Im Februar 2016 erschien in der New York Times ein Artikel, der zu erklären versuchte, warum uns der Gedanke, die Sache mit dem Heiratsantrag nicht unseren (männlichen) Partnern zu überlassen, auch im Jahr 2016 noch Unbehagen bereitet – und das obwohl Single-Frauen in den USA noch niemals zuvor so viel Macht hatten wie jetzt. Die Überschrift zu lesen reichte schon aus, um mein Blut in Wallung zu bringen.
Wie Alix Strauss erklärt, gibt es dank einer irischen Nonne aus dem fünften Jahrhundert, die bestrebt war, die traditionell ungleichen Geschlechterrollen etwas auszutarieren, einen Brauch, der es Frauen erlaubt ihren Partnern einen Antrag zu machen – an Schalttagen, genau wie in dem furchtbaren Amy-Adams-Film. Es ist natürlich lächerlich, dass das nur an einem einzigen Tag alle vier Jahre in Ordnung sein soll. Aber wenn sogar einer mittelalterlichen Nonne klar war, dass die Art, wie Heiratsanträge meist ablaufen, ziemlich sexistisch ist – und das sogar lange bevor Romantik eine Rolle spielte, als Ehen noch aus rein geschäftlichen Überlegungen eingegangen wurden – dann ist es jetzt, 1.600 Jahre später, vielleicht an der Zeit, dass wir eine Tradition in Frage stellen, die Männern die alleinige Macht über eine so wichtige Entscheidung gibt.
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Ich bin zwar offiziell „single” – zumindest wenn es nach dem Finanzamt geht – aber tatsächlich seit beinahe acht Jahren mit dem selben Mann zusammen. Unsere Tochter ist gerade ein zwei Jahre alt geworden. Wir sind dabei, ein Haus zu kaufen. Und wir haben vor, den Rest unseres Lebens gemeinsam zu verbringen. Aber ich würde mal behaupten, dass wir zumindest zum Teil deswegen kein großes Bedürfnis haben, es amtlich zu machen, weil wir uns nicht mit der sexistischen Kackscheiße abfinden wollen, die hinter so vielen Hochzeitsbräuchen steht.
Warum haben wir, wenn es um Anträge geht, eigentlich so große Angst davor, die Regeln zu brechen? Eine der Expertinnen im Times-Artikel sagt, dass Frauen noch immer umworben werden und Männer sich nicht bedrängt oder machtlos fühlen wollen. Beth Montemurro, Professorin für Soziologie an der Penn State University, gibt den Sozialen Medien die Schuld. „Frauen wollen nicht als unfeminin, zu sexuell oder aufdringlich gesehen werden. Und Männer befürchten, in der Öffentlichkeit emaskuliert zu werden. Sie haben eventuell Angst davor, Risiken einzugehen und Geschlechterrollen in Frage zu stellen, weil sie sich um ihr Ansehen sorgen.”
Okay – kann man mein Augenrollen spüren?
Mein Instinkt sagt mir, dass die Frauen, die eher bereit wären, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, sich einfach nicht sicher sind, wie sie überhaupt zur Ehe stehen. Um das mal klarzustellen, ich bin nicht aus Stein. Ich liebe Geschichten von wahnsinnig romantischen Anträgen genauso sehr wie jede*r andere auch. Aber ich glaube trotzdem, dass es ziemlich lächerlich ist, den Irrglauben am Leben zu erhalten, dass Männer den Zeitpunkt des Antrags in der Hand haben müssen – dass dieser Moment weniger romantisch oder weniger legitim ist, wenn die Frau auf die Knie geht. Wenn eine Frau sich wünscht, dass ihr Partner ihr einen Antrag macht, ist das wunderbar. Aber wenn sie selbst aktiv werden will, sollte sie sich keine Gedanken darüber machen müssen, ob sie von der Gesellschaft dafür verurteilt wird oder ob er sich entmannt fühl – ob öffentlich oder vor seiner Liebsten. Eine Liebeserklärung sollte kein verschlüsselter Machtkampf sein.
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Der Anteil verheirateter Frauen war noch niemals so gering wie jetzt. Wir werden heute nicht mehr über unsere Ehepartner definiert. Dank der Frauenrechtsbewegung stehen uns so viele Optionen für die Gestaltung unseres Lebens offen. Aber wenn wir die gesellschaftlichen Vorstellungen von Heiratsanträgen niemals in Frage stellen – oder sagen, dass Frauen nur an einem Tag alle vier Jahre selbst einen Antrag machen können –, dann werden sich die Dinge niemals ändern.
Vielleicht ist das für viele auch gar kein Grund ist, sich aufzuregen. Aber ich glaube, dass die Implikationen dieser Tradition viel tiefer gehen, als wir denken, wie es eben bei alten Bräuchen und standardisierten Abläufen so oft der Fall ist. Falls meine Tochter jemals heiraten möchte, will ich, dass sie keine Scheu hat, ihrem Partner oder ihrer Partnerin einen Antrag zu machen, egal wer es ist (solange ich diese Person mag, natürlich).
Wir Millennials werden oft unfair stereotypisiert, aber es gibt einen Punkt, bei dem die Medien tatsächlich recht haben: Wir sind eine Generation, die Dinge aufmischt, die sich weigert, sich in überholte Schubladen stecken oder vorschreiben zu lassen, was sie zu tun hat. Ich glaube, dass es an uns ist, diese Tradition abzuschaffen. Stellt euch doch mal eine Welt vor, in der es keinen Grund gibt, Artikel über Frauen zu schreiben, die ihren Partnern Anträge machen, weil das etwas ist, das in der Hälfte aller Beziehungen der Fall ist. Einfach so. Schön, oder?
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