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Ich hatte 7 Jahre lang keine Periode – wegen zu viel Sport & wenig Essen

Foto: Ruby Woodhouse.
Letzten Monat – während meines ersten Urlaubs seit der Pandemie – bekam ich unerwartet meine Tage. Für die meisten anderen Leute wäre das wohl ein kleines oder großes Ärgernis gewesen; für mich war es ein Grund zum Feiern.
Wegen eines Syndroms namens RED-S (relative energy deficiency in sport, z. Dt.: „relativer Energiemangel im Sport“) hatte ich zu dem Zeitpunkt seit sieben Jahren keine Periode mehr gehabt. Die Hauptsymptome eines RED-S sind Amenorrhö (das Ausbleiben der Regel), wenig Energie, ein gestörtes Essverhalten und eine unterdurchschnittliche Knochendichte. Zu anderen Anzeichen gehören Reizbarkeit, regelmäßige Verletzungen und Magen-Darm-Beschwerden.
Ich war damals kein sportlicher Mensch und auch nicht untergewichtig – also traf keins der typischen Vorurteile auf mich zu, die sonst mit der ausbleibenden Periode verbunden werden. Ich machte einfach bloß eine schwierige Zeit in meinem jungen Erwachsenenleben durch und versuchte unbewusst damit klarzukommen, indem ich mehr Sport machte und weniger aß. Ich hatte keine Essstörung (ein weiteres Vorurteil), lieferte meinem Körper aber trotzdem nicht genug Energie, die er für seine normalen physiologischen Funktionen gebraucht hätte. Später, als Wettbewerbs-Kickboxerin, blieb mir das RED-S-Syndrom erhalten, weil ich meine Ernährung nicht meinem Training anpasste.
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Ist bei dir schon mal die Periode ausgeblieben oder kürzer ausgefallen, wenn du mental oder körperlich gestresst warst? Vermutlich – und dieses Phänomen gilt inzwischen nicht mal mehr als außergewöhnlich. Dabei ist es ein Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt, und verdient daher unsere Aufmerksamkeit.
Der Körper ist ein cleveres System: Um Energie einzusparen, kann er beschließen, dass die Fortpflanzung gerade keine nötige Funktion ist. Als Konsequenz fährt er deine Sexualhormonproduktion runter und schaltet deinen Zyklus ab. Ab drei ausbleibenden Regeln nennt sich das dann hypothalamische Amenorrhö (FHA, für functional hypothalamic amenorrhea). Eine Studie ergab 2010, dass die Hälfte aller sportlich aktiven Frauen Menstruationsstörungen erleben, 37 Prozent von ihnen sogar Amenorrhö. Trotzdem hat das RED-S-Syndrom seinen Namen erst seit ein paar Jahren und wird von Top-Athlet:innen wie dem CrossFit-Star Sara Sigmundsdóttir offen angesprochen.

In den letzten Jahren hatte ich mich von fünf verschiedenen Allgemeinmediziner:innen und Gynäkolog:innen untersuchen lassen – die mir empfohlen, die Anti-Baby-Pille zu nehmen oder mich baten, nochmal wiederzukommen, wenn ich Kinder wollte.

Die Sport-Ernährungsberaterin und RED-S-Spezialistin Renee McGregor und die Endokrinologin Dr. Nicky Keay spielen eine wichtige Rolle darin, RED-S immer bekannter zu machen und Betroffenen bei der Heilung zu helfen. Als sie vor zwei Jahren anfingen zusammenzuarbeiten, hatten sie im Monat rund fünf Patient:innen; inzwischen sind es mindestens fünf pro Woche. 
„Im vergangenen Jahr haben wir in unserer Klinik rund 700 Menschen behandelt“, erzählt mir Renee. „In den letzten Jahren haben wir einen fünffachen Zuwachs beobachten. Während der Pandemie bekamen wir 25 Anfragen pro Woche.“ Dafür sind vor allem die größere Bekanntheit des Syndroms und Fitness-Pläne im Lockdown verantwortlich; ich selbst suchte mir im Juni 2021 Hilfe in Renees Klinik, weil ich einfach die Schnauze voll hatte. In den letzten Jahren hatte ich mich von fünf verschiedenen Allgemeinmediziner:innen und Gynäkolog:innen untersuchen lassen – die mir empfohlen, die Anti-Baby-Pille zu nehmen, mich baten, nochmal wiederzukommen, wenn ich Kinder wollte oder erst mutmaßten, ich hätte PCOS, dann eine Schilddrüsenunterfunktion und müsse für den Rest meines Lebens irgendwelche Tabletten schlucken.
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Nichts von alldem stellte sich als wahr oder hilfreich heraus. Tatsächlich rät die britische Endocrine Society sogar stark davon ab, die Pille zur Behandlung einer hypothalamischen Amenorrhö zu verschreiben.
