Wenn Jameela Jamil gern mit dir befreundet wäre, würde sie dir das einfach offen und geradeaus sagen. Als sie vor vier Jahren von London nach Los Angeles zog, kannte sie dort niemanden außer ihren Freund James Blake. Sie musste also noch mal ganz von vorn anfangen, sich einen Freundeskreis aufzubauen – und dafür musste sie selbst aktiv werden.
Eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstitut SPLENDID RESEARCH vom Frühjahr 2017 besagt, dass sich vier von fünf der Befragten (1.039 Personen zwischen 18 und 70 Jahren) zumindest manchmal einsam fühlt. Schon erschreckend, oder? Besonders, wenn man bedenkt, dass allein der Blick in den Insta-Feed ein ganz anderes Bild zeigt. Hier wirken immer alle so glücklich und zufrieden auf den Fotos vom #girlsweekend oder der #girlsnightout. Dieser Unterschied zwischen Darstellung und Realität ist es, der Jameela dazu bewegt hat, offener über das Thema Einsamkeit zu sprechen und darüber, wie schwer es ist, als Erwachsene*r neue Freundschaften zu knüpfen.
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Zusammen mit Bumble BFF hat sie die Kampagne #AskingForAFriend ins Leben gerufen, mit der sie Frauen dazu ermutigen will, ihr Netzwerk auszubauen. Wir haben mit der britischen Schauspielerin, Moderatorin und Aktivistin über das Projekt, Sozialphobien und ihren inklusiven Instagram-Account gesprochen.
Refinery29: Welchen Rat würdest du einer Person geben, die in eine neue Stadt gezogen ist und auf der Suche nach Freund*innen ist?
Jameela Jamil: Ich denke, unsere Generation hat zu viel Angst vor Zurückweisung, doch wir müssen lernen, dass das nicht das Ende der Welt ist. Es ist okay, wenn jemand nein zu dir sagt – egal, ob es nun um Liebe, Sex oder Freundschaft geht. Wir müssen uns trotzdem trauen, rauszugehen und uns neuen Leuten gegenüber zu öffnen. Oft unterschätzen wir nämlich, wie viele Menschen genau das Gleiche fühlen und dieselben Dinge durchmachen wie wir. Wenn du dich dann doch mal überwindest, lautet die Antwort auf die Fragen wie Hast du Lust mal was mit mir trinken zu gehen? oder Willst du meine Freundin sein? demzufolge oft: Cool, dass du fragst! Ich wollte dich auch ansprechen, habe mich aber nicht getraut.
Wenn ich mich damals, als ich nach Los Angeles gekommen bin, nicht getraut hätte, Fremde anzusprechen und ein Nein zu riskieren, hätte ich heute vielleicht immer noch keine Freund*innen. Als ich herzog, kannte ich nur meinen Partner. Freund*innen zu finden, hat mich viel Überwindung und Anstrengungen gekostet. Ich musste mich wirklich dazu zwingen, auf andere zuzugehen. Und ich bin sehr froh, dass ich genau das auch gemacht habe, denn dadurch habe ich Menschen kennengelernt, die mittlerweile einige meiner allerbesten Freund*innen sind. Wir müssen lernen, Gesten zu machen, die zeigen, dass wir Interesse an einer Freundschaft haben.
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Ich denke, die ganzen Hollywood-Filme sorgen dafür, dass wir glauben, wir müssten automatisch durch die Schulzeit einen großen Freundeskreis haben – und das uns dieser ein Leben lang erhalten bleibt. Aber die Realität sieht komplett anders aus. Ich habe selbst habe meine besten Freund*innen erst mit Ende 20, Anfang 30 getroffen, sprich als ich längst als der Schule raus war. Manche sogar erst im letzten Jahr! Außerdem brauche ich immer neue Freund*innen. Das Gefühl der Zugehörigkeit und der Community kann nie zu groß sein. Meine Beziehung zu meiner Familie ist nicht so eng, deswegen habe ich mir meine eigene Familie aufgebaut – mit Freund*innen, die ich mir selbst gesucht habe.
