In dieser Welt ist nichts sicher – außer der Tod, die Steuer, und die Tatsache, dass mindestens eine Person aus deinem Freundeskreis mal jemanden datet, den oder die du nicht leiden kannst. Vielleicht ist diese:r Partner:in besonders angeberisch, oder unhöflich, oder macht rassistische, sexistische oder anderweitig diskriminierende Witze, die dich stören, oder verhält sich prinzipiell unsympathisch. So oder so: Das haben wir alle schon mal erlebt. Obwohl das definitiv eine sehr unangenehme Erfahrung sein kann, ist sie doch sehr geläufig. Aber ab wann ist es eigentlich okay, unsere Freund:innen auf ihre kontroversen Partner:innen anzusprechen – wenn überhaupt?
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Wie bei den meisten Dingen im Leben gilt auch hier: Es ist kompliziert. Die Ehe- und Familientherapeutin Moraya Seeger DeGeare weiß, dass es schwer mitanzusehen ist, wenn eine geliebte Person eine Beziehung mit einem Menschen eingeht, von dem wir nicht glauben, er sei es wert. „Wir wollen die Leute, die uns nah stehen, vor Schmerzen bewahren“, erklärt DeGeare. „Das können wir aber nur bis zu einem bestimmten Punkt tun. Ansonsten könnte es sein, dass die Person gar nicht mehr allein in der Gesellschaft besteht.“
DeGeare hat Recht: Wir müssen unsere Freund:innen auch Fehler machen lassen, aus denen sie lernen und an denen sie wachsen können. Gleichzeitig sollten wir bedenken, dass auch sie eigenständige Personen sind, die selbst Entscheidungen treffen können. Wenn du ihre Partner:innen aus eher banalen Gründen nicht magst – vielleicht, weil dir ihr Kleidungsstil nicht gefällt oder sie im Restaurant nicht genug Trinkgeld geben –, ist es daher vermutlich besser, das für dich zu behalten.
„Du solltest nicht davon ausgehen, die Meinung einer dir nahstehenden Person zu ihrer Beziehung ändern zu können“, meint auch die Ehe- und Familientherapeutin Erin Pash, Gründerin von Ellie Mental Health. „Das ist gar nicht deine Aufgabe. Deine Aufgabe ist es, für deine Liebsten da zu sein und sie zu unterstützen. Kannst du diese Unterstützung nicht leisten, solltest du dich von der Grenze des Einschreitens bewusst distanzieren.“
Obwohl wir unsere Freund:innen nicht vor allem beschützen können, können wir sie sehr wohl darauf ansprechen, wenn wir das Gefühl haben, sie seien in einer Beziehung nicht mehr ganz sie selbst oder würden darin sogar ihre eigenen Werte missachten. „Ich denke, dass wir unsere Freund:innen durchaus zur Verantwortung ziehen dürfen, wenn wir glauben, sie seien von ihren eigenen Werten abgekommen“, meint DeGeare. „Das heißt nicht, dass du in einer solchen Situation sagen solltest: ‚Du kannst diese Person wegen ihres Verhaltens nicht mehr daten!‘ Wenn euch aber eine enge Freundschaft verbindet und ihr einander vertraut, kannst du ruhig etwas sagen wie: ‚Hey, du verhältst dich momentan auf eine Weise, die gefühlt sehr weit von deinen Überzeugungen entfernt ist. Was ist da los?‘“
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Hinsichtlich unserer engsten Beziehungen und Freundschaften gilt oft: Ehrlich währt am längsten. „Letztlich werden sich Geheimnisse und Dinge, die wir verschweigen, immer irgendwie auf unsere Freundschaften auswirken“, meint Pash. „Es kann sehr belastend für eure Freundschaft sein, wenn du immer wieder Pläne absagst – zum Beispiel, wenn dich dein:e Freund:in zu Doppeldates mit der dir ungeliebten Person einlädt und du andauernd ablehnst.“ Pash zufolge sei es am besten, dich klar auszudrücken. „Du musst ehrliche Gespräche mit deinen Freund:innen führen können und sicherstellen, dass du deine Grenzen ziehst“, betont sie.