„Das verstärkt bloß die Runterregelung der weiblichen Hormone und kaschiert damit lediglich das zugrundeliegende Problem“, erklärt mir Nicky. „Das hilft auch nicht deinen Knochen, weil [die Pille] nicht dieselben Hormone enthält, die der Körper selbst produzieren sollte. Trotzdem verschreiben viele Ärzt:innen die Pille trotzdem [gegen hypothalamische Amenorrhö], weil sich Betroffene dann psychologisch besser fühlen. Dabei ist eine Abbruchblutung ja keine Menstruation.“
Nach einem Bluttest und einem Beratungsgespräch bestätigte mir Renees Team meine hypothalamische Amenorrhö, die durch eine geringe Energieverfügbarkeit verursacht wurde. Was hatten sie jetzt erkannt, was meine vorherigen Ärzt:innen nicht gesehen hatten? „Man muss sich das gesamte klinische Bild ansehen“, erklärt Nicky. „Ja, genau genommen waren deine Blutwerte im normalen Bereich – aber am unteren Ende des normalen Bereichs. Gleichzeitig hast du aber erzählt, keine Periode zu bekommen. Wie können diese Ergebnisse also ‚normal‘ sein?“
„Genau das macht mich jedes Mal sprachlos“, meint Renee. „Man muss die Symptome behandeln; man kann sich nicht immer nur ans Lehrbuch halten. Ich würde mir wünschen, dass Ärzt:innen und Gynäkolog:innen darin ausgebildet werden, die richtigen Fragen zu stellen und die Werte genauer zu hinterfragen.“
Zusätzliche Bluttests bestätigten mir, dass ich in Wahrheit keine Schilddrüsenunterfunktion hatte. Wie auch meine Sexualhormonproduktion war auch meine Schilddrüsenfunktion wegen fehlender Energie runtergeschraubt worden. Sobald ich dieses Energiedefizit behoben hatte, würde sich alles wieder normalisieren, sagte man mir – also habe ich die Schilddrüsen-Medikamente unter Nickys Anweisungen langsam abgesetzt.
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Der nächste Schritt war ein DEXA-Scan (eine sogenannte Dual-Röntgen-Absorptiometrie), um zu untersuchen, wie stark meine Knochendichte nachgelassen hatte. Der Scan diagnostizierte mir eine Osteopenie in der Lendenwirbelsäule. Die Osteopenie ist die Vorstufe zur Osteoporose – eine Diagnose, die mit 31 nicht leicht zu hören ist. Sieben Jahre lang war meine ausbleibende Periode verharmlos worden, während meine Knochen immer schwächer wurden. Das brachte mich zum Nachdenken: Was wäre wohl sonst noch passiert, wenn ich es einfach aufgegeben hätte, nach einer Antwort zu suchen?
„Du hättest in Zukunft massive Probleme bekommen“, meint Nicky. „Wenn du keine Periode hast, ist dein Risiko, zwei oder mehr Stressfrakturen zu erleiden, doppelt so hoch wie bei einer menstruierenden Person. Darunter leidet aber nicht nur deine muskuloskeletale Gesundheit; diese Hormone sind außerdem unheimlich wichtig für deinen Herzkreislauf und wirken sich auf deine Stimmung, neurologischen Funktionen und Reaktionsgeschwindigkeit aus.“
Also schmiedeten wir einen Plan, meine Periode zurückzuholen. Der klang erstmal sehr simpel. Ich sollte:
– konsequent jeden Tag rund 2.000 Kalorien zu mir nehmen, mit jeder Menge Kohlenhydraten und Protein
– vier Portionen kalziumreicher (Milch-)Produkte zu mir nehmen, um meine Knochen zu schützen
– nur noch zweimal pro Woche Sport machen und dazwischen immer einen vollen Ruhetag einhalten
Mein Plan war personalisiert und dank lockdownbedingter Gewichtszunahme hatte ich auch einen kleinen Vorsprung. Manche Betroffenen brauchen viel mehr Essen und Ruhe, aber manchmal ist die Lösung überraschend simpel, erklärt mir Nicky: „Ich hatte eine Patientin, die einfach vor ihrem morgendlichen Joggen eine Banane aß. Nachdem sie jahrelang keine Periode bekommen und man ihr gesagt hatte, sie sei unfruchtbar, bekam sie nach nur ein paar Wochen plötzlich ihre Tage.“
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Um die geistigen Herausforderungen dieser Heilung zu meistern, bekam ich auch ein paar Verhaltensaufgaben. Typischerweise sind RED-S-Betroffene ehrgeizig und perfektionistisch veranlagt und oft sehr selbstkritisch. Dazu kommen dann häufig noch der gesellschaftliche Druck, so oder so aussehen zu müssen, die Liebe zum Sport und die Identität als „Fitness-Mensch“ – und wenn man all das berücksichtigt, ist es wenig überraschend, dass ein „Mehr essen, weniger Sport“-Plan für viele Betroffene zum Problem werden kann.
