Wer heutzutage die Karriereleiter hochklettern will, hat viele Herausforderungen zu bewältigen. Es reicht nicht mehr aus, die Ärmel hochzukrempeln und Vollgas zu geben, um beruflich aufzusteigen (als ob das jemals der Fall gewesen wäre). Der Weg zum Erfolg ist jetzt entschieden zickzackförmiger: von trivialen Dingen wie der Erwartung, dass man Begriffe wie „Pivot“ und „Triangulation“ verwendet, über informelle Networking-Treffen nach der Arbeit (nein, Daniel, ich möchte keinen weiteren Drink) bis hin zu viel ernsteren Angelegenheiten wie sexueller Belästigung, impliziter Voreingenommenheit und offenkundiger Diskriminierung, welche die Arbeitswelt düster erscheinen lassen. Auch die Arbeitsumstände haben sich verändert: von Start-ups ohne Personalabteilung bis hin zur Selbstständigkeit als Freiberufler:in. Nicht selten sind wir nicht mehr mit der (relativen) Sicherheit gesegnet, die eine Festanstellung zu bieten hat. Wenn dann noch eine Pandemie zu all diesen Faktoren hinzukommt, ist es überhaupt ein Wunder, dass wir uns inmitten von Zwangsurlauben und Entlassungen, Homeoffice und Arbeitgeber:innen, die COVID nicht ernst genug nehmen, über Wasser halten können.
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Deshalb könnten wir alle sicherlich ein wenig Unterstützung gebrauchen. Zum Glück greift Cate Sevilla, Schriftstellerin, Autorin und Redakteurin der Website The Pool, die auch in solchen Hochdruckunternehmen wie Google gearbeitet hat, uns mit ihrem praktischen Guide How To Work Without Losing Your Mind unter die Arme. Darin erklärt sie, wie du mit schrecklichen Manager:innen umgehst, die vielleicht sogar von Manipulationsstrategien wie Gaslighting Gebrauch machen, wie du ein Burn-out verhinderst und lernst, damit aufzuhören, dich ständig mit anderen zu vergleichen. Dieses Handbuch kann dir also enorm dabei helfen, dich in unserer heutigen, verwirrenden Arbeitswelt zurechtzufinden. Diese Woche bietet die Expertin zusätzliche Hilfeleistung, indem sie das Augenmerk auf eine konkrete, herausfordernde Situation in einem Arbeitskontext richtet und erklärt, wie du dich hier am besten verhalten solltest:
„Ich denke, dass ich für den nächsten Schritt in meiner Karriere bereit bin. Zum Glück hatte die Pandemie keine Auswirkung auf meinen Arbeitsplatz. Außerdem herrscht in der Branche, in der ich tätig bin, kein Beschäftigungsstopp, weshalb es gute Aussichten auf Neueinstellungen gibt. Ich habe mich also umgesehen und ein paar Stellen gefunden, für die ich qualifiziert bin. Mein Problem ist, dass mir bei Vorstellungsgesprächen immer die Nerven durchgehen und ich dann plötzlich enorm schüchtern werde. Prinzipiell bin ich eh schon ein sehr schüchterner Mensch. Glücklicherweise besetze ich momentan eine Rolle, in der ich nicht ständig von Angesicht zu Angesicht mit anderen Menschen sprechen muss. Aus diesem Grund sind Vorstellungsgespräche tatsächlich die einzige Situation, in denen meine Schüchternheit zum Problem wird. Ich hatte in der Vergangenheit schon einige Job-Interviews, die ich zweifelsfrei vermasselt habe, weil ich mich einfach nicht so präsentieren konnte, wie ich es eigentlich wollte und vorhatte: Meine Handflächen waren verschwitzt, ich stammelte – ein absoluter Albtraum. Was kann ich also tun, damit ich mich bei solchen Gesprächen nicht länger unter Wert verkaufe? Übrigens: Auf Zoom habe ich mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen (natürlich).“
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Cate: Es freut mich, dass sich Pandemie nicht auf deinen Job ausgewirkt hat und du die Möglichkeit hast, dich nach einer neuen Stelle umzusehen. Was dein „Problem“ mit deiner Schüchternheit betrifft, so ist mir aufgefallen, dass du bei diesem Thema und dir gegenüber ziemlich harsche Ausdrücke und Worte verwendest. Du führst an, dass du Vorstellungsgespräche „vermasselt“ hast und beschreibst diese Situation – und damit auch indirekt dich selbst – als absoluten „Albtraum“. Schüchtern und introvertiert zu sein, ist aber auf keinen Fall etwas Negatives. Ich denke nicht, dass deine Persönlichkeit das Problem bei Vorstellungsgesprächen ist. Viel eher erscheint mir deine Aufregung problematisch und hinderlich. Es ist völlig in Ordnung, keine besonders gesellige oder extrovertierte Person zu sein; Büros und Unternehmen brauchen und suchen alle Arten von Personen, auch „schüchterne“.