Wenn du feststellst, dass du den Partner oder die Partnerin überhaupt nicht leiden kannst, solltest du am besten zuerst mal deine persönlichen Gefühle beleuchten. Was genau stört dich an dieser Person so sehr? Fühlst du dich in ihrer Gegenwart unsicher, oder verurteilst du sie vielleicht zu schnell? „Wenn dir die Persönlichkeit eines Menschen einfach nicht gefällt, musst du leider manchmal einfach die Zähne zusammenbeißen und es über dich ergehen lassen“, erklärt Pash. „Wenn diese Person aber gemein zu deinem Freund bzw. deiner Freundin – vielleicht sogar missbräuchlich – oder unhöflich zu dir ist, solltest du eingreifen.“
Sobald du die Wurzel deiner Abneigung erkannt hast, sprich mit deinem Freund oder deiner Freundin darüber, was du brauchst, um dich in dieser Freundschaft weiterhin wohl zu fühlen. Sind das vielleicht Treffen zu zweit, ohne den:die Partner:in? Oder brauchst du mehr Distanz? Überlege dir, womit du dich am besten fühlen würdest, und führe ein offenes und ehrliches Gespräch über deine Bedürfnisse innerhalb dieser Freundschaft – und woher sie entspringen.
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„Es ist unheimlich wichtig, in Freundschaften die gegenseitige Neugier zu bewahren. Das stärkt und vertieft eine Freundschaft, wenn man das gut hinbekommt“, meint DeGeare. Es gibt durchaus Situationen, in denen du deine engsten Vertrauten wegen ihrer Beziehungen konfrontieren kannst und auch solltest – vor allem, wenn sich diese Beziehungen auch auf dein alltägliches Leben auswirken: Zum Beispiel, wenn sich ein:e Partner:in bereits offen homophob geäußert hat und du der LGBTQ+-Community angehörst. Du solltest auch dazu bereit sein, Grenzen zu ziehen, wenn dein:e Freund:in nicht dazu bereit ist, dir aufmerksam zuzuhören. Frage dich außerdem, ob du aktuell in der Lage wärst, mit der Widerrede deines Freundes oder deiner Freundin auf deine Kritik umzugehen.
Obwohl DeGeare zwar anerkennt, dass Freundschaften durchaus wegen solcher Probleme zerbrechen können, betont sie: Es ist wichtig zu verstehen, dass Menschen auch fähig sind, zu wachsen. Das bedeutet, dass auch der:die Partner:in durchaus aus der Vergangenheit lernen und sich ändern könnte (oder es vielleicht schon getan hat!).
Jemandem ein guter Freund oder eine gute Freundin zu sein, bedeutet auch, eine Person nicht direkt abzusägen, bloß weil du mit ihrer Partner:innenwahl nicht zufrieden bist. „Stoße niemanden auf diese Weise in eine Beziehung zurück. Denn was, wenn es wirklich eine missbräuchliche Beziehung ist, in der sich dein:e Freund:in nach deiner Ablehnung komplett isoliert?“, rät DeGeare. „Diese ungeliebte Person ist vielleicht einfach ein Teil des Lebenswegs deines Freundes oder deiner Freundin. Und so beschissen das sein kann: Bloß, weil du den potenziellen Herzschmerz schon vorher erkennst, heißt das nicht, dass du deinem Freund oder deiner Freundin die Arbeit abnehmen kannst, diesen Schmerz selbst zu erkennen“, meint sie.
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Freundschaften sind für unser Wohlbefinden unheimlich wichtig und helfen uns dabei, ein erfülltes Leben zu führen – und wir sollten nicht zulassen, dass ihre Beziehungen (mit Ausnahmen, versteht sich) unsere Freundschaften ruinieren.
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