Hast du schon mal online Freund*innen gefunden?
Ja, durch die I-Weigh-Community auf Instagram. Dort herrscht ein echtes Gefühl der Solidarität und Gemeinschaft und das, obwohl wir alle aus verschiedenen Teilen der Erde leben. Doch allein schon durch den Fakt, mit anderen durch Nachrichten kommunizieren zu können und sich umeinander zu kümmern, half mir dabei, zu realsieren, dass ich nicht allein bin. Einsamkeit kann sehr schädlich für uns sein – nicht nur für unsere psychische, sondern auch für unsere physische Gesundheit. Wir brauchen Freund*innen, weil wir durch sie Glückshormone ausschütten, weil sie uns dabei helfen, unser Stresslevel zu reduzieren und weil wir uns auch mal bei ihnen auskotzen können. Wenn uns das alles fehlt, sind wir irgendwann super gestresst und Stress kann uns auf lange Sicht auch krank machen. Ich denke es ist wichtig, die Stigmen aus dem Weg zu schaffen, die damit einhergehen, wenn jemand zugibt, sich einsam zu fühlen. Denn tatsächlich es ist extrem wichtig, sich selbst einzugestehen, was man fühlt. Ich glaube, ein Grund dafür, dass das vielen jedoch immer noch so schwer fällt, sind die sozialen Medien. Sie vermitteln uns manchmal einen falschen Eindruck von Gemeinschaft. Versteh mich nicht falsch: Ich bin überzeugt davon, dass es auch in den sozialen Medien echten Zusammenhalt und echte Freundschaften gibt! Doch manchmal denken wir, wir wüssten dank Instagram, Facebook und Co. was im Leben unserer Freund*innen abgeht, obwohl das in Wirklichkeit gar nicht der Fall ist. Was wir sehen, sind die nur Highlights aus ihrem Leben. Niemand zeigt online sein komplettes Leben mit all seinen Facetten. Die sozialen Medien allein reichen also nicht aus, um zu wissen, wie es jemandem gerade wirklich geht.
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Warum hast du dich für die Kampagne gerade mit Bumble zusammengetan?
Bumble passt einfach super zu mir und dem Projekt. Ich hatte nie superviele Freund*innen als ich jünger war. Ehrlich gesagt hatte ich fast keine Freund*innen bis ich etwas 19 Jahre alt war! Deswegen fühlte ich mich auch Anfang meiner 20er noch sozial unfähig und ängstlich. Doch zu lernen, wie man neue Freundschaften knüpft, war eines der wichtigsten, erfüllensten Dinge in meinem Leben. Mir ist bewusst geworden, welchen riesengroßen Unterschied es machen kann, gemeinsam mit Freund*innen durch’s Leben zu gehen. An Bumble finde ich so toll, dass es Frauen dazu ermutigt, den ersten Schritt zu machen – sie haben es selbst in der Hand, glücklich zu werden. Egal, ob es darum geht Liebe, Freundschaften oder einen Job zu finden. Mittlerweile frage ich sogar sehr gern Menschen ganz offiziell, ob sie mit mir befreundet sein möchten.
So Viele Freundschaften entstehen im Arbeitsumfeld. Hast du eine Work Wife oder einen Work Husband?
Ich glaube, Ted Danson ist mein Work Husband. Ich habe so viel von ihm gelernt – sowohl auf beruflicher als auch privater Ebene. Er hat mir so viel darüber beigebracht, was echtes Interesse ist und wir man es zeigt. Ich bin so froh, dass er mich mit offenen Armen aufgenommen und alles beigebracht hat, was man in der Branche wissen muss.
Was denkst du über Cliquen? Gibt es diese Art von festem Freundeskreis im Erwachsenenalter überhaupt noch?