Wenn es um das Thema Vorstellungsgespräche geht, würde ich damit beginnen, herauszufinden, was die Ursache für deine Nervosität ist: Hast du Angst davor, dass du etwas gefragt wirst und du keine Antwort parat hast oder dass man versucht, dich zu überrumpeln? Leidest du vielleicht an einem Imposter-Syndrom und hast extreme Selbstzweifel? Was ist deine größte Sorge? Du kannst selbst dahinterkommen, indem du anfängst, ein Tagebuch zu führen oder mit Freund:innen, Therapeut:innen oder Karriere-Coaches sprichst – falls dir diese Möglichkeit offensteht. Mir ist bewusst, dass das bei vielen leider nicht der Fall ist. Je nachdem, was du dabei herausfindest, würde ich dir dazu raten, daran zu arbeiten, deine Denkweise neu auszurichten. Wenn du den Interview-Raum betrittst und dich unwichtig und kleiner als die anderen Beteiligten fühlst, wirst du dich viel zu sehr darauf konzentrieren, deine Gesprächspartner:innen verzweifelt von deiner Kompetenz zu überzeugen. Mit dieser Vorgehensweise und Einstellung setzt du dich nur unnötig unter Druck und verlierst deshalb deine Fassung.
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Anstatt ein Vorstellungsgespräch wie eine Audition für Deutschland sucht den Superstar anzugehen, solltest du dir bewusst machen, dass solche Interaktionen wechselseitig sind. So wie dein Gegenüber versucht, herauszufinden, ob du für die Stelle geeignet bist, solltest auch du probieren, festzustellen, ob das Unternehmen, das Team und die Stelle an sich gut zu dir passen. Du kannst die Richtung eines Vorstellungsgespräch mitbestimmen, auch wenn es dir vorkommt, als seist du die einzige Person, die auf dem heißen Stuhl sitzt.
Du solltest auch in dich hineinhören und herausfinden, was dir bei der nächsten Stelle und dem entsprechenden Unternehmen am wichtigsten ist. Ist es zum Beispiel eine Gehaltserhöhung, auf die du vor allem aus bist? Vielleicht geht es dir um berufliche Weiterentwicklung und deinen nächsten Karriereschritt. Möglicherweise möchtest du dir bestimmte, neue Fähigkeiten aneignen. Sobald du dir all das bewusst gemacht hast, solltest du deine Fragen während dieser Gespräche (und Vorstellungsgespräche sollten sich wie eine Konversation, nicht wie ein Verhör anfühlen) ansprechen, um feststellen zu können, ob die Rolle in Frage auch tatsächlich deine Erwartungen erfüllen kann. Wenn die Person, mit der du das Vorstellungsgespräch hast, energielos, vage oder sogar abwehrend auf deinen Input reagiert, sollte bei dir ein rotes Licht aufblinken. Hör auf dein Bauchgefühl, wenn dir die Reaktion deines Gegenübers wie ein Warnsignal vorkommt.
Zu verstehen, was die Ursache für deine Aufregung bei Vorstellungsgesprächen ist, anstatt dich selbst herunterzumachen, ist ein wirklich guter Anfang, um deine Nervosität und Schüchternheit zu bewältigen. Wenn dir klar geworden ist, was du von der Stelle, für die du dich bewirbst, erwartest und Vorstellungsgespräche als wechselseitige Unterhaltungen ansiehst, wird du hoffentlich die nächste Sprosse auf deiner Karriereleiter erreichen. Viel Glück bei der Jobsuche!
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