Renees Team bat mich daher darum, mir Gedanken zu machen, welche Überzeugungen mich selbst zurückhielten. Wir alle schleppen solche Überzeugungen seit der Kindheit mit uns herum, die nicht auf Tatsachen basieren und sogar unserer Gesundheit schaden können. Ich sollte jetzt also darüber nachdenken, dass ich als Kind übergewichtig und unglücklich gewesen war – und darüber, wie ich mir deswegen immer eingeredet hatte, beides sei miteinander verknüpft. Außerdem bat man mich, negative Gefühle neugierig zu hinterfragen. Anstatt zu denken: „Ich bin ängstlich/unwohl/unruhig“, sollte ich stattdessen denken: „Ich bemerke, dass ich mich ängstlich/unwohl/unruhig fühle“, und mich nach dem Warum fragen. 
Beide dieser Aufgaben stellten sich als enorm hilfreich heraus, während sich mein Körper langsam veränderte. Ich weiß nicht, wie viel ich inzwischen zugenommen habe – und warum auch? Ich merke bloß, dass ich in jeder Kleidergröße ein paar Nummern nach oben gewandert bin (ein Hurra für meine Brüste!). Alte Klamotten habe ich gespendet oder verstaut, und mir neue gekauft. Anstatt mich für die Gewichtszunahme fertigzumachen, erinnere ich mich daran, dass meine Kleidung mir passen soll, nicht andersrum – und dass ich mich lieber in größeren Jeans wohl fühle, als in einer kleineren Hose traurig zu sein. 
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Meinen Gefühlen mit Neugier zu begegnen, hat mir auch dabei geholfen, die Tage besser zu verkraften, an denen ich mich in meinem Körper nicht gut fühle. Indem ich mir bewusst mache, was sonst an diesem Tag so los ist, lerne ich, dass meine Gefühle nicht nur von meinem Aussehen abhängen (wovon ich jahrelang überzeugt war). Es spielen immer noch viele andere Faktoren eine Rolle – wie eine schlechte Nacht, eine lange To-do-Liste oder Sorgen um eine geliebte Person.
Es lief nicht immer alles glatt, und es war nicht durchgehend pure #BodyPositivity. Am Tag vor meinem Urlaub saß ich auf meinem Fußboden, fühlte mich beschissen und jammerte in einer E-Mail an Renees Team darüber, wie schwer mir die Gewichtszunahme fiel, obwohl ich ja wusste, dass ich dem Prozess vertrauen sollte.
Und dann, drei Tage später, bekam ich meine erste Periode seit sieben Jahren. Es war unheimlich bestärkend, zu wissen, dass ich das allein geschafft und meinem Körper vertraut hatte. 
Mein Ziel ist es jetzt, mich an den Plan zu halten, bis ich drei Monate in Folge meine Tage hatte. Dann kann ich langsam die Intensität und Häufigkeit meiner Workouts hochschrauben, solange ich darauf achte, dementsprechend mehr Kohlenhydrate zu mir zu nehmen. Sobald ich dann innerhalb von zwölf Monaten neunmal meine Periode hatte, gelte ich als komplett geheilt.
Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel mir diese Heilungsphase gebracht hat. Nach nur zwei Monaten schlafe ich besser, als ich es seit Jahren getan habe; meine Haut ist reiner und strahlender, und ich fühle mich im Alltag deutlich weniger gestresst. Ich habe wohl jahrelang nur von Stresshormonen gelebt
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Inzwischen zerbreche ich mir auch viel weniger den Kopf über Essen und Sport. Weil ich seit zwei Monaten esse, was ich will, habe ich keine Fressattacken mehr, für die ich mich danach schlecht fühle. Dir selbst die Erlaubnis für das Stück Kuchen zu geben, wenn du Lust darauf hast, tut dir langfristig so viel besser.
Ich freue mich auch schon darauf, mit Krafttraining anzufangen. Das ist nicht bloß wichtig, um meine Knochen zu schützen, sondern hilft gegen meine lebenslange Angewohnheit, Kalorien nur mit Ausdauertraining zu verbrennen. Ich kann es kaum erwarten, stärker zu werden, meinen ersten Klimmzug zu schaffen und mitanzusehen, wie sich mein Körper verwandelt. In dieselbe Jeans zu passen, die ich mit 21 getragen habe, ist jetzt meine geringste Sorge.
Glaub mir: Wenn du diesen Prozess durchmachst, lass dich darauf ein und vertraue darauf, dass es funktioniert. Denn dann bekommst du so viel mehr als nur deine Periode zurück!
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