Ich denke, Cliquen sind nicht mehr so ein großes Ding, wenn du älter wirst, allein, weil es unmöglich ist, mit mehr als zwei Freund*innen einen gemeinsamen Termin für ein Date zu finden! Ich meine wie haben das die Mädels von Sex and the City denn bitte geschafft? Sie hatten doch alle Jobs und trotzdem haben sie sich ständig zum Brunch getroffen! Im echten Leben ist sowas einfach nicht möglich. Ich bin froh, wenn wir es einmal im Monat schaffen, uns zu sehen! Abgesehen davon bin ich ein großer Fan von Zweier-Freundschaften. Wenn man sich zu zweit trifft, kann man auch viel besser tiefe Unterhaltungen führen, sich wirklich Zeit für einander nehmen. Ich denke, es ist wichtig, unterschiedliche Freund*innen zu haben, mit denen du dann jeweils gewisse Charakterzüge oder Meinungen teilst. Natürlich ist es aber auch mal schön, sich mit mehreren Leuten gleichzeitig zu treffen, aber die verschiedenen Persönlichkeiten passen nun mal nicht immer zusammen. Und bei Gruppen von mehr als fünf Leuten kommen außerdem meine soziale Ängste wieder zum Vorschein.
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Warum hast du dich dazu entschlossen, I Weigh zu gründen?
Als ich vor ein paar Jahren damit anfing, soziale Plattformen zu benutzen, fiel mir auf, dass wir ständig über das Gewicht von Frauen sprechen. Manche posteten sogar Fotos von berühmten Frauen und schrieben quer über den Körper das Gewicht. Das würde doch niemand bei einem Mann machen! Die einzige Zahl, die man da angeben würde, wäre das Gehalt. Das Gewicht wäre allen komplett egal. Als mir das bewusst wurde, postete ich selbst auf Twitter und Instagram, wie schwer ich bin. Meine finanzielle Unabhängigkeit, mein Aktivismus, die gesundheitlichen Probleme, die ich überstanden hatte, meine Ängste, mein Partner, meine beste Freundin – ich zählte alles auf, was mich ausmacht. Denn ich wiege so viel wie die Summe all dieser Dinge. Als ich den Post veröffentlichte, hatte ich keine Erwartungen. Ich war nicht davon ausgegangen, dass mir jemand antwortet oder überhaupt irgendwie reagiert. Doch ich bekam innerhalb eines Tages tausende von Nachrichten von verschiedenen Frauen! Selbst ein paar Wochen später wurde ich immer noch angeschrieben. Also beschloss ich, einen Instagram-Account zu erstellen, der mir die Möglichkeit gab, all diese wundervollen Fotos und Erfahrungen, die man mit mir geteilt hatte, mit der Welt zu teilen. Mittlerweile hat der Account über 830.000 Follower und die Community wächst weiter. Mein Ziel ist es, Ende des Jahres eine Multimedia-Plattform in Form einer Website aufgebaut zu haben, die absolut inklusiv ist und den Menschen, die sich bisher nirgendwo richtig zugehörig gefühlt haben einen Ort zu geben, an dem sie sich willkommen fühlen. I Weigh soll dafür sorgen, dass sich niemand ausgeschlossen fühlt.
Als Person der Öffentlichkeit hast du viele Follower. Besonders auf Social Media hast du Themen wie Body Positivity und Authentizität vorangetrieben. Fühlst du dich ein Stück weit verantwortlich dafür, Dinge, die dir gegen den Strich gehen, offen anzusprechen?
Als Teenager war ich ziemlich kaputt, verwirrt und leicht zu beeinflussen – was zum Teil an meiner Erziehung lag und zum Teil an der Welt, in der ich großgeworden bin. Durch die Gesellschaft und die Medien hatte ich falsche Vorbilder. Doch jetzt habe ich durch diese Plattform das Privileg, etwas ändern zu können und ich bin entschlossen, sie verantwortungsvoll zu benutzen. Ich möchte sicherstellen, dass andere unter besseren Umständen aufwachsen und nicht wie ich jahrelang unglücklich sind, nur weil ihnen die Welt falsche Werte verkauft. Aber ich tue das alles nicht, weil ich mich verantwortlich fühle, sondern weil es einfach das Richtige ist. Ich will den Rest meines Lebens damit verbringen, auf alles Schlechte und Böse aufmerksam zu machen, denn ich habe die Macht dazu, etwas zu verändern.