und obwohl sie mit ihrer schusseligen Freundin immer noch „gut befreundet“ ist, wird sie denselben Fehler bei ihr nicht wiederholen. „Ich habe es gehasst, dass ich aussah wie die Böse, nur weil ich alle sechs Monate mein eigenes Geld zurückverlangte. Ich bin mir ganz sicher, dass sie es sonst komplett vergessen hätte.“

Ich habe es gehasst, dass ich aussah wie die Böse, nur weil ich alle sechs Monate mein eigenes Geld zurückverlangte. Ich bin mir ganz sicher, dass sie es sonst komplett vergessen hätte.

Elena*, 38, London
So – nun haben wir gehört, was passieren kann, wenn ein gut gemeinter Freundschaftskredit eine üble Wendung nimmt. Aber wie kannst du es besser machen? Zuallererst solltest du dir natürlich überlegen, ob du es dir überhaupt leisten kannst, diese Summe zu verleihen. Geht es hierbei nur um 50 Euro, oder um Tausende? „Hast du das Geld ohnehin schon in bar parat oder auf einem leicht zugänglichen Sparkonto rumzuliegen? Und ist es eine Summe, die du in nächster Zeit definitiv nicht brauchen wirst?“, fragt Lynn James, Finanzberaterin und Gründerin von Mrs Mummypenny
Als Nächstes nimm den:die Freund:in genau unter die Lupe – und sei dabei ganz ehrlich. James empfiehlt, dich selbst zu fragen: „Vertraust du zu 100 Prozent darauf, dass diese Person dir das Geld zurückzahlt? Und wie würdest du dich fühlen, wenn das nicht passiert? Wäre das das Ende eurer Freundschaft, oder könntest du darüber hinwegsehen?“ Wenn da bei dir Zweifel aufkommen, solltest du das Geld nicht verleihen – es sei denn, du kannst damit leben, es gegebenenfalls nicht wiederzusehen.
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Dann solltest du fragen, wofür das Geld gebraucht wird. Finde heraus, ob etwas Unschönes dahinterstecken könnte (vielleicht ernsthafte Schulden, eine Shopping-Sucht oder ein emotionaler Zwang zum Geldausgeben), und ob nicht jemand aus der eigenen Familie aushelfen könnte, empfiehlt die Finanzberaterin Bola Sol. „Wenn die Person darauf nicht antworten will, solltest du ein Nein in Betracht ziehen. Wenn ich im Nachhinein rausfinden würde, dass mein verliehenes Geld für irgendwas Frivoles benutzt wurde, wäre ich ziemlich sauer.“ Miete, ein kaputtes Auto oder dringende Rechnungen? Okay. Ein süßes neues Kleid? Nicht so okay.
Foto: Kieran Boswell.
Auch solltest du dir überlegen, wie es dir dabei gehen könnte, der Person beim Ausgeben „deines“ Geldes zuzusehen. „Deine Bank stört sich meist nicht daran, dass du dir einen Griechenland-Urlaub und eine teure Jeans gönnst, bevor du deine Kreditkartenrechnung bezahlst“, meint die Journalistin Laura Whateley, Autorin von Money: A User’s Guide. Als Freund:in macht es dich aber womöglich wütend, wenn du siehst, dass sich die Person mal dies, mal jenes gönnt, anstatt zuallererst die Schulden bei dir abzubezahlen. Wenn du vorher schon weißt, dass dich das nerven könnte, empfiehlt Whateley: „Stell direkt zu Beginn klar, dass das zum Problem werden könnte. Ansonsten einigt euch auf einen Termin, bis zu dem du dein Geld wiederhaben möchtest – bis zu diesem Datum darfst du dich dann nicht ärgern. Schließlich ist es auch nicht dein Recht, die Ausgaben anderer zu verurteilen.“
All das solltest du dir schon genau überlegen, bevor irgendwelches Geld die Hände wechselt. „Wenn dein:e Freund:in eine ganz andere Einstellung zum Geld hat als du – wenn er:sie zum Beispiel viel ausgibt, während du immer sparst –, solltest du das besonders gründlich durchdenken. Geld ist so emotional aufgeladen. Vielleicht betrachtest du die Ausgaben der Person als respektlos dir gegenüber, während sie nicht mal auf die Idee kommt, dass dich das ärgern könnte.“
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Liebe und Freundschaft bezahlen keine Rechnungen, und Gutgläubigkeit genauso wenig. Lass die Leihgabe nicht nur eine Freundschaftssache sein – es ist einfach, die Leute auszunutzen, die du am meisten liebst.

Bola Sol, Finanzberaterin
Und schließlich – das betonen James, Sol und Whateley eindrücklich – solltet ihr feste Bedingungen zur Rückzahlung festlegen. „Einigt euch darauf, wie das Geld zurückgezahlt wird, in welchem Zeitraum und wie viel pro Monat. Richtet am besten einen Dauerauftrag an, damit das Geld automatisch monatlich an dich geht. Glaub mir: Du hast keine Lust darauf, jeden Monat das Geld eintreiben zu müssen.“
Wenn ihr möchtet, könnt ihr eure Einigungen auch in einem Vertrag festhalten und hineinschreiben, ob du Zinsen verlangst. Sol ergänzt: „Liebe und Freundschaft bezahlen keine Rechnungen, und Gutgläubigkeit genauso wenig. Lass die Leihgabe nicht nur eine Freundschaftssache sein – es ist einfach, die Leute auszunutzen, die du am meisten liebst.“
Zuallerletzt empfiehlt Sol, ganz offen über eure Freundschaft zu sprechen, insbesondere, wenn sie euch beiden wichtig ist. „Lass die Person wissen, dass du nicht möchtest, dass der Kredit eure Freundschaft verändert und sie dir am Herzen liegt.“ Wenn ihr das möchtet, könnt ihr auch ausmachen, euch in Zukunft gegenseitig finanziell zu beraten und zu unterstützen
Wenn sie gut organisiert ist, kann eine finanzielle Leihgabe unter Freund:innen die Beziehung sogar noch vertiefen. „Ich habe mich immer komisch dabei gefühlt, Freund:innen und Partnern Geld zu leihen und mir Sorgen gemacht, es könnte unangenehm werden, wenn was schief geht und ich das Geld zurückverlangen muss“, gesteht die 29-jährige Anwältin Simone*. Für sie war es also eine große Sache, ihrem Verlobten rund 5.800 Euro zu leihen, weil ihm das Geld ausging. Simone wusste, wofür er das Geld brauchte, dass sie ihm vertrauen konnte und sie wegen ihres gut bezahlten Jobs auch ohne das Geld nicht am Hungertuch nagen würde. Trotzdem war das der größte Betrag, den sie jemals überwiesen hatte – und gerade in Liebesbeziehungen ist das Streitpotential bei finanziellen Themen groß. Simone ist dennoch optimistisch, dass der Kredit ihre Beziehung nur vertiefen wird. „Hoffentlich stärkt dieses gegenseitige Vertrauen darauf, dass wir einander selbst in schwierigen Zeiten unterstützen, unsere Beziehung und Ehe.“ 
*Namen wurden von der Redaktion geändert